gesehen werden, wenn dies nicht schon in früherer Sa- ge fest stand. Aber es ist auch sonst wahrscheinlich, daß schon vor dieser Zeit Pisa die Leitung des freilich noch nicht so angesehenen Festes hatte -- weil die Pi- saten später sie beständig als ein altes Recht zurück fordern -- und daß damals schon dem Herakles, der zu Pisa ein uraltes Schnitzbild hatte 1, die Gründung beigemessen wurde, die sich dann freilich sehr vortreff- lich an einen Krieg gegen Elis anschloß. In den Kampf mit Augeas dem Sonnensohne um die Rinder scheint mir viel aus einer Epirotischen Geryonis jener ältern, oben angedeuteten, Form herüber genommen worden zu sein.
4.
Wenn wir so einige der Momente bemerklich gemacht haben, unter denen sich die Peloponnesische Heraklesfabel bildete, so vermeinen wir doch keines- weges, damit eine völlige Entwickelung derselben zu geben, die theils unmöglich ist ohne Eingehen in man- nigfache anderweitige Verhältnisse, theils an sich schwer. Denn da die Sagenbildung stets eine unbewußte Thätigkeit ist, weil absichtliche und vorsätzliche Erfin- dung das religiöse Gemüth des alten Volks auf das ärgste empört hätte: so wird in ihr immer mit einem schon Vorhandenen ein Neuhinzutretendes so allmälig verschmolzen, und Jenes mit Diesem so nach und nach durchdrungen, daß die Fugen und Suturen der Ver- bindung fast nicht mehr nachweisbar, sondern die Ver- schiedenartigkeit nur an den entgegengesetzten Ecken und Enden bemerkbar zu machen ist. Aber auch durch den dargelegten Versuch schon wird deutlich, wie Grundge- danken und Hauptfakta jener altdorischen Sage hier unter andern lokalen Verhältnissen, und vermischt mit
1 Apolld. 2, 6, 3.
geſehen werden, wenn dies nicht ſchon in fruͤherer Sa- ge feſt ſtand. Aber es iſt auch ſonſt wahrſcheinlich, daß ſchon vor dieſer Zeit Piſa die Leitung des freilich noch nicht ſo angeſehenen Feſtes hatte — weil die Pi- ſaten ſpaͤter ſie beſtaͤndig als ein altes Recht zuruͤck fordern — und daß damals ſchon dem Herakles, der zu Piſa ein uraltes Schnitzbild hatte 1, die Gruͤndung beigemeſſen wurde, die ſich dann freilich ſehr vortreff- lich an einen Krieg gegen Elis anſchloß. In den Kampf mit Augeas dem Sonnenſohne um die Rinder ſcheint mir viel aus einer Epirotiſchen Geryonis jener aͤltern, oben angedeuteten, Form heruͤber genommen worden zu ſein.
4.
Wenn wir ſo einige der Momente bemerklich gemacht haben, unter denen ſich die Peloponneſiſche Heraklesfabel bildete, ſo vermeinen wir doch keines- weges, damit eine voͤllige Entwickelung derſelben zu geben, die theils unmoͤglich iſt ohne Eingehen in man- nigfache anderweitige Verhaͤltniſſe, theils an ſich ſchwer. Denn da die Sagenbildung ſtets eine unbewußte Thaͤtigkeit iſt, weil abſichtliche und vorſaͤtzliche Erfin- dung das religioͤſe Gemuͤth des alten Volks auf das aͤrgſte empoͤrt haͤtte: ſo wird in ihr immer mit einem ſchon Vorhandenen ein Neuhinzutretendes ſo allmaͤlig verſchmolzen, und Jenes mit Dieſem ſo nach und nach durchdrungen, daß die Fugen und Suturen der Ver- bindung faſt nicht mehr nachweisbar, ſondern die Ver- ſchiedenartigkeit nur an den entgegengeſetzten Ecken und Enden bemerkbar zu machen iſt. Aber auch durch den dargelegten Verſuch ſchon wird deutlich, wie Grundge- danken und Hauptfakta jener altdoriſchen Sage hier unter andern lokalen Verhaͤltniſſen, und vermiſcht mit
1 Apolld. 2, 6, 3.
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geſehen werden, wenn dies nicht ſchon in fruͤherer Sa-
ge feſt ſtand. Aber es iſt auch ſonſt wahrſcheinlich,
daß ſchon vor dieſer Zeit Piſa die Leitung des freilich
noch nicht ſo angeſehenen Feſtes hatte — weil die Pi-
ſaten ſpaͤter ſie beſtaͤndig als ein altes Recht zuruͤck
fordern — und daß damals ſchon dem Herakles, der zu
Piſa ein uraltes Schnitzbild hatte 1, die Gruͤndung
beigemeſſen wurde, die ſich dann freilich ſehr vortreff-
lich an einen Krieg gegen Elis anſchloß. In den
Kampf mit Augeas dem Sonnenſohne um die Rinder
ſcheint mir viel aus einer Epirotiſchen Geryonis jener
aͤltern, oben angedeuteten, Form heruͤber genommen
worden zu ſein.
4.
Wenn wir ſo einige der Momente bemerklich
gemacht haben, unter denen ſich die Peloponneſiſche
Heraklesfabel bildete, ſo vermeinen wir doch keines-
weges, damit eine voͤllige Entwickelung derſelben zu
geben, die theils unmoͤglich iſt ohne Eingehen in man-
nigfache anderweitige Verhaͤltniſſe, theils an ſich ſchwer.
Denn da die Sagenbildung ſtets eine unbewußte
Thaͤtigkeit iſt, weil abſichtliche und vorſaͤtzliche Erfin-
dung das religioͤſe Gemuͤth des alten Volks auf das
aͤrgſte empoͤrt haͤtte: ſo wird in ihr immer mit einem
ſchon Vorhandenen ein Neuhinzutretendes ſo allmaͤlig
verſchmolzen, und Jenes mit Dieſem ſo nach und nach
durchdrungen, daß die Fugen und Suturen der Ver-
bindung faſt nicht mehr nachweisbar, ſondern die Ver-
ſchiedenartigkeit nur an den entgegengeſetzten Ecken und
Enden bemerkbar zu machen iſt. Aber auch durch den
dargelegten Verſuch ſchon wird deutlich, wie Grundge-
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/477>, abgerufen am 09.11.2024.
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