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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824.

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Darüber aber, daß der erste Stamm von den beiden
übrigen als verschieden von Ursprung abgesondert wird,
verweisen wir auf die Bemerkungen im dritten Kapitel.

Ebenso müssen wir auf die Erörterung des Apollo-
dienstes und Heraklesmythos im zweiten Buche verweisen,
welche erst die innre Geschichte des Dorischen Stam-
mes in seiner ältesten Periode geben kann; sintemal in
jener Zeit die Religion alle Regungen des geistigen Le-
bens noch einschließt und inbegreift.

9.

Eine Begebenheit, die auch, wenn sie nicht durch
Tradition bezeugt wäre, doch in ihren Wirkungen er-
kannt und darnach vorausgesetzt werden müßte, ist die
Wanderung von Doriern aus der Gegend des Olympos
nach Kreta. Freilich ein wunderbarer Zug von einem
Ende der Griechischen Welt zum andern, und eine sehr
anomale Erscheinung in der Geschichte der alten Colo-
nien. Man muß annehmen, daß schon in jenen Ursitzen
die Dorier, als von der Ebne ausgeschlossen, durch
Noth und Thatlust gedrängt, Piratenkähne bauten, die
engen und schmalen Fahrzeuge mit selbstrudernden Käm-
pfern bemannten, und so aus Bergbewohnern zu See-
fahrern umgeschaffen -- die Normannen Griechenlands --
nach dem fernen Kreta seegelten. Das älteste Zeug-
niß davon ist das der Odyssee. "Mitten im Meere
liegt das Land Kreta, ein herrliches und gesegnetes Ei-
land. Viele, unzählbare Menschen sind darin und neun-
zig Städte. Andere reden eine anders gemischte Spra-
che. Darin sind Achaeer, hochherzige Eteokreten, Ky-
donen, dreigetheilte Dorier, und göttliche Pelasger.
Unter ihnen ist die große Stadt Knossos" 1. Andron
giebt geographisch genau an: diese Dorier seien aus He-

tes gar trikhaikes kaleontai Ouneka trissen gaian ekas patres
(schr. patres oder patrais) edasanto. Was folgt, ist falsch.
1 Od. 19, 174.

Daruͤber aber, daß der erſte Stamm von den beiden
uͤbrigen als verſchieden von Urſprung abgeſondert wird,
verweiſen wir auf die Bemerkungen im dritten Kapitel.

Ebenſo muͤſſen wir auf die Eroͤrterung des Apollo-
dienſtes und Heraklesmythos im zweiten Buche verweiſen,
welche erſt die innre Geſchichte des Doriſchen Stam-
mes in ſeiner aͤlteſten Periode geben kann; ſintemal in
jener Zeit die Religion alle Regungen des geiſtigen Le-
bens noch einſchließt und inbegreift.

9.

Eine Begebenheit, die auch, wenn ſie nicht durch
Tradition bezeugt waͤre, doch in ihren Wirkungen er-
kannt und darnach vorausgeſetzt werden muͤßte, iſt die
Wanderung von Doriern aus der Gegend des Olympos
nach Kreta. Freilich ein wunderbarer Zug von einem
Ende der Griechiſchen Welt zum andern, und eine ſehr
anomale Erſcheinung in der Geſchichte der alten Colo-
nien. Man muß annehmen, daß ſchon in jenen Urſitzen
die Dorier, als von der Ebne ausgeſchloſſen, durch
Noth und Thatluſt gedraͤngt, Piratenkaͤhne bauten, die
engen und ſchmalen Fahrzeuge mit ſelbſtrudernden Kaͤm-
pfern bemannten, und ſo aus Bergbewohnern zu See-
fahrern umgeſchaffen — die Normannen Griechenlands —
nach dem fernen Kreta ſeegelten. Das aͤlteſte Zeug-
niß davon iſt das der Odyſſee. “Mitten im Meere
liegt das Land Kreta, ein herrliches und geſegnetes Ei-
land. Viele, unzaͤhlbare Menſchen ſind darin und neun-
zig Staͤdte. Andere reden eine anders gemiſchte Spra-
che. Darin ſind Achaeer, hochherzige Eteokreten, Ky-
donen, dreigetheilte Dorier, und goͤttliche Pelasger.
Unter ihnen iſt die große Stadt Knoſſos” 1. Andron
giebt geographiſch genau an: dieſe Dorier ſeien aus He-

τες γὰϱ τϱιχάϊκες καλέονται Οὕνεκα τϱισσὴν γαϊαν ἑκὰς πάτϱης
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[30/0060] Daruͤber aber, daß der erſte Stamm von den beiden uͤbrigen als verſchieden von Urſprung abgeſondert wird, verweiſen wir auf die Bemerkungen im dritten Kapitel. Ebenſo muͤſſen wir auf die Eroͤrterung des Apollo- dienſtes und Heraklesmythos im zweiten Buche verweiſen, welche erſt die innre Geſchichte des Doriſchen Stam- mes in ſeiner aͤlteſten Periode geben kann; ſintemal in jener Zeit die Religion alle Regungen des geiſtigen Le- bens noch einſchließt und inbegreift. 9. Eine Begebenheit, die auch, wenn ſie nicht durch Tradition bezeugt waͤre, doch in ihren Wirkungen er- kannt und darnach vorausgeſetzt werden muͤßte, iſt die Wanderung von Doriern aus der Gegend des Olympos nach Kreta. Freilich ein wunderbarer Zug von einem Ende der Griechiſchen Welt zum andern, und eine ſehr anomale Erſcheinung in der Geſchichte der alten Colo- nien. Man muß annehmen, daß ſchon in jenen Urſitzen die Dorier, als von der Ebne ausgeſchloſſen, durch Noth und Thatluſt gedraͤngt, Piratenkaͤhne bauten, die engen und ſchmalen Fahrzeuge mit ſelbſtrudernden Kaͤm- pfern bemannten, und ſo aus Bergbewohnern zu See- fahrern umgeſchaffen — die Normannen Griechenlands — nach dem fernen Kreta ſeegelten. Das aͤlteſte Zeug- niß davon iſt das der Odyſſee. “Mitten im Meere liegt das Land Kreta, ein herrliches und geſegnetes Ei- land. Viele, unzaͤhlbare Menſchen ſind darin und neun- zig Staͤdte. Andere reden eine anders gemiſchte Spra- che. Darin ſind Achaeer, hochherzige Eteokreten, Ky- donen, dreigetheilte Dorier, und goͤttliche Pelasger. Unter ihnen iſt die große Stadt Knoſſos” 1. Andron giebt geographiſch genau an: dieſe Dorier ſeien aus He- 3 1 Od. 19, 174. 3 τες γὰϱ τϱιχάϊκες καλέονται Οὕνεκα τϱισσὴν γαϊαν ἑκὰς πάτϱης (ſchr. πάτϱῃς oder πάτϱαις) ἐδάσαντο. Was folgt, iſt falſch.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 1. Breslau, 1824, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische02_1824/60>, abgerufen am 24.11.2024.