Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

Prytaneen, welche von den streitenden Partheien
vor jedem Proceß nach Maaßgabe des Gegenstandes
desselben erlegt wurden, und zum Unterhalt der Rich-
ter dienten 1. Der Name beweist, daß diese Gelder
ehemals der Lohn der richtenden Prytanen waren, wie
die dora bei Homer und Hesiod. Ferner wissen wir,
daß die uralte Finanzbehörde der Kolakreten ehemals,
wie ihr Name besagt, den Antheil an den Opferthie-
ren sammelte -- welchen auch in Sparta die Könige
von jedem öffentlichen Opfer empfingen -- daß sie fer-
ner immerfort die Speisungen im Prytaneion besorg-
te, und später die Gerichtsgelder, z. B. eben jene
Prytaneen, eincassirte 2. Aus dem noch nicht ganz
verwischten Zusammenhange dieser Funktionen erhellt,
daß auch jene ältern richtenden Prytanen ein Syssition
bildeten, welches öffentlich speiste, und in Hinsicht der
Einkünfte in die Gerechtsame der Könige eingetreten
war, deren Antheil an Opfern und Gerichtsgeldern
ehemals die Kolakreten gesammelt hatten. Obgleich
dies nun wohl zusammen zu hängen scheint: so befrem-
det doch, daß hier ein ganzer Gerichtshof den Namen
Prytanen führt, da doch in andern Staaten die Zahl
dieser Magistrate immer sehr gering gefunden wurde;
und es entsteht die Frage, ob nicht die Prytanen, wie
anderwärts, blos die Leiter und Vorsitzer dieses höch-
sten Gerichts waren. Wir wissen aber, daß noch spä-
ter die Phylobasileis den Vorsitz im Prytaneion hat-
ten, vier Eupatriden, welche den vier alten Phylen
vorstanden, und außer den heiligen Funktionen, die ih-
nen zugeschrieben werden, einst gewiß einen weiteren

1 Böckh Staatshaush. 1. S. 369.
2 Ebd. S. 186.,
wo zuerst Licht über die Behörde verbreitet ist. Die Arcopagiten er-
hielten ihr kreas auch wohl durch sie. vgl. Hesych und Photios
s. v. kreas.

Prytaneen, welche von den ſtreitenden Partheien
vor jedem Proceß nach Maaßgabe des Gegenſtandes
deſſelben erlegt wurden, und zum Unterhalt der Rich-
ter dienten 1. Der Name beweist, daß dieſe Gelder
ehemals der Lohn der richtenden Prytanen waren, wie
die δῶϱα bei Homer und Heſiod. Ferner wiſſen wir,
daß die uralte Finanzbehoͤrde der Kolakreten ehemals,
wie ihr Name beſagt, den Antheil an den Opferthie-
ren ſammelte — welchen auch in Sparta die Koͤnige
von jedem oͤffentlichen Opfer empfingen — daß ſie fer-
ner immerfort die Speiſungen im Prytaneion beſorg-
te, und ſpaͤter die Gerichtsgelder, z. B. eben jene
Prytaneen, eincaſſirte 2. Aus dem noch nicht ganz
verwiſchten Zuſammenhange dieſer Funktionen erhellt,
daß auch jene aͤltern richtenden Prytanen ein Syſſition
bildeten, welches oͤffentlich ſpeiste, und in Hinſicht der
Einkuͤnfte in die Gerechtſame der Koͤnige eingetreten
war, deren Antheil an Opfern und Gerichtsgeldern
ehemals die Kolakreten geſammelt hatten. Obgleich
dies nun wohl zuſammen zu haͤngen ſcheint: ſo befrem-
det doch, daß hier ein ganzer Gerichtshof den Namen
Prytanen fuͤhrt, da doch in andern Staaten die Zahl
dieſer Magiſtrate immer ſehr gering gefunden wurde;
und es entſteht die Frage, ob nicht die Prytanen, wie
anderwaͤrts, blos die Leiter und Vorſitzer dieſes hoͤch-
ſten Gerichts waren. Wir wiſſen aber, daß noch ſpaͤ-
ter die Phylobaſileis den Vorſitz im Prytaneion hat-
ten, vier Eupatriden, welche den vier alten Phylen
vorſtanden, und außer den heiligen Funktionen, die ih-
nen zugeſchrieben werden, einſt gewiß einen weiteren

1 Boͤckh Staatshaush. 1. S. 369.
2 Ebd. S. 186.,
wo zuerſt Licht uͤber die Behoͤrde verbreitet iſt. Die Arcopagiten er-
hielten ihr κϱέας auch wohl durch ſie. vgl. Heſych und Photios
s. v. κϱέας.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0144" n="136[138]"/><hi rendition="#g">Prytaneen</hi>, welche von den &#x017F;treitenden Partheien<lb/>
vor jedem Proceß nach Maaßgabe des Gegen&#x017F;tandes<lb/>
de&#x017F;&#x017F;elben erlegt wurden, und zum Unterhalt der Rich-<lb/>
ter dienten <note place="foot" n="1">Bo&#x0364;ckh Staatshaush. 1. S. 369.</note>. Der Name beweist, daß die&#x017F;e Gelder<lb/>
ehemals der Lohn der richtenden Prytanen waren, wie<lb/>
die &#x03B4;&#x1FF6;&#x03F1;&#x03B1; bei Homer und He&#x017F;iod. Ferner wi&#x017F;&#x017F;en wir,<lb/>
daß die uralte Finanzbeho&#x0364;rde der Kolakreten ehemals,<lb/>
wie ihr Name be&#x017F;agt, den Antheil an den Opferthie-<lb/>
ren &#x017F;ammelte &#x2014; welchen auch in Sparta die Ko&#x0364;nige<lb/>
von jedem o&#x0364;ffentlichen Opfer empfingen &#x2014; daß &#x017F;ie fer-<lb/>
ner immerfort die Spei&#x017F;ungen im Prytaneion be&#x017F;org-<lb/>
te, und &#x017F;pa&#x0364;ter die Gerichtsgelder, z. B. eben jene<lb/>
Prytaneen, einca&#x017F;&#x017F;irte <note place="foot" n="2">Ebd. S. 186.,<lb/>
wo zuer&#x017F;t Licht u&#x0364;ber die Beho&#x0364;rde verbreitet i&#x017F;t. Die Arcopagiten er-<lb/>
hielten ihr &#x03BA;&#x03F1;&#x03AD;&#x03B1;&#x03C2; auch wohl durch &#x017F;ie. vgl. He&#x017F;ych und Photios<lb/><hi rendition="#aq">s. v.</hi> &#x03BA;&#x03F1;&#x03AD;&#x03B1;&#x03C2;.</note>. Aus dem noch nicht ganz<lb/>
verwi&#x017F;chten Zu&#x017F;ammenhange die&#x017F;er Funktionen erhellt,<lb/>
daß auch jene a&#x0364;ltern richtenden Prytanen ein Sy&#x017F;&#x017F;ition<lb/>
bildeten, welches o&#x0364;ffentlich &#x017F;peiste, und in Hin&#x017F;icht der<lb/>
Einku&#x0364;nfte in die Gerecht&#x017F;ame der Ko&#x0364;nige eingetreten<lb/>
war, deren Antheil an Opfern und Gerichtsgeldern<lb/>
ehemals die Kolakreten ge&#x017F;ammelt hatten. Obgleich<lb/>
dies nun wohl zu&#x017F;ammen zu ha&#x0364;ngen &#x017F;cheint: &#x017F;o befrem-<lb/>
det doch, daß hier ein ganzer Gerichtshof den Namen<lb/>
Prytanen fu&#x0364;hrt, da doch in andern Staaten die Zahl<lb/>
die&#x017F;er Magi&#x017F;trate immer &#x017F;ehr gering gefunden wurde;<lb/>
und es ent&#x017F;teht die Frage, ob nicht die Prytanen, wie<lb/>
anderwa&#x0364;rts, blos die <hi rendition="#g">Leiter</hi> und Vor&#x017F;itzer die&#x017F;es ho&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;ten Gerichts waren. Wir wi&#x017F;&#x017F;en aber, daß noch &#x017F;pa&#x0364;-<lb/>
ter die Phyloba&#x017F;ileis den Vor&#x017F;itz im Prytaneion hat-<lb/>
ten, vier Eupatriden, welche den vier alten Phylen<lb/>
vor&#x017F;tanden, und außer den heiligen Funktionen, die ih-<lb/>
nen zuge&#x017F;chrieben werden, ein&#x017F;t gewiß einen weiteren<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136[138]/0144] Prytaneen, welche von den ſtreitenden Partheien vor jedem Proceß nach Maaßgabe des Gegenſtandes deſſelben erlegt wurden, und zum Unterhalt der Rich- ter dienten 1. Der Name beweist, daß dieſe Gelder ehemals der Lohn der richtenden Prytanen waren, wie die δῶϱα bei Homer und Heſiod. Ferner wiſſen wir, daß die uralte Finanzbehoͤrde der Kolakreten ehemals, wie ihr Name beſagt, den Antheil an den Opferthie- ren ſammelte — welchen auch in Sparta die Koͤnige von jedem oͤffentlichen Opfer empfingen — daß ſie fer- ner immerfort die Speiſungen im Prytaneion beſorg- te, und ſpaͤter die Gerichtsgelder, z. B. eben jene Prytaneen, eincaſſirte 2. Aus dem noch nicht ganz verwiſchten Zuſammenhange dieſer Funktionen erhellt, daß auch jene aͤltern richtenden Prytanen ein Syſſition bildeten, welches oͤffentlich ſpeiste, und in Hinſicht der Einkuͤnfte in die Gerechtſame der Koͤnige eingetreten war, deren Antheil an Opfern und Gerichtsgeldern ehemals die Kolakreten geſammelt hatten. Obgleich dies nun wohl zuſammen zu haͤngen ſcheint: ſo befrem- det doch, daß hier ein ganzer Gerichtshof den Namen Prytanen fuͤhrt, da doch in andern Staaten die Zahl dieſer Magiſtrate immer ſehr gering gefunden wurde; und es entſteht die Frage, ob nicht die Prytanen, wie anderwaͤrts, blos die Leiter und Vorſitzer dieſes hoͤch- ſten Gerichts waren. Wir wiſſen aber, daß noch ſpaͤ- ter die Phylobaſileis den Vorſitz im Prytaneion hat- ten, vier Eupatriden, welche den vier alten Phylen vorſtanden, und außer den heiligen Funktionen, die ih- nen zugeſchrieben werden, einſt gewiß einen weiteren 1 Boͤckh Staatshaush. 1. S. 369. 2 Ebd. S. 186., wo zuerſt Licht uͤber die Behoͤrde verbreitet iſt. Die Arcopagiten er- hielten ihr κϱέας auch wohl durch ſie. vgl. Heſych und Photios s. v. κϱέας.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/144
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 136[138]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/144>, abgerufen am 21.11.2024.