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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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und den Regierungsrechten Besitz nahmen, und sie nur
Stammverwandten mittheilten. Ein Magistrat, dem
Opuntischen Kosmopolis ähnlich, war die höchste Ver-
waltungsbehörde 1; die Phylarchen bildeten eine Art
Rath. Aber in einer zweiten Epoche der Verfassung
trat an die Stelle der Phylarchen eine demokratisch
gewählte boule: dagegen blieben als Reste der frühern
Verfassung, daß alle Magistrate, die aus den ältern
Bürgern (dem eigentlichen politeuma) gewählt waren,
in der Volksversammlung zugegen sein mußten, wenn
ein Magistrat es forderte 2; auch blieb noch der eine
oberste Archont 3. Den Peloponnesischen Krieg ent-
zündete ein Kampf der Epidamnischen Volksparthei
und der Machthaber, in welchem die Korinthier aus
Eifersucht gegen Korkyra, in Vergessenheit ihres wah-
ren Interesses, die erstere unterstützten: wie dieser. Kampf
endete, wissen wir nicht. Die Zahl der ansässigen und
Gewerbe treibenden Fremden war sehr groß 4; außer
ihnen trieben dieselben nur Staatsknechte, kein
Bürger 5. -- Am strengsten hat unter allen Korinthischen
Niederlassungen Apollonia die ursprüngliche Colonie-
verfassung 6 festgehalten, worauf sich wohl der Ruhm
vorzüglicher Gesetzlichkeit gründet 7. Die Regierung
blieb hier ziemlich ganz in den Händen der edlen Ge-
schlechter und Nachkommen der ersten Colonisten, wel-
chen zugleich ohne Zweifel die großen Ackerloose gehör-

1 5, 11, 1. 5, 1, 6.
2 So verstehe ich Aristot. 5, 1,
6, nach Victorius Lesart. Eliaia ist nur eine andere Form für
aliaia, oben S. 86, 8. -- Die Veranlassung der Umwälzung
wird vielleicht 5, 3, 4. erzählt.
3 Ich glaube, daß man 5,
1, 6. arkhon o eis en en, das en nach 3, 11, 1. eotin und nach
dem Zusammenhange streichen muß.
4 Aelian V. G. 13, 15.
5 Arist. 2, 4, 13.
6 S. oben S. 61.
7 Str. 7, 316 c.

und den Regierungsrechten Beſitz nahmen, und ſie nur
Stammverwandten mittheilten. Ein Magiſtrat, dem
Opuntiſchen Kosmopolis aͤhnlich, war die hoͤchſte Ver-
waltungsbehoͤrde 1; die Phylarchen bildeten eine Art
Rath. Aber in einer zweiten Epoche der Verfaſſung
trat an die Stelle der Phylarchen eine demokratiſch
gewaͤhlte βουλὴ: dagegen blieben als Reſte der fruͤhern
Verfaſſung, daß alle Magiſtrate, die aus den aͤltern
Buͤrgern (dem eigentlichen πολίτευμα) gewaͤhlt waren,
in der Volksverſammlung zugegen ſein mußten, wenn
ein Magiſtrat es forderte 2; auch blieb noch der eine
oberſte Archont 3. Den Peloponneſiſchen Krieg ent-
zuͤndete ein Kampf der Epidamniſchen Volksparthei
und der Machthaber, in welchem die Korinthier aus
Eiferſucht gegen Korkyra, in Vergeſſenheit ihres wah-
ren Intereſſes, die erſtere unterſtuͤtzten: wie dieſer. Kampf
endete, wiſſen wir nicht. Die Zahl der anſaͤſſigen und
Gewerbe treibenden Fremden war ſehr groß 4; außer
ihnen trieben dieſelben nur Staatsknechte, kein
Buͤrger 5. — Am ſtrengſten hat unter allen Korinthiſchen
Niederlaſſungen Apollonia die urſpruͤngliche Colonie-
verfaſſung 6 feſtgehalten, worauf ſich wohl der Ruhm
vorzuͤglicher Geſetzlichkeit gruͤndet 7. Die Regierung
blieb hier ziemlich ganz in den Haͤnden der edlen Ge-
ſchlechter und Nachkommen der erſten Coloniſten, wel-
chen zugleich ohne Zweifel die großen Ackerlooſe gehoͤr-

1 5, 11, 1. 5, 1, 6.
2 So verſtehe ich Ariſtot. 5, 1,
6, nach Victorius Lesart. ̔Ηλιαία iſt nur eine andere Form fuͤr
ἁλιαία, oben S. 86, 8. — Die Veranlaſſung der Umwaͤlzung
wird vielleicht 5, 3, 4. erzaͤhlt.
3 Ich glaube, daß man 5,
1, 6. ἄϱχων ὁ εἱς ἠν ἐν, das ἠν nach 3, 11, 1. ἐοτὶν und nach
dem Zuſammenhange ſtreichen muß.
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[156/0162] und den Regierungsrechten Beſitz nahmen, und ſie nur Stammverwandten mittheilten. Ein Magiſtrat, dem Opuntiſchen Kosmopolis aͤhnlich, war die hoͤchſte Ver- waltungsbehoͤrde 1; die Phylarchen bildeten eine Art Rath. Aber in einer zweiten Epoche der Verfaſſung trat an die Stelle der Phylarchen eine demokratiſch gewaͤhlte βουλὴ: dagegen blieben als Reſte der fruͤhern Verfaſſung, daß alle Magiſtrate, die aus den aͤltern Buͤrgern (dem eigentlichen πολίτευμα) gewaͤhlt waren, in der Volksverſammlung zugegen ſein mußten, wenn ein Magiſtrat es forderte 2; auch blieb noch der eine oberſte Archont 3. Den Peloponneſiſchen Krieg ent- zuͤndete ein Kampf der Epidamniſchen Volksparthei und der Machthaber, in welchem die Korinthier aus Eiferſucht gegen Korkyra, in Vergeſſenheit ihres wah- ren Intereſſes, die erſtere unterſtuͤtzten: wie dieſer. Kampf endete, wiſſen wir nicht. Die Zahl der anſaͤſſigen und Gewerbe treibenden Fremden war ſehr groß 4; außer ihnen trieben dieſelben nur Staatsknechte, kein Buͤrger 5. — Am ſtrengſten hat unter allen Korinthiſchen Niederlaſſungen Apollonia die urſpruͤngliche Colonie- verfaſſung 6 feſtgehalten, worauf ſich wohl der Ruhm vorzuͤglicher Geſetzlichkeit gruͤndet 7. Die Regierung blieb hier ziemlich ganz in den Haͤnden der edlen Ge- ſchlechter und Nachkommen der erſten Coloniſten, wel- chen zugleich ohne Zweifel die großen Ackerlooſe gehoͤr- 1 5, 11, 1. 5, 1, 6. 2 So verſtehe ich Ariſtot. 5, 1, 6, nach Victorius Lesart. ̔Ηλιαία iſt nur eine andere Form fuͤr ἁλιαία, oben S. 86, 8. — Die Veranlaſſung der Umwaͤlzung wird vielleicht 5, 3, 4. erzaͤhlt. 3 Ich glaube, daß man 5, 1, 6. ἄϱχων ὁ εἱς ἠν ἐν, das ἠν nach 3, 11, 1. ἐοτὶν und nach dem Zuſammenhange ſtreichen muß. 4 Aelian V. G. 13, 15. 5 Ariſt. 2, 4, 13. 6 S. oben S. 61. 7 Str. 7, 316 c.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/162>, abgerufen am 19.05.2024.