Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

Periode des Perserkrieges durch Aufnahme von Periö-
ken demokratischer zu werden anfing 1. -- Der Ele-
giker Theognis zeigt sich um diese Zeit als eifrigen
Freund der Aristokratie 2, er fürchtet insbesondere
Männer, die das gemeine Volk zum Bösen aufregen,
und als Partheihäupter den jetzt noch ruhigen Staat
in innern Kampf stürzen; er klagt über das Verschwin-
den des Adelstolzes, über das allgemeine Streben nach
Reichthum, über das Zunehmen verschlagener, schlauer
Gesinnung 3. Bald ging auch wirklich aus dem Stre-
ben nach Volksfreiheit, durch Demagogen herbeige-
führt, die größte Verwirrung hervor; das Volk bezahlte
nun keine Zinsen mehr von den geliehenen Capitalen,
und forderte sogar die schon bezahlten heraus (palin
tokia); die Häuser der Reichen, auch Tempel wurden
geplündert, Viele verbannt, um ihr Vermögen einzie-
hen zu können 4. In dieser Zeit nahmen die Megarer
vielleicht das demotische Institut des Ostrakismos auf 5.
Doch kehrte der Adel bald zurück, überwand den De-
mos in einer Schlacht, und stellte nun eine um so här-
tere Oligarchie her, in der die öffentlichen Aemter eine
Zeitlang nur aus solchen besetzt wurden, welche gegen
das Volk mit gefochten hatten 6. Es ist wahrschein-
lich, daß diese Rückkehr den Abfall Megara's von
Athen, Ol. 83, 3., zur Folge hatte 7; im Anfange des

1 oben S. 41. Daß die Stelle auf Megara bei Korinth
geht, scheint mir ziemlich gewiß.
2 oben S. 11. 72
3 S.
V. 43. 66. 847 Bekk.
4 Aristot. 5, 2, 6. 5, 4, 3. Plut.
a. O. Ich glaube, daß auch Theognis 677 von dieser Zeit spricht:
Khremata d arpazousi bie, kosmos d apololen, und in der gan-
zen politischen Allegorie der Stelle. -- In diese Zeit trifft der Fre-
vel gegen die Peloponnesischen Theoren. Plut. a. O. 59.
5 Schol.
Aristoph. Ritt. 851. Phavorin ostrakinda.
6 Aristot. 5, 4,
3. 4, 12, 10.
7 Thuk. 1, 114. vgl. 103.

Periode des Perſerkrieges durch Aufnahme von Perioͤ-
ken demokratiſcher zu werden anfing 1. — Der Ele-
giker Theognis zeigt ſich um dieſe Zeit als eifrigen
Freund der Ariſtokratie 2, er fuͤrchtet insbeſondere
Maͤnner, die das gemeine Volk zum Boͤſen aufregen,
und als Partheihaͤupter den jetzt noch ruhigen Staat
in innern Kampf ſtuͤrzen; er klagt uͤber das Verſchwin-
den des Adelſtolzes, uͤber das allgemeine Streben nach
Reichthum, uͤber das Zunehmen verſchlagener, ſchlauer
Geſinnung 3. Bald ging auch wirklich aus dem Stre-
ben nach Volksfreiheit, durch Demagogen herbeige-
fuͤhrt, die groͤßte Verwirrung hervor; das Volk bezahlte
nun keine Zinſen mehr von den geliehenen Capitalen,
und forderte ſogar die ſchon bezahlten heraus (παλιν
τοϰία); die Haͤuſer der Reichen, auch Tempel wurden
gepluͤndert, Viele verbannt, um ihr Vermoͤgen einzie-
hen zu koͤnnen 4. In dieſer Zeit nahmen die Megarer
vielleicht das demotiſche Inſtitut des Oſtrakismos auf 5.
Doch kehrte der Adel bald zuruͤck, uͤberwand den De-
mos in einer Schlacht, und ſtellte nun eine um ſo haͤr-
tere Oligarchie her, in der die oͤffentlichen Aemter eine
Zeitlang nur aus ſolchen beſetzt wurden, welche gegen
das Volk mit gefochten hatten 6. Es iſt wahrſchein-
lich, daß dieſe Ruͤckkehr den Abfall Megara’s von
Athen, Ol. 83, 3., zur Folge hatte 7; im Anfange des

1 oben S. 41. Daß die Stelle auf Megara bei Korinth
geht, ſcheint mir ziemlich gewiß.
2 oben S. 11. 72
3 S.
V. 43. 66. 847 Bekk.
4 Ariſtot. 5, 2, 6. 5, 4, 3. Plut.
a. O. Ich glaube, daß auch Theognis 677 von dieſer Zeit ſpricht:
Χϱήματα δ̛ ἁϱπάζουσι βίῃ, ϰόσμος δ̛ ἀπόλωλεν, und in der gan-
zen politiſchen Allegorie der Stelle. — In dieſe Zeit trifft der Fre-
vel gegen die Peloponneſiſchen Theoren. Plut. a. O. 59.
5 Schol.
Ariſtoph. Ritt. 851. Phavorin ὀστϱαϰίνδα.
6 Ariſtot. 5, 4,
3. 4, 12, 10.
7 Thuk. 1, 114. vgl. 103.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0173" n="167"/>
Periode des Per&#x017F;erkrieges durch Aufnahme von Perio&#x0364;-<lb/>
ken demokrati&#x017F;cher zu werden anfing <note place="foot" n="1">oben S. 41. Daß die Stelle auf Megara bei Korinth<lb/>
geht, &#x017F;cheint mir ziemlich gewiß.</note>. &#x2014; Der Ele-<lb/>
giker Theognis zeigt &#x017F;ich um die&#x017F;e Zeit als eifrigen<lb/>
Freund der Ari&#x017F;tokratie <note place="foot" n="2">oben S. 11. 72</note>, er fu&#x0364;rchtet insbe&#x017F;ondere<lb/>
Ma&#x0364;nner, die das gemeine Volk zum Bo&#x0364;&#x017F;en aufregen,<lb/>
und als Partheiha&#x0364;upter den jetzt noch ruhigen Staat<lb/>
in innern Kampf &#x017F;tu&#x0364;rzen; er klagt u&#x0364;ber das Ver&#x017F;chwin-<lb/>
den des Adel&#x017F;tolzes, u&#x0364;ber das allgemeine Streben nach<lb/>
Reichthum, u&#x0364;ber das Zunehmen ver&#x017F;chlagener, &#x017F;chlauer<lb/>
Ge&#x017F;innung <note place="foot" n="3">S.<lb/>
V. 43. 66. 847 Bekk.</note>. Bald ging auch wirklich aus dem Stre-<lb/>
ben nach Volksfreiheit, durch Demagogen herbeige-<lb/>
fu&#x0364;hrt, die gro&#x0364;ßte Verwirrung hervor; das Volk bezahlte<lb/>
nun keine Zin&#x017F;en mehr von den geliehenen Capitalen,<lb/>
und forderte &#x017F;ogar die &#x017F;chon bezahlten heraus (&#x03C0;&#x03B1;&#x03BB;&#x03B9;&#x03BD;<lb/>
&#x03C4;&#x03BF;&#x03F0;&#x03AF;&#x03B1;); die Ha&#x0364;u&#x017F;er der Reichen, auch Tempel wurden<lb/>
geplu&#x0364;ndert, Viele verbannt, um ihr Vermo&#x0364;gen einzie-<lb/>
hen zu ko&#x0364;nnen <note place="foot" n="4">Ari&#x017F;tot. 5, 2, 6. 5, 4, 3. Plut.<lb/>
a. O. Ich glaube, daß auch Theognis 677 von die&#x017F;er Zeit &#x017F;pricht:<lb/>
&#x03A7;&#x03F1;&#x03AE;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B1; &#x03B4;&#x031B; &#x1F01;&#x03F1;&#x03C0;&#x03AC;&#x03B6;&#x03BF;&#x03C5;&#x03C3;&#x03B9; &#x03B2;&#x03AF;&#x1FC3;, &#x03F0;&#x03CC;&#x03C3;&#x03BC;&#x03BF;&#x03C2; &#x03B4;&#x031B; &#x1F00;&#x03C0;&#x03CC;&#x03BB;&#x03C9;&#x03BB;&#x03B5;&#x03BD;, und in der gan-<lb/>
zen politi&#x017F;chen Allegorie der Stelle. &#x2014; In die&#x017F;e Zeit trifft der Fre-<lb/>
vel gegen die Peloponne&#x017F;i&#x017F;chen Theoren. Plut. a. O. 59.</note>. In die&#x017F;er Zeit nahmen die Megarer<lb/>
vielleicht das demoti&#x017F;che In&#x017F;titut des O&#x017F;trakismos auf <note place="foot" n="5">Schol.<lb/>
Ari&#x017F;toph. Ritt. 851. Phavorin &#x1F40;&#x03C3;&#x03C4;&#x03F1;&#x03B1;&#x03F0;&#x03AF;&#x03BD;&#x03B4;&#x03B1;.</note>.<lb/>
Doch kehrte der Adel bald zuru&#x0364;ck, u&#x0364;berwand den De-<lb/>
mos in einer Schlacht, und &#x017F;tellte nun eine um &#x017F;o ha&#x0364;r-<lb/>
tere Oligarchie her, in der die o&#x0364;ffentlichen Aemter eine<lb/>
Zeitlang nur aus &#x017F;olchen be&#x017F;etzt wurden, welche gegen<lb/>
das Volk mit gefochten hatten <note place="foot" n="6">Ari&#x017F;tot. 5, 4,<lb/>
3. 4, 12, 10.</note>. Es i&#x017F;t wahr&#x017F;chein-<lb/>
lich, daß die&#x017F;e Ru&#x0364;ckkehr den Abfall Megara&#x2019;s von<lb/>
Athen, Ol. 83, 3., zur Folge hatte <note place="foot" n="7">Thuk. 1, 114. vgl. 103.</note>; im Anfange des<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0173] Periode des Perſerkrieges durch Aufnahme von Perioͤ- ken demokratiſcher zu werden anfing 1. — Der Ele- giker Theognis zeigt ſich um dieſe Zeit als eifrigen Freund der Ariſtokratie 2, er fuͤrchtet insbeſondere Maͤnner, die das gemeine Volk zum Boͤſen aufregen, und als Partheihaͤupter den jetzt noch ruhigen Staat in innern Kampf ſtuͤrzen; er klagt uͤber das Verſchwin- den des Adelſtolzes, uͤber das allgemeine Streben nach Reichthum, uͤber das Zunehmen verſchlagener, ſchlauer Geſinnung 3. Bald ging auch wirklich aus dem Stre- ben nach Volksfreiheit, durch Demagogen herbeige- fuͤhrt, die groͤßte Verwirrung hervor; das Volk bezahlte nun keine Zinſen mehr von den geliehenen Capitalen, und forderte ſogar die ſchon bezahlten heraus (παλιν τοϰία); die Haͤuſer der Reichen, auch Tempel wurden gepluͤndert, Viele verbannt, um ihr Vermoͤgen einzie- hen zu koͤnnen 4. In dieſer Zeit nahmen die Megarer vielleicht das demotiſche Inſtitut des Oſtrakismos auf 5. Doch kehrte der Adel bald zuruͤck, uͤberwand den De- mos in einer Schlacht, und ſtellte nun eine um ſo haͤr- tere Oligarchie her, in der die oͤffentlichen Aemter eine Zeitlang nur aus ſolchen beſetzt wurden, welche gegen das Volk mit gefochten hatten 6. Es iſt wahrſchein- lich, daß dieſe Ruͤckkehr den Abfall Megara’s von Athen, Ol. 83, 3., zur Folge hatte 7; im Anfange des 1 oben S. 41. Daß die Stelle auf Megara bei Korinth geht, ſcheint mir ziemlich gewiß. 2 oben S. 11. 72 3 S. V. 43. 66. 847 Bekk. 4 Ariſtot. 5, 2, 6. 5, 4, 3. Plut. a. O. Ich glaube, daß auch Theognis 677 von dieſer Zeit ſpricht: Χϱήματα δ̛ ἁϱπάζουσι βίῃ, ϰόσμος δ̛ ἀπόλωλεν, und in der gan- zen politiſchen Allegorie der Stelle. — In dieſe Zeit trifft der Fre- vel gegen die Peloponneſiſchen Theoren. Plut. a. O. 59. 5 Schol. Ariſtoph. Ritt. 851. Phavorin ὀστϱαϰίνδα. 6 Ariſtot. 5, 4, 3. 4, 12, 10. 7 Thuk. 1, 114. vgl. 103.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/173
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/173>, abgerufen am 18.12.2024.