Stadt drei hatte 1, so daß die Reichen (die alten Kle- renbesitzer nämlich) sich in denselben Hekatostys zusam- men befanden; die Volksvorsteher aber, die Aristokra- tie gänzlich zu vernichten gesonnen, theilten das Volk in sechzig neue, von den Phylen unabhängige, in die Reiche und Arme durch einander eingetragen wurden: ungefähr dieselbe Operation, durch die Kleisthenes zu Athen die Demokratie so sehr gehoben hatte.
Dieses Herakleia Pontike, eine zum Theil Böotische aber hauptsächlich Megarische Gründung 2, hatte im Anfange gewiß die Verfassung anderer Dori- schen Colonieen, und als Stände erstens die Besitzer der großen Kleren ursprünglicher Theilung, dann einen Demos, der sich zugleich oder nachher angesiedelt, drittens die leibeigenen Mariandynen 3. Ohne die Epochen der Verfassung weiter verfolgen zu können, bemerken wir nur, daß eine Zeitlang eine Bürgerschaft im engern Sinne (ein politeuma) bestand, aber das Volk im weitern doch die Gerichte (die Civilgerichte, meine ich) hatte, was die Umwälzung der Verfassung herbeiführte 4. Vor Olymp. 104, 1. verlangte der Demos sehr heftig Schuldenaufhebung und neue Thei- lung der Feldmark; der Rath, welcher damals noch kein Volksausschuß, sondern ein aristokratisch gewählter war 5, wußte zuletzt in Rathlosigkeit kein Mittel, als einen Vertriebenen, Klearch, zu Hilfe zu rufen, der auch sogleich mit geworbenen Truppen in die Stadt kam,
1 Dies geht aus dem Zusammenhange der Erzählung bei Aeneas Poliork. 11. hervor. Die Zahl vier der Hekatostys ist sicher falsch; ich glaube, daß entweder eikosi oder pentekonta ausgefallen ist. Casaub. Emd. 40 für 4 ist nicht zulässig. Die Begebenheit trifft wohl vor Ol. 104.
2 S. Bd. 2. S. 122.
3 S. oben S. 63.
4 Aristot. 5, 5, 6.
5 Dies geht aus dem Zusammenhange der Hauptstelle bei Justin. 16, 4. hervor.
Stadt drei hatte 1, ſo daß die Reichen (die alten Kle- renbeſitzer naͤmlich) ſich in denſelben Hekatoſtys zuſam- men befanden; die Volksvorſteher aber, die Ariſtokra- tie gaͤnzlich zu vernichten geſonnen, theilten das Volk in ſechzig neue, von den Phylen unabhaͤngige, in die Reiche und Arme durch einander eingetragen wurden: ungefaͤhr dieſelbe Operation, durch die Kleiſthenes zu Athen die Demokratie ſo ſehr gehoben hatte.
Dieſes Herakleia Pontike, eine zum Theil Boͤotiſche aber hauptſaͤchlich Megariſche Gruͤndung 2, hatte im Anfange gewiß die Verfaſſung anderer Dori- ſchen Colonieen, und als Staͤnde erſtens die Beſitzer der großen Kleren urſpruͤnglicher Theilung, dann einen Demos, der ſich zugleich oder nachher angeſiedelt, drittens die leibeigenen Mariandynen 3. Ohne die Epochen der Verfaſſung weiter verfolgen zu koͤnnen, bemerken wir nur, daß eine Zeitlang eine Buͤrgerſchaft im engern Sinne (ein πολίτευμα) beſtand, aber das Volk im weitern doch die Gerichte (die Civilgerichte, meine ich) hatte, was die Umwaͤlzung der Verfaſſung herbeifuͤhrte 4. Vor Olymp. 104, 1. verlangte der Demos ſehr heftig Schuldenaufhebung und neue Thei- lung der Feldmark; der Rath, welcher damals noch kein Volksausſchuß, ſondern ein ariſtokratiſch gewaͤhlter war 5, wußte zuletzt in Rathloſigkeit kein Mittel, als einen Vertriebenen, Klearch, zu Hilfe zu rufen, der auch ſogleich mit geworbenen Truppen in die Stadt kam,
1 Dies geht aus dem Zuſammenhange der Erzaͤhlung bei Aeneas Poliork. 11. hervor. Die Zahl vier der Hekatoſtys iſt ſicher falſch; ich glaube, daß entweder εἴκοσι oder πεντὴκοντα ausgefallen iſt. Caſaub. Emd. 40 fuͤr 4 iſt nicht zulaͤſſig. Die Begebenheit trifft wohl vor Ol. 104.
2 S. Bd. 2. S. 122.
3 S. oben S. 63.
4 Ariſtot. 5, 5, 6.
5 Dies geht aus dem Zuſammenhange der Hauptſtelle bei Juſtin. 16, 4. hervor.
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Stadt drei hatte 1, ſo daß die Reichen (die alten Kle-
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in ſechzig neue, von den Phylen unabhaͤngige, in die
Reiche und Arme durch einander eingetragen wurden:
ungefaͤhr dieſelbe Operation, durch die Kleiſthenes zu
Athen die Demokratie ſo ſehr gehoben hatte.
Dieſes Herakleia Pontike, eine zum Theil
Boͤotiſche aber hauptſaͤchlich Megariſche Gruͤndung 2,
hatte im Anfange gewiß die Verfaſſung anderer Dori-
ſchen Colonieen, und als Staͤnde erſtens die Beſitzer
der großen Kleren urſpruͤnglicher Theilung, dann einen
Demos, der ſich zugleich oder nachher angeſiedelt,
drittens die leibeigenen Mariandynen 3. Ohne die
Epochen der Verfaſſung weiter verfolgen zu koͤnnen,
bemerken wir nur, daß eine Zeitlang eine Buͤrgerſchaft
im engern Sinne (ein πολίτευμα) beſtand, aber das
Volk im weitern doch die Gerichte (die Civilgerichte,
meine ich) hatte, was die Umwaͤlzung der Verfaſſung
herbeifuͤhrte 4. Vor Olymp. 104, 1. verlangte der
Demos ſehr heftig Schuldenaufhebung und neue Thei-
lung der Feldmark; der Rath, welcher damals noch
kein Volksausſchuß, ſondern ein ariſtokratiſch gewaͤhlter
war 5, wußte zuletzt in Rathloſigkeit kein Mittel, als
einen Vertriebenen, Klearch, zu Hilfe zu rufen, der
auch ſogleich mit geworbenen Truppen in die Stadt kam,
1 Dies geht aus dem Zuſammenhange der Erzaͤhlung bei
Aeneas Poliork. 11. hervor. Die Zahl vier der Hekatoſtys iſt ſicher
falſch; ich glaube, daß entweder εἴκοσι oder πεντὴκοντα ausgefallen
iſt. Caſaub. Emd. 40 fuͤr 4 iſt nicht zulaͤſſig. Die Begebenheit
trifft wohl vor Ol. 104.
2 S. Bd. 2. S. 122.
3 S.
oben S. 63.
4 Ariſtot. 5, 5, 6.
5 Dies geht aus dem
Zuſammenhange der Hauptſtelle bei Juſtin. 16, 4. hervor.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/177>, abgerufen am 21.11.2024.
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