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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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konnten, von neuem auf Lakonika angewiesen sein woll-
ten. -- Als aber jene Eintheilung gemacht wurde,
muß Sparta wirklich ungefähr 9000 Familienväter
gehabt haben, oder, nach altem Ausdrucke, so viel
oikous, von denen nun jeder einen kleros erhielt; denn
oikoi und kleroi gehörten nothwendig zusammen 1.
Setzen wir also jeden oikos eines Spartiaten mit ei-
nem kleros versehen: so bleibt die Hauptaufgabe übrig,
beide in dieser Vereinigung durch dazu geeignete In-
stitute für die Folgezeit zu erhalten; und wie dies ei-
gentlich geschehen, denn geschehen ist es im Ganzen,
ist auch für die neuere Forschung ein noch immer nicht
befriedigend gelöstes Problem 2. Der erste Theil des-
selben ist die Erhaltung der Häuser für sich: über die
im Alterthum außer der politischen Oekonomie auch
schon die Religion zu wachen gebot. Nichts fürchterli-
cher für Griechen älterer Zeit, als das Aussterben der
Familie, die Verödung des Hauses 3, durch die der
Todte seine religiöse Ehre, die Götter des Geschlechts
ihre Opfer, der Heerd seine Flamme, die Vorfahren
ihren Namen unter den Lebenden verlieren. Dieser
konnte man in Sparta durch Verfügungen über die
Erbtöchter, Adoptionen, Einführungen von Mothaken
in Familien ohne Descendenz und andere, unten zu be-
rührende, Mittel wehren; auch schonte man im Kriege
die, welche noch keine Söhne hatten 4. Dazu kam
nun zweitens die durch Sitte und Herkommen gebotene

1 Plut. Agis 5. kai ton oikon on o Lukourgos orisou
phulattontoo arithmon en tais diadokhais, kai patros paidi ton
kleron apolipontos. -- vgl. Heyne a. O. p. 15.
2 Wohl
erkannt hat die Schwierigkeiten Fr. v. Raumer Vorles. über alte
Gesch. 1. S. 236.
3 So Herod. 6, 86. von dem Spartiaten
Glaukos: outa ti apogonon, out istie oud[ - 1 Zeichen fehlt]mie nomizomene einat
Glaukou.
4 Herod. 7, 205.

konnten, von neuem auf Lakonika angewieſen ſein woll-
ten. — Als aber jene Eintheilung gemacht wurde,
muß Sparta wirklich ungefaͤhr 9000 Familienvaͤter
gehabt haben, oder, nach altem Ausdrucke, ſo viel
οἴκους, von denen nun jeder einen κλῆρος erhielt; denn
οἶκοι und κλῆϱοι gehoͤrten nothwendig zuſammen 1.
Setzen wir alſo jeden οἶκος eines Spartiaten mit ei-
nem κλῆρος verſehen: ſo bleibt die Hauptaufgabe uͤbrig,
beide in dieſer Vereinigung durch dazu geeignete In-
ſtitute fuͤr die Folgezeit zu erhalten; und wie dies ei-
gentlich geſchehen, denn geſchehen iſt es im Ganzen,
iſt auch fuͤr die neuere Forſchung ein noch immer nicht
befriedigend geloͤstes Problem 2. Der erſte Theil deſ-
ſelben iſt die Erhaltung der Haͤuſer fuͤr ſich: uͤber die
im Alterthum außer der politiſchen Oekonomie auch
ſchon die Religion zu wachen gebot. Nichts fuͤrchterli-
cher fuͤr Griechen aͤlterer Zeit, als das Ausſterben der
Familie, die Veroͤdung des Hauſes 3, durch die der
Todte ſeine religioͤſe Ehre, die Goͤtter des Geſchlechts
ihre Opfer, der Heerd ſeine Flamme, die Vorfahren
ihren Namen unter den Lebenden verlieren. Dieſer
konnte man in Sparta durch Verfuͤgungen uͤber die
Erbtoͤchter, Adoptionen, Einfuͤhrungen von Mothaken
in Familien ohne Deſcendenz und andere, unten zu be-
ruͤhrende, Mittel wehren; auch ſchonte man im Kriege
die, welche noch keine Soͤhne hatten 4. Dazu kam
nun zweitens die durch Sitte und Herkommen gebotene

1 Plut. Agis 5. καὶ τῶν οἴκων ὃν ὁ Λυκοῦϱγος ὥϱισȣ
φυλαττόντοω ἀϱιϑμὸν ἐν ταῖς διαδοχαῖς, καὶ πατϱὸς παιδὶ τὸν
κλῆϱον ἀπολιπόντος. — vgl. Heyne a. O. p. 15.
2 Wohl
erkannt hat die Schwierigkeiten Fr. v. Raumer Vorleſ. uͤber alte
Geſch. 1. S. 236.
3 So Herod. 6, 86. von dem Spartiaten
Glaukos: οὔτα τι ἀπόγονον, οὐτ̛ ἱστίη οὐδ[ – 1 Zeichen fehlt]μίη νομιζομένη εἶνατ
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[192/0198] konnten, von neuem auf Lakonika angewieſen ſein woll- ten. — Als aber jene Eintheilung gemacht wurde, muß Sparta wirklich ungefaͤhr 9000 Familienvaͤter gehabt haben, oder, nach altem Ausdrucke, ſo viel οἴκους, von denen nun jeder einen κλῆρος erhielt; denn οἶκοι und κλῆϱοι gehoͤrten nothwendig zuſammen 1. Setzen wir alſo jeden οἶκος eines Spartiaten mit ei- nem κλῆρος verſehen: ſo bleibt die Hauptaufgabe uͤbrig, beide in dieſer Vereinigung durch dazu geeignete In- ſtitute fuͤr die Folgezeit zu erhalten; und wie dies ei- gentlich geſchehen, denn geſchehen iſt es im Ganzen, iſt auch fuͤr die neuere Forſchung ein noch immer nicht befriedigend geloͤstes Problem 2. Der erſte Theil deſ- ſelben iſt die Erhaltung der Haͤuſer fuͤr ſich: uͤber die im Alterthum außer der politiſchen Oekonomie auch ſchon die Religion zu wachen gebot. Nichts fuͤrchterli- cher fuͤr Griechen aͤlterer Zeit, als das Ausſterben der Familie, die Veroͤdung des Hauſes 3, durch die der Todte ſeine religioͤſe Ehre, die Goͤtter des Geſchlechts ihre Opfer, der Heerd ſeine Flamme, die Vorfahren ihren Namen unter den Lebenden verlieren. Dieſer konnte man in Sparta durch Verfuͤgungen uͤber die Erbtoͤchter, Adoptionen, Einfuͤhrungen von Mothaken in Familien ohne Deſcendenz und andere, unten zu be- ruͤhrende, Mittel wehren; auch ſchonte man im Kriege die, welche noch keine Soͤhne hatten 4. Dazu kam nun zweitens die durch Sitte und Herkommen gebotene 1 Plut. Agis 5. καὶ τῶν οἴκων ὃν ὁ Λυκοῦϱγος ὥϱισȣ φυλαττόντοω ἀϱιϑμὸν ἐν ταῖς διαδοχαῖς, καὶ πατϱὸς παιδὶ τὸν κλῆϱον ἀπολιπόντος. — vgl. Heyne a. O. p. 15. 2 Wohl erkannt hat die Schwierigkeiten Fr. v. Raumer Vorleſ. uͤber alte Geſch. 1. S. 236. 3 So Herod. 6, 86. von dem Spartiaten Glaukos: οὔτα τι ἀπόγονον, οὐτ̛ ἱστίη οὐδ_μίη νομιζομένη εἶνατ Γλαύκου. 4 Herod. 7, 205.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/198>, abgerufen am 21.11.2024.