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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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der Verwandten zuerkannt wird 1; ja die Gesetze führ-
ten noch eine besondere Aufsicht über ihn, daß er auch
mit der Frau Kinder zeuge 2: welche dann nicht in
seinen oikos, sondern den der Frau übergingen, und
Successoren ihres mütterlichen Großvaters wurden. Nun
ist kein Zweifel, daß auch in Sparta durch die Epi-
kleren der oikos fortgesetzt werden sollte, aber außer-
dem ist wahrscheinlich, daß man zu Männern dersel-
ben stets solche, welche für sich keine Kleren hatten,
also Descendenten nachgeborner Söhne, zunächst inner-
halb des oikos 3, dann des Geschlechts u. s. w. nahm.
Hatte der Vater nicht selbst schon über die Tochter
bestimmt, was er aber auch auf keinen Fall willkühr-
lich konnte: so wurde darnach vor dem Gericht des
Königs ausgemacht, wer sie haben solle 4. Erst nach
Epitadeus konnte der Vater sowohl die Tochter, wem
er wollte, verloben, und wenn er seinen Willen dar-
über nicht ausgesprochen, hatte sein Erbe über sie zu

1 S. das Gesetz bei Dem. g. Steph. p. 1134, 15., welches
ich so auslege: Eine Ehefrau ist die, welche ihr Vater, ihr Bru-
der von demselben Vater, ihr väterlicher Großvater verlobt; lebt
keiner von diesen, und das Mädchen ist epikleros, so soll sie der
nächste Verwandte, der kurios, zur Ehe haben: ist sie aber keine
epikl. (wenn z. B. noch Enkel des Verstorbenen in männlicher De-
scendenz existiren), so soll jener Verwandte sie, wem er will, zur
Ehe geben -- wobei er die Pflicht hat, sie nach seinem Census aus-
zustatten. -- Auch Charondas Gesetze nöthigten den Verwandten,
die epikl. zu heirathen, und die Arme auszustatten. Diod. 12, 18.
2 Plut. Solon 20.
3 So heirathete Leonidas die Gorgo,
die epikleros des Kleomenes, als nächster agkhisteus. Es war
aber in Sp. häufig, im oikos zu heirathen. So Archidam seine
Base Lampito, Herod. 6, 71.; so Anaxandridas die Tochter seiner
Schwester, 5, 39. So war Kleonymos Gemahlin (Plut. Pyrrh.
26.) aus demselben Geschlecht; eben so Archidamos des V. Polyb. 4,
35, 15. Plut. Ag. 6.
4 Herod. 6, 57.

der Verwandten zuerkannt wird 1; ja die Geſetze fuͤhr-
ten noch eine beſondere Aufſicht uͤber ihn, daß er auch
mit der Frau Kinder zeuge 2: welche dann nicht in
ſeinen οἶκος, ſondern den der Frau uͤbergingen, und
Succeſſoren ihres muͤtterlichen Großvaters wurden. Nun
iſt kein Zweifel, daß auch in Sparta durch die Epi-
kleren der οἶκος fortgeſetzt werden ſollte, aber außer-
dem iſt wahrſcheinlich, daß man zu Maͤnnern derſel-
ben ſtets ſolche, welche fuͤr ſich keine Kleren hatten,
alſo Deſcendenten nachgeborner Soͤhne, zunaͤchſt inner-
halb des οἶκος 3, dann des Geſchlechts u. ſ. w. nahm.
Hatte der Vater nicht ſelbſt ſchon uͤber die Tochter
beſtimmt, was er aber auch auf keinen Fall willkuͤhr-
lich konnte: ſo wurde darnach vor dem Gericht des
Koͤnigs ausgemacht, wer ſie haben ſolle 4. Erſt nach
Epitadeus konnte der Vater ſowohl die Tochter, wem
er wollte, verloben, und wenn er ſeinen Willen dar-
uͤber nicht ausgeſprochen, hatte ſein Erbe uͤber ſie zu

1 S. das Geſetz bei Dem. g. Steph. p. 1134, 15., welches
ich ſo auslege: Eine Ehefrau iſt die, welche ihr Vater, ihr Bru-
der von demſelben Vater, ihr vaͤterlicher Großvater verlobt; lebt
keiner von dieſen, und das Maͤdchen iſt ἐπίκληϱος, ſo ſoll ſie der
naͤchſte Verwandte, der κύϱιος, zur Ehe haben: iſt ſie aber keine
ἐπίκλ. (wenn z. B. noch Enkel des Verſtorbenen in maͤnnlicher De-
ſcendenz exiſtiren), ſo ſoll jener Verwandte ſie, wem er will, zur
Ehe geben — wobei er die Pflicht hat, ſie nach ſeinem Cenſus aus-
zuſtatten. — Auch Charondas Geſetze noͤthigten den Verwandten,
die ἐπίκλ. zu heirathen, und die Arme auszuſtatten. Diod. 12, 18.
2 Plut. Solon 20.
3 So heirathete Leonidas die Gorgo,
die ἐπίκληϱος des Kleomenes, als naͤchſter ἀγχιστεύς. Es war
aber in Sp. haͤufig, im οἶκος zu heirathen. So Archidam ſeine
Baſe Lampito, Herod. 6, 71.; ſo Anaxandridas die Tochter ſeiner
Schweſter, 5, 39. So war Kleonymos Gemahlin (Plut. Pyrrh.
26.) aus demſelben Geſchlecht; eben ſo Archidamos des V. Polyb. 4,
35, 15. Plut. Ag. 6.
4 Herod. 6, 57.
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[198/0204] der Verwandten zuerkannt wird 1; ja die Geſetze fuͤhr- ten noch eine beſondere Aufſicht uͤber ihn, daß er auch mit der Frau Kinder zeuge 2: welche dann nicht in ſeinen οἶκος, ſondern den der Frau uͤbergingen, und Succeſſoren ihres muͤtterlichen Großvaters wurden. Nun iſt kein Zweifel, daß auch in Sparta durch die Epi- kleren der οἶκος fortgeſetzt werden ſollte, aber außer- dem iſt wahrſcheinlich, daß man zu Maͤnnern derſel- ben ſtets ſolche, welche fuͤr ſich keine Kleren hatten, alſo Deſcendenten nachgeborner Soͤhne, zunaͤchſt inner- halb des οἶκος 3, dann des Geſchlechts u. ſ. w. nahm. Hatte der Vater nicht ſelbſt ſchon uͤber die Tochter beſtimmt, was er aber auch auf keinen Fall willkuͤhr- lich konnte: ſo wurde darnach vor dem Gericht des Koͤnigs ausgemacht, wer ſie haben ſolle 4. Erſt nach Epitadeus konnte der Vater ſowohl die Tochter, wem er wollte, verloben, und wenn er ſeinen Willen dar- uͤber nicht ausgeſprochen, hatte ſein Erbe uͤber ſie zu 1 S. das Geſetz bei Dem. g. Steph. p. 1134, 15., welches ich ſo auslege: Eine Ehefrau iſt die, welche ihr Vater, ihr Bru- der von demſelben Vater, ihr vaͤterlicher Großvater verlobt; lebt keiner von dieſen, und das Maͤdchen iſt ἐπίκληϱος, ſo ſoll ſie der naͤchſte Verwandte, der κύϱιος, zur Ehe haben: iſt ſie aber keine ἐπίκλ. (wenn z. B. noch Enkel des Verſtorbenen in maͤnnlicher De- ſcendenz exiſtiren), ſo ſoll jener Verwandte ſie, wem er will, zur Ehe geben — wobei er die Pflicht hat, ſie nach ſeinem Cenſus aus- zuſtatten. — Auch Charondas Geſetze noͤthigten den Verwandten, die ἐπίκλ. zu heirathen, und die Arme auszuſtatten. Diod. 12, 18. 2 Plut. Solon 20. 3 So heirathete Leonidas die Gorgo, die ἐπίκληϱος des Kleomenes, als naͤchſter ἀγχιστεύς. Es war aber in Sp. haͤufig, im οἶκος zu heirathen. So Archidam ſeine Baſe Lampito, Herod. 6, 71.; ſo Anaxandridas die Tochter ſeiner Schweſter, 5, 39. So war Kleonymos Gemahlin (Plut. Pyrrh. 26.) aus demſelben Geſchlecht; eben ſo Archidamos des V. Polyb. 4, 35, 15. Plut. Ag. 6. 4 Herod. 6, 57.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/204>, abgerufen am 21.11.2024.