Indem wir nun von der Ausbildung der Mu- sik bei den Dorischen Völkerschaften zu reden im Be- griffe stehn, wird unsre Aufmerksamkeit, ehe sie sich auf einzelne Thatsachen und Erscheinungen richten kann, gleich von der allgemeineren in Anspruch genommen: daß eine von den Tonarten (armoniai), wodurch das Hellenische Alterthum die verschiedne Anordnung der in den Tongeschlechtern (gene) gegebnen Intervalle nach den Saiten des Tetrachords, verbunden mit ver- schiedner Höhe und Tiefe des ganzen Systems, bezeich- nete, von Alters her die Dorische genannt wurde 1, und daß diese Dorische Tonart mit der Phrygischen und Lydischen lange Zeit allein unter den Musikern Griechenlands in Gebrauch war: die einzige also, die in dieser frühern Zeit von einer Hellenischen Nation den Namen trug, so daß sie schon deswegen im Ge- gensatz der später entwickelten als die ächthellenische
1 Daher auch dorizein, dorisch singen, Hesych. Eine dafür eingerichtete Kithar ist eine Doria phormigx Pind. O. 1, 17., der sonst den der Dorischen Tonart passenden Rhythmos Dorion pedi- lon nennt, O. 3, 5., und alles zusammen Dorian keleuthon umnon Frgm. inc. 98.
6.
1.
Indem wir nun von der Ausbildung der Mu- ſik bei den Doriſchen Voͤlkerſchaften zu reden im Be- griffe ſtehn, wird unſre Aufmerkſamkeit, ehe ſie ſich auf einzelne Thatſachen und Erſcheinungen richten kann, gleich von der allgemeineren in Anſpruch genommen: daß eine von den Tonarten (ἁρμονίαι), wodurch das Helleniſche Alterthum die verſchiedne Anordnung der in den Tongeſchlechtern (γένη) gegebnen Intervalle nach den Saiten des Tetrachords, verbunden mit ver- ſchiedner Hoͤhe und Tiefe des ganzen Syſtems, bezeich- nete, von Alters her die Doriſche genannt wurde 1, und daß dieſe Doriſche Tonart mit der Phrygiſchen und Lydiſchen lange Zeit allein unter den Muſikern Griechenlands in Gebrauch war: die einzige alſo, die in dieſer fruͤhern Zeit von einer Helleniſchen Nation den Namen trug, ſo daß ſie ſchon deswegen im Ge- genſatz der ſpaͤter entwickelten als die aͤchthelleniſche
1 Daher auch δωϱίζειν, doriſch ſingen, Heſych. Eine dafuͤr eingerichtete Kithar iſt eine Δωϱία φόϱμιγξ Pind. O. 1, 17., der ſonſt den der Doriſchen Tonart paſſenden Rhythmos Δώϱιον πέδι- λον nennt, O. 3, 5., und alles zuſammen Δωϱίαν κέλευθον ὕμνων Frgm. inc. 98.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0322"n="316"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head>6.</head><lb/><divn="3"><head>1.</head><lb/><p><hirendition="#in">I</hi>ndem wir nun von der Ausbildung der <hirendition="#g">Mu-<lb/>ſik</hi> bei den Doriſchen Voͤlkerſchaften zu reden im Be-<lb/>
griffe ſtehn, wird unſre Aufmerkſamkeit, ehe ſie ſich auf<lb/>
einzelne Thatſachen und Erſcheinungen richten kann,<lb/>
gleich von der allgemeineren in Anſpruch genommen:<lb/>
daß eine von den <hirendition="#g">Tonarten</hi> (ἁρμονίαι), wodurch<lb/>
das Helleniſche Alterthum die verſchiedne Anordnung<lb/>
der in den Tongeſchlechtern (γένη) gegebnen Intervalle<lb/>
nach den Saiten des Tetrachords, verbunden mit ver-<lb/>ſchiedner Hoͤhe und Tiefe des ganzen Syſtems, bezeich-<lb/>
nete, von Alters her die <hirendition="#g">Doriſche</hi> genannt wurde <noteplace="foot"n="1">Daher auch δωϱίζειν, doriſch ſingen, Heſych. Eine dafuͤr<lb/>
eingerichtete Kithar iſt eine Δωϱίαφόϱμιγξ Pind. O. 1, 17., der<lb/>ſonſt den der Doriſchen Tonart paſſenden Rhythmos Δώϱιονπέδι-<lb/>λον nennt, O. 3, 5., und alles zuſammen Δωϱίανκέλευθονὕμνων<lb/><hirendition="#aq">Frgm. inc.</hi> 98.</note>,<lb/>
und daß dieſe Doriſche Tonart mit der Phrygiſchen<lb/>
und Lydiſchen lange Zeit allein unter den Muſikern<lb/>
Griechenlands in Gebrauch war: die einzige alſo, die<lb/>
in dieſer fruͤhern Zeit von einer Helleniſchen Nation<lb/>
den Namen trug, ſo daß ſie ſchon deswegen im Ge-<lb/>
genſatz der ſpaͤter entwickelten als die aͤchthelleniſche<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[316/0322]
6.
1.
Indem wir nun von der Ausbildung der Mu-
ſik bei den Doriſchen Voͤlkerſchaften zu reden im Be-
griffe ſtehn, wird unſre Aufmerkſamkeit, ehe ſie ſich auf
einzelne Thatſachen und Erſcheinungen richten kann,
gleich von der allgemeineren in Anſpruch genommen:
daß eine von den Tonarten (ἁρμονίαι), wodurch
das Helleniſche Alterthum die verſchiedne Anordnung
der in den Tongeſchlechtern (γένη) gegebnen Intervalle
nach den Saiten des Tetrachords, verbunden mit ver-
ſchiedner Hoͤhe und Tiefe des ganzen Syſtems, bezeich-
nete, von Alters her die Doriſche genannt wurde 1,
und daß dieſe Doriſche Tonart mit der Phrygiſchen
und Lydiſchen lange Zeit allein unter den Muſikern
Griechenlands in Gebrauch war: die einzige alſo, die
in dieſer fruͤhern Zeit von einer Helleniſchen Nation
den Namen trug, ſo daß ſie ſchon deswegen im Ge-
genſatz der ſpaͤter entwickelten als die aͤchthelleniſche
1 Daher auch δωϱίζειν, doriſch ſingen, Heſych. Eine dafuͤr
eingerichtete Kithar iſt eine Δωϱία φόϱμιγξ Pind. O. 1, 17., der
ſonſt den der Doriſchen Tonart paſſenden Rhythmos Δώϱιον πέδι-
λον nennt, O. 3, 5., und alles zuſammen Δωϱίαν κέλευθον ὕμνων
Frgm. inc. 98.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/322>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.