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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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Saiten bespannte Kithar brauchte 1; und auch Si-
kyon
hatte bestimmte Gesetze über musische Agonen 2.

4.

Diese beständige Aufsicht des Staates über
die Musik hatte ihren Hauptgrund darin, daß man
dieselbe weit mehr als einen Ausdruck der allgemeinen
Sitte und Stimmung des Gefühls betrachtete, denn
als eine freie Kunst, die nur den Gesetzen ihrer eignen
Ausbildungsfähigkeit zu folgen hätte, und demzufolge
überzeugt war, daß die Musik auch rückwärts auf die
Sitten des gesammten Volks einen höchst wichtigen
Einfluß übe. Historische Beispiele bestätigen das wirk-
liche Vorhandensein eines so innigen Zusammenhangs;
namentlich wird von den Doriern Siciliens angeführt,
daß bei ihnen durch Einführung einer weichlichen Mu-
sik auch die Reinheit der Sitten untergegangen sei 3,
während die Strenge des Lebens in Sparta sich sicher
nicht ohne Bewahrung jener alterthümlichen Tonkunst
erhalten hätte. Diesen engen Zusammenhang aber zu
erklären, hilft unter andern die Bemerkung, daß ehe-
mals die Musik weit mehr zur allgemeinen Volkser-
ziehung gehörte, und weit mehr vom ganzen Volke
geübt wurde, als später 4. Es läßt sich im Gange
der Ausbildung dieser Kunst das Gesetz sehr bestimmt
nachweisen, daß sie von einer Epoche zur andern im-
mer mehr Eigenthum einzelner Künstler oder Virtuosen
wurde, und das in dem Kindesalter derselben an der
Aufführung Antheil nehmende Volk sich allgemach immer
mehr in bloßes Zuschauerpersonal verwandelte. Was

1 Plut. 37.
2 Inschr. bei Cyriac. Illyr. p. 18, 129.
Murat. 645. Plut. 32. schreibt besonders den Lakedämoniern, Man-
tineern und Pelleneern eine ethische Kritik der Musik zu.
3 Max. Tyr. 4. p. 46. 21. p. 216. Davis. vgl. Cic. de legg. 2, 15.
4 Wie fortwährend in Arkadien nach Polyh. 4, 20, 7.

Saiten beſpannte Kithar brauchte 1; und auch Si-
kyon
hatte beſtimmte Geſetze uͤber muſiſche Agonen 2.

4.

Dieſe beſtaͤndige Aufſicht des Staates uͤber
die Muſik hatte ihren Hauptgrund darin, daß man
dieſelbe weit mehr als einen Ausdruck der allgemeinen
Sitte und Stimmung des Gefuͤhls betrachtete, denn
als eine freie Kunſt, die nur den Geſetzen ihrer eignen
Ausbildungsfaͤhigkeit zu folgen haͤtte, und demzufolge
uͤberzeugt war, daß die Muſik auch ruͤckwaͤrts auf die
Sitten des geſammten Volks einen hoͤchſt wichtigen
Einfluß uͤbe. Hiſtoriſche Beiſpiele beſtaͤtigen das wirk-
liche Vorhandenſein eines ſo innigen Zuſammenhangs;
namentlich wird von den Doriern Siciliens angefuͤhrt,
daß bei ihnen durch Einfuͤhrung einer weichlichen Mu-
ſik auch die Reinheit der Sitten untergegangen ſei 3,
waͤhrend die Strenge des Lebens in Sparta ſich ſicher
nicht ohne Bewahrung jener alterthuͤmlichen Tonkunſt
erhalten haͤtte. Dieſen engen Zuſammenhang aber zu
erklaͤren, hilft unter andern die Bemerkung, daß ehe-
mals die Muſik weit mehr zur allgemeinen Volkser-
ziehung gehoͤrte, und weit mehr vom ganzen Volke
geuͤbt wurde, als ſpaͤter 4. Es laͤßt ſich im Gange
der Ausbildung dieſer Kunſt das Geſetz ſehr beſtimmt
nachweiſen, daß ſie von einer Epoche zur andern im-
mer mehr Eigenthum einzelner Kuͤnſtler oder Virtuoſen
wurde, und das in dem Kindesalter derſelben an der
Auffuͤhrung Antheil nehmende Volk ſich allgemach immer
mehr in bloßes Zuſchauerperſonal verwandelte. Was

1 Plut. 37.
2 Inſchr. bei Cyriac. Illyr. p. 18, 129.
Murat. 645. Plut. 32. ſchreibt beſonders den Lakedaͤmoniern, Man-
tineern und Pelleneern eine ethiſche Kritik der Muſik zu.
3 Max. Tyr. 4. p. 46. 21. p. 216. Davis. vgl. Cic. de legg. 2, 15.
4 Wie fortwaͤhrend in Arkadien nach Polyh. 4, 20, 7.
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[327/0333] Saiten beſpannte Kithar brauchte 1; und auch Si- kyon hatte beſtimmte Geſetze uͤber muſiſche Agonen 2. 4. Dieſe beſtaͤndige Aufſicht des Staates uͤber die Muſik hatte ihren Hauptgrund darin, daß man dieſelbe weit mehr als einen Ausdruck der allgemeinen Sitte und Stimmung des Gefuͤhls betrachtete, denn als eine freie Kunſt, die nur den Geſetzen ihrer eignen Ausbildungsfaͤhigkeit zu folgen haͤtte, und demzufolge uͤberzeugt war, daß die Muſik auch ruͤckwaͤrts auf die Sitten des geſammten Volks einen hoͤchſt wichtigen Einfluß uͤbe. Hiſtoriſche Beiſpiele beſtaͤtigen das wirk- liche Vorhandenſein eines ſo innigen Zuſammenhangs; namentlich wird von den Doriern Siciliens angefuͤhrt, daß bei ihnen durch Einfuͤhrung einer weichlichen Mu- ſik auch die Reinheit der Sitten untergegangen ſei 3, waͤhrend die Strenge des Lebens in Sparta ſich ſicher nicht ohne Bewahrung jener alterthuͤmlichen Tonkunſt erhalten haͤtte. Dieſen engen Zuſammenhang aber zu erklaͤren, hilft unter andern die Bemerkung, daß ehe- mals die Muſik weit mehr zur allgemeinen Volkser- ziehung gehoͤrte, und weit mehr vom ganzen Volke geuͤbt wurde, als ſpaͤter 4. Es laͤßt ſich im Gange der Ausbildung dieſer Kunſt das Geſetz ſehr beſtimmt nachweiſen, daß ſie von einer Epoche zur andern im- mer mehr Eigenthum einzelner Kuͤnſtler oder Virtuoſen wurde, und das in dem Kindesalter derſelben an der Auffuͤhrung Antheil nehmende Volk ſich allgemach immer mehr in bloßes Zuſchauerperſonal verwandelte. Was 1 Plut. 37. 2 Inſchr. bei Cyriac. Illyr. p. 18, 129. Murat. 645. Plut. 32. ſchreibt beſonders den Lakedaͤmoniern, Man- tineern und Pelleneern eine ethiſche Kritik der Muſik zu. 3 Max. Tyr. 4. p. 46. 21. p. 216. Davis. vgl. Cic. de legg. 2, 15. 4 Wie fortwaͤhrend in Arkadien nach Polyh. 4, 20, 7.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/333>, abgerufen am 24.11.2024.