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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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den, statt daß es mit S der Fall ist 1. Vieles haben
die Herausgeber gegen die Handschriften hineinzutra-
gen gesucht 2; allein dadurch wird alle Möglichkeit der
Critik aufgehoben. So wird es wahrscheinlich, daß
ein Grammatiker sich die Mühe gegeben, aus einer der
Erzählungen über Timotheos ein angeblich Lakonisches
Schriftwerk zu bilden, dem die Strenge der darin
ausgesprochnen Gesinnung und die Rauhigkeit des
Dialekts einen eignen Reiz geben sollte; daß er wirk-
lich ein öffentliches Denkmal in seiner Erfindung dar-
stellen wollte, zeigt die alte, in Athen seit Euklides,
in Sparta vielleicht später, abgeschaffte Orthogra-
phie 3.

In Kreta hatte man ehemals dieselben Grund-
sätze wie in Lakedämon 4, deren Strenge indeß mit der
Zeit nachließ. In einem Knossischen Dekret 5 vom An-
fange des zweiten Jahrhunderts v. Chr. wird ein Ge-
sandter gelobt, weil er oft zur Kithar die Melodieen
des Timotheos, des Polyidos 6 und der alten Kreti-
schen Dichter gespielt habe. -- Auch in Argos wur-
de der erste gestraft, der eine mit mehr als sieben

1 So steht eton von ethos, was Lakonisch BESOR hieß,
Valcken. ad Theocr. p. 282.
2 So müßte man z. B. für
mito MOUSO schreiben, s. Valcken. p. 379. -- ohne alle Wahr-
scheinlichkeit; für kitaritin wahrscheinlich KISARIKsIN, für am-
phiennitai AMPENNUTAI (nach ampesai -- amphiesai Hesych)
oder AMPIWENNUTAI (nach beston, Etym. M. 195, 45., für
esthos Aristoph. Lysistr. 1090.) für epanagkatai -- EPANAG-
KAAI nach poieai. u. a. m.
3 Daß man gern Spartia-
tische Denkmale erdichtete, bemerkt auch Valcken. a. O. p. 257.
Die Unächtheit dieses Dekrets haben schon Villebrun zum Ath.
8, 352. und Heinrich Epimenides S. 175. vermuthet.
4 Pla-
ton Ges. 2, 660. vgl. 3, 680.
5 Chishull p. 121.
6 Ei-
nes Zeitgenossen von Timotheos, Plut. Mus. 21. Athen 8, 352 b.

den, ſtatt daß es mit Σ der Fall iſt 1. Vieles haben
die Herausgeber gegen die Handſchriften hineinzutra-
gen geſucht 2; allein dadurch wird alle Moͤglichkeit der
Critik aufgehoben. So wird es wahrſcheinlich, daß
ein Grammatiker ſich die Muͤhe gegeben, aus einer der
Erzaͤhlungen uͤber Timotheos ein angeblich Lakoniſches
Schriftwerk zu bilden, dem die Strenge der darin
ausgeſprochnen Geſinnung und die Rauhigkeit des
Dialekts einen eignen Reiz geben ſollte; daß er wirk-
lich ein oͤffentliches Denkmal in ſeiner Erfindung dar-
ſtellen wollte, zeigt die alte, in Athen ſeit Euklides,
in Sparta vielleicht ſpaͤter, abgeſchaffte Orthogra-
phie 3.

In Kreta hatte man ehemals dieſelben Grund-
ſaͤtze wie in Lakedaͤmon 4, deren Strenge indeß mit der
Zeit nachließ. In einem Knoſſiſchen Dekret 5 vom An-
fange des zweiten Jahrhunderts v. Chr. wird ein Ge-
ſandter gelobt, weil er oft zur Kithar die Melodieen
des Timotheos, des Polyidos 6 und der alten Kreti-
ſchen Dichter geſpielt habe. — Auch in Argos wur-
de der erſte geſtraft, der eine mit mehr als ſieben

1 So ſteht ετων von ἔθος, was Lakoniſch ΒΕΣΟΡ hieß,
Valcken. ad Theocr. p. 282.
2 So muͤßte man z. B. fuͤr
μιτω ΜΟϒΣΩ ſchreiben, ſ. Valcken. p. 379. — ohne alle Wahr-
ſcheinlichkeit; fuͤr κιταϱιτιν wahrſcheinlich ΚΙΣΑΡΙΞΙΝ, fuͤr ἀμ-
φιεννιται ΑΜΠΕΝΝϒΤΑΙ (nach ἀμπέσαι — ἀμφιέσαι Heſych)
oder ΑΜΠΙϜΕΝΝϒΤΑΙ (nach βέστον, Etym. M. 195, 45., fuͤr
ἔσϑος Ariſtoph. Lyſiſtr. 1090.) fuͤr ἐπαναγκάται — ΕΠΑΝΑΓ-
ΚΑἉΙ nach ποιηἁι. u. a. m.
3 Daß man gern Spartia-
tiſche Denkmale erdichtete, bemerkt auch Valcken. a. O. p. 257.
Die Unaͤchtheit dieſes Dekrets haben ſchon Villebrun zum Ath.
8, 352. und Heinrich Epimenides S. 175. vermuthet.
4 Pla-
ton Geſ. 2, 660. vgl. 3, 680.
5 Chishull p. 121.
6 Ei-
nes Zeitgenoſſen von Timotheos, Plut. Muſ. 21. Athen 8, 352 b.
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[326/0332] den, ſtatt daß es mit Σ der Fall iſt 1. Vieles haben die Herausgeber gegen die Handſchriften hineinzutra- gen geſucht 2; allein dadurch wird alle Moͤglichkeit der Critik aufgehoben. So wird es wahrſcheinlich, daß ein Grammatiker ſich die Muͤhe gegeben, aus einer der Erzaͤhlungen uͤber Timotheos ein angeblich Lakoniſches Schriftwerk zu bilden, dem die Strenge der darin ausgeſprochnen Geſinnung und die Rauhigkeit des Dialekts einen eignen Reiz geben ſollte; daß er wirk- lich ein oͤffentliches Denkmal in ſeiner Erfindung dar- ſtellen wollte, zeigt die alte, in Athen ſeit Euklides, in Sparta vielleicht ſpaͤter, abgeſchaffte Orthogra- phie 3. In Kreta hatte man ehemals dieſelben Grund- ſaͤtze wie in Lakedaͤmon 4, deren Strenge indeß mit der Zeit nachließ. In einem Knoſſiſchen Dekret 5 vom An- fange des zweiten Jahrhunderts v. Chr. wird ein Ge- ſandter gelobt, weil er oft zur Kithar die Melodieen des Timotheos, des Polyidos 6 und der alten Kreti- ſchen Dichter geſpielt habe. — Auch in Argos wur- de der erſte geſtraft, der eine mit mehr als ſieben 1 So ſteht ετων von ἔθος, was Lakoniſch ΒΕΣΟΡ hieß, Valcken. ad Theocr. p. 282. 2 So muͤßte man z. B. fuͤr μιτω ΜΟϒΣΩ ſchreiben, ſ. Valcken. p. 379. — ohne alle Wahr- ſcheinlichkeit; fuͤr κιταϱιτιν wahrſcheinlich ΚΙΣΑΡΙΞΙΝ, fuͤr ἀμ- φιεννιται ΑΜΠΕΝΝϒΤΑΙ (nach ἀμπέσαι — ἀμφιέσαι Heſych) oder ΑΜΠΙϜΕΝΝϒΤΑΙ (nach βέστον, Etym. M. 195, 45., fuͤr ἔσϑος Ariſtoph. Lyſiſtr. 1090.) fuͤr ἐπαναγκάται — ΕΠΑΝΑΓ- ΚΑἉΙ nach ποιηἁι. u. a. m. 3 Daß man gern Spartia- tiſche Denkmale erdichtete, bemerkt auch Valcken. a. O. p. 257. Die Unaͤchtheit dieſes Dekrets haben ſchon Villebrun zum Ath. 8, 352. und Heinrich Epimenides S. 175. vermuthet. 4 Pla- ton Geſ. 2, 660. vgl. 3, 680. 5 Chishull p. 121. 6 Ei- nes Zeitgenoſſen von Timotheos, Plut. Muſ. 21. Athen 8, 352 b.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/332>, abgerufen am 21.11.2024.