ter kamen, mitten unter ihnen der Phallophor, das Gesicht mit Ruß bestrichen, grade vorschreitend: dann nach einer Anmeldung, daß sie dem Bakchos ein neues Lied unjüngferlicher Muse in einfachem Rhythmus mit bunter Melodie brächten, fingen sie an, wer ihnen grade vorkam, zum Gegenstand lächerlicher Darstellung zu machen. So schlossen sich auch wohl die Tarenti- nischen Phlyaken an den dort blühenden Dionysosdienst an, und ähnliche Carnevalslustbarkeiten führte das Fest in Sicilien herbei 1. Doch gaben auch Cerealische Sacra zu dergleichen Schimpfspielen unter den Doriern Veranlassung, wie wir besonders aus Herodots Be- schreibung der Aeginetischen Weiberchöre beim Feste der Damia und Auxesia wissen, die alle andern ihres Ge- schlechts mit ausgelassnen und beißenden Redensarten neckten 2. Dies Spotten überließ man indeß an den genannten Orten durchaus noch der Laune des Augen- blicks; auch trat es nur accessorisch zu gewissen Fest- tänzen und Liederweisen hinzu: bei den Megarern da- gegen gewann die Komik, wir wissen nicht durch wel- che Umstände, einen künstlerischen Charakter und eine unabhängigere Ausbildung.
1 Ich glaube, daß das Sprichwort moroteros Morukhou ur- sprünglich auf die Possenspiele bei dem Weinlesefeste geht, wo man in Sicilien dem Gotte, und wohl auch sich selbst, das Gesicht mit Traubensaft beschmierte. -- In Italien gab es aber auch bei dem Feste der Art. Korythallia Spaßmacher mit hölzernen Masken (ku- rithra) kurittoi genannt. Hesych s. v.
2Aegin. p. 170 sq.
ter kamen, mitten unter ihnen der Phallophor, das Geſicht mit Ruß beſtrichen, grade vorſchreitend: dann nach einer Anmeldung, daß ſie dem Bakchos ein neues Lied unjuͤngferlicher Muſe in einfachem Rhythmus mit bunter Melodie braͤchten, fingen ſie an, wer ihnen grade vorkam, zum Gegenſtand laͤcherlicher Darſtellung zu machen. So ſchloſſen ſich auch wohl die Tarenti- niſchen Phlyaken an den dort bluͤhenden Dionyſosdienſt an, und aͤhnliche Carnevalsluſtbarkeiten fuͤhrte das Feſt in Sicilien herbei 1. Doch gaben auch Cerealiſche Sacra zu dergleichen Schimpfſpielen unter den Doriern Veranlaſſung, wie wir beſonders aus Herodots Be- ſchreibung der Aeginetiſchen Weiberchoͤre beim Feſte der Damia und Auxeſia wiſſen, die alle andern ihres Ge- ſchlechts mit ausgelaſſnen und beißenden Redensarten neckten 2. Dies Spotten uͤberließ man indeß an den genannten Orten durchaus noch der Laune des Augen- blicks; auch trat es nur acceſſoriſch zu gewiſſen Feſt- taͤnzen und Liederweiſen hinzu: bei den Megarern da- gegen gewann die Komik, wir wiſſen nicht durch wel- che Umſtaͤnde, einen kuͤnſtleriſchen Charakter und eine unabhaͤngigere Ausbildung.
1 Ich glaube, daß das Sprichwort μωϱότεϱος Μοϱύχου ur- ſpruͤnglich auf die Poſſenſpiele bei dem Weinleſefeſte geht, wo man in Sicilien dem Gotte, und wohl auch ſich ſelbſt, das Geſicht mit Traubenſaft beſchmierte. — In Italien gab es aber auch bei dem Feſte der Art. Korythallia Spaßmacher mit hoͤlzernen Maſken (κύ- ϱιϑϱα) κυϱιττοὶ genannt. Heſych s. v.
2Aegin. p. 170 sq.
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ter kamen, mitten unter ihnen der Phallophor, das
Geſicht mit Ruß beſtrichen, grade vorſchreitend: dann
nach einer Anmeldung, daß ſie dem Bakchos ein neues
Lied unjuͤngferlicher Muſe in einfachem Rhythmus mit
bunter Melodie braͤchten, fingen ſie an, wer ihnen
grade vorkam, zum Gegenſtand laͤcherlicher Darſtellung
zu machen. So ſchloſſen ſich auch wohl die Tarenti-
niſchen Phlyaken an den dort bluͤhenden Dionyſosdienſt
an, und aͤhnliche Carnevalsluſtbarkeiten fuͤhrte das Feſt
in Sicilien herbei 1. Doch gaben auch Cerealiſche
Sacra zu dergleichen Schimpfſpielen unter den Doriern
Veranlaſſung, wie wir beſonders aus Herodots Be-
ſchreibung der Aeginetiſchen Weiberchoͤre beim Feſte der
Damia und Auxeſia wiſſen, die alle andern ihres Ge-
ſchlechts mit ausgelaſſnen und beißenden Redensarten
neckten 2. Dies Spotten uͤberließ man indeß an den
genannten Orten durchaus noch der Laune des Augen-
blicks; auch trat es nur acceſſoriſch zu gewiſſen Feſt-
taͤnzen und Liederweiſen hinzu: bei den Megarern da-
gegen gewann die Komik, wir wiſſen nicht durch wel-
che Umſtaͤnde, einen kuͤnſtleriſchen Charakter und eine
unabhaͤngigere Ausbildung.
1 Ich glaube, daß das Sprichwort μωϱότεϱος Μοϱύχου ur-
ſpruͤnglich auf die Poſſenſpiele bei dem Weinleſefeſte geht, wo man
in Sicilien dem Gotte, und wohl auch ſich ſelbſt, das Geſicht mit
Traubenſaft beſchmierte. — In Italien gab es aber auch bei dem
Feſte der Art. Korythallia Spaßmacher mit hoͤlzernen Maſken (κύ-
ϱιϑϱα) κυϱιττοὶ genannt. Heſych s. v.
2 Aegin. p. 170 sq.
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/354>, abgerufen am 25.11.2024.
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