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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

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stammung nach auf keinen Fall Hellenen, sondern ohne
Zweifel Eingeborne, Sikuler, die alten Diener der
ländlichen Pales 1, und es ist glaublich, daß ein an-
gebornes Talent auch von ihrer Seite entgegen gekom-
men sei, um das bukolische Gedicht in seinen Ursprün-
gen zu bilden. Die alte Sage von Daphnis selbst,
der durch die Liebe einer Nymphe die Augen verlor 2,
scheint mir ungriechisch, und dann Sikulisch -- obgleich
freilich, wie weit hierin Hellenismus und der Charak-
ter der Nation des Landes in einander greifen, noch
ein höchst dunkler Gegenstand der Forschung ist 3.

11.

Im Ganzen schloß sich, wie in Attika, so auch
unter den Doriern die Komik an die ländlichen
Bakchosfeste
an, und ging, wie Aristoteles sagt 4,
aus dem Improvisiren derer, die die Phallischen Züge
führten, hervor, die auch noch zur Zeit dieses Philo-
sophen in vielen Städten in Gebrauch waren. Einen
Beweis dafür giebt Sikyon. Hier hatte man einen
Tanz Aleter, den Herumschwärmer 5, wie in Athen
das ländliche Fest der Phallenschaukel auch eorte ale-
tis genannt wurde; und in derselben Stadt gab es
ein komisches Spiel, die Phallophoren genannt 6,
bei dem die Spieler ohne Masken, aber Kopf und
Gesicht in Blumen reichlich eingehüllt, dabei in langen
stattlichen Gewändern, theils auf dem gewöhnlichen
Eingang, theils durch die Scenenthüren in das Thea-

1 Der theoi Palikoi am Aetna, die offenbar ursprünglich
mit der Römischen Pales identisch sind, die sonach zu dem Siculi-
schen Zweige der Römischen Religion gehört.
2 S. außer den
Schol. Theokr. und Virg. Aelian a. O.
3 Theokrits Gedichte
geben leider wenig Ausschlüsse über diese Dinge, weil grade die ei-
gentlichen Bukolika am meisten Kunstdichtung sind.
4 Poet.
4, 14.
5 Ath. 14, 631.
6 Semos von Delos bei Ath.
14, 621 f. 622 c. und Suid. s. v. Semos. vgl. Bd. 2. S. 404, 7.

ſtammung nach auf keinen Fall Hellenen, ſondern ohne
Zweifel Eingeborne, Sikuler, die alten Diener der
laͤndlichen Pales 1, und es iſt glaublich, daß ein an-
gebornes Talent auch von ihrer Seite entgegen gekom-
men ſei, um das bukoliſche Gedicht in ſeinen Urſpruͤn-
gen zu bilden. Die alte Sage von Daphnis ſelbſt,
der durch die Liebe einer Nymphe die Augen verlor 2,
ſcheint mir ungriechiſch, und dann Sikuliſch — obgleich
freilich, wie weit hierin Hellenismus und der Charak-
ter der Nation des Landes in einander greifen, noch
ein hoͤchſt dunkler Gegenſtand der Forſchung iſt 3.

11.

Im Ganzen ſchloß ſich, wie in Attika, ſo auch
unter den Doriern die Komik an die laͤndlichen
Bakchosfeſte
an, und ging, wie Ariſtoteles ſagt 4,
aus dem Improviſiren derer, die die Phalliſchen Zuͤge
fuͤhrten, hervor, die auch noch zur Zeit dieſes Philo-
ſophen in vielen Staͤdten in Gebrauch waren. Einen
Beweis dafuͤr giebt Sikyon. Hier hatte man einen
Tanz Ἀλητήρ, den Herumſchwaͤrmer 5, wie in Athen
das laͤndliche Feſt der Phallenſchaukel auch ἑοϱτὴ ἀλῆ-
τις genannt wurde; und in derſelben Stadt gab es
ein komiſches Spiel, die Phallophoren genannt 6,
bei dem die Spieler ohne Maſken, aber Kopf und
Geſicht in Blumen reichlich eingehuͤllt, dabei in langen
ſtattlichen Gewaͤndern, theils auf dem gewoͤhnlichen
Eingang, theils durch die Scenenthuͤren in das Thea-

1 Der ϑεοὶ Πάλικοι am Aetna, die offenbar urſpruͤnglich
mit der Roͤmiſchen Pales identiſch ſind, die ſonach zu dem Siculi-
ſchen Zweige der Roͤmiſchen Religion gehoͤrt.
2 S. außer den
Schol. Theokr. und Virg. Aelian a. O.
3 Theokrits Gedichte
geben leider wenig Auſſchluͤſſe uͤber dieſe Dinge, weil grade die ei-
gentlichen Bukolika am meiſten Kunſtdichtung ſind.
4 Poet.
4, 14.
5 Ath. 14, 631.
6 Semos von Delos bei Ath.
14, 621 f. 622 c. und Suid. s. v. Σῆμος. vgl. Bd. 2. S. 404, 7.
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[347/0353] ſtammung nach auf keinen Fall Hellenen, ſondern ohne Zweifel Eingeborne, Sikuler, die alten Diener der laͤndlichen Pales 1, und es iſt glaublich, daß ein an- gebornes Talent auch von ihrer Seite entgegen gekom- men ſei, um das bukoliſche Gedicht in ſeinen Urſpruͤn- gen zu bilden. Die alte Sage von Daphnis ſelbſt, der durch die Liebe einer Nymphe die Augen verlor 2, ſcheint mir ungriechiſch, und dann Sikuliſch — obgleich freilich, wie weit hierin Hellenismus und der Charak- ter der Nation des Landes in einander greifen, noch ein hoͤchſt dunkler Gegenſtand der Forſchung iſt 3. 11. Im Ganzen ſchloß ſich, wie in Attika, ſo auch unter den Doriern die Komik an die laͤndlichen Bakchosfeſte an, und ging, wie Ariſtoteles ſagt 4, aus dem Improviſiren derer, die die Phalliſchen Zuͤge fuͤhrten, hervor, die auch noch zur Zeit dieſes Philo- ſophen in vielen Staͤdten in Gebrauch waren. Einen Beweis dafuͤr giebt Sikyon. Hier hatte man einen Tanz Ἀλητήρ, den Herumſchwaͤrmer 5, wie in Athen das laͤndliche Feſt der Phallenſchaukel auch ἑοϱτὴ ἀλῆ- τις genannt wurde; und in derſelben Stadt gab es ein komiſches Spiel, die Phallophoren genannt 6, bei dem die Spieler ohne Maſken, aber Kopf und Geſicht in Blumen reichlich eingehuͤllt, dabei in langen ſtattlichen Gewaͤndern, theils auf dem gewoͤhnlichen Eingang, theils durch die Scenenthuͤren in das Thea- 1 Der ϑεοὶ Πάλικοι am Aetna, die offenbar urſpruͤnglich mit der Roͤmiſchen Pales identiſch ſind, die ſonach zu dem Siculi- ſchen Zweige der Roͤmiſchen Religion gehoͤrt. 2 S. außer den Schol. Theokr. und Virg. Aelian a. O. 3 Theokrits Gedichte geben leider wenig Auſſchluͤſſe uͤber dieſe Dinge, weil grade die ei- gentlichen Bukolika am meiſten Kunſtdichtung ſind. 4 Poet. 4, 14. 5 Ath. 14, 631. 6 Semos von Delos bei Ath. 14, 621 f. 622 c. und Suid. s. v. Σῆμος. vgl. Bd. 2. S. 404, 7.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/353>, abgerufen am 24.11.2024.