ziemlich lange Diskurse spekulativ-philosophischen In- halts einmischte, ohne daß wir indeß begreifen, wie solche mit dem übrigen Stücke zusammen hingen. Im Odysseus, wie ich aus der Anrede an Eumäos ver- muthe, wurde ganz beiläufig über den Instinkt als Naturseele mit ungemeiner Tiefe gesprochen 1; andre Stücke wie "Pyrrha oder Prometheus" und "Land und Meer" waren ihrer Anlage nach inniger mit Phi- losophie durchwachsen; auch hat er in besondern Ge- dichten physische und gnomische Philosophie überliefert, die indessen doch, nach Ennius Nachbildung zu urthei- len, in einem scenischen, und noch dazu überaus orche- stischen Versmaße, dem trochaischen Tetrameter, abge- faßt waren 2. Daß die Behandlung der Epicharmi- schen Komödie in ihrer Art vollendet, bezeugt die große Achtung der Alten, namentlich Platons; und wenn die Attische Komödie hernach in komischer Satire und Persiflage noch mehr geleistet, so war des Sikulers Streben allgemeiner und höher. Die Attiker waren, nach Aristophanes zu urtheilen, fast einseitig praktisch; und eine gewisse im Leben entstandne Ueberzeugung, was dem Volke fromme, bildete den Ausgangspunkt ihrer Komik: bei Epicharm lag, wenn die wahrge- nommenen Elemente seiner Poesie organisch verbunden waren, eine philosophische Weltansicht im Mittelpunkte, deren Erhabenheit der Komik erst ihre wahre Freiheit
Böckh. Philol. S. 13. annehmlich findet. Der Name des Man- nes ist dunkel, Aresas nennt ihn Jamblich, Arkesos Plut. de genio Socr. 13.
1 Diog. L. 3, 16.
2 S. Diog. 8, 78. Eudocia bei Vill. 1. p. 193. vgl. den Epikharmeios logos bei Suid. und die Frgm. Ennii ed. Hessel. p. 170. Doch ist es möglich, daß die- ser Ep. logos blos ein Auszug aus seinen Komödien war.
ziemlich lange Diskurſe ſpekulativ-philoſophiſchen In- halts einmiſchte, ohne daß wir indeß begreifen, wie ſolche mit dem uͤbrigen Stuͤcke zuſammen hingen. Im Odyſſeus, wie ich aus der Anrede an Eumaͤos ver- muthe, wurde ganz beilaͤufig uͤber den Inſtinkt als Naturſeele mit ungemeiner Tiefe geſprochen 1; andre Stuͤcke wie „Pyrrha oder Prometheus“ und „Land und Meer“ waren ihrer Anlage nach inniger mit Phi- loſophie durchwachſen; auch hat er in beſondern Ge- dichten phyſiſche und gnomiſche Philoſophie uͤberliefert, die indeſſen doch, nach Ennius Nachbildung zu urthei- len, in einem ſceniſchen, und noch dazu uͤberaus orche- ſtiſchen Versmaße, dem trochaiſchen Tetrameter, abge- faßt waren 2. Daß die Behandlung der Epicharmi- ſchen Komoͤdie in ihrer Art vollendet, bezeugt die große Achtung der Alten, namentlich Platons; und wenn die Attiſche Komoͤdie hernach in komiſcher Satire und Perſiflage noch mehr geleiſtet, ſo war des Sikulers Streben allgemeiner und hoͤher. Die Attiker waren, nach Ariſtophanes zu urtheilen, faſt einſeitig praktiſch; und eine gewiſſe im Leben entſtandne Ueberzeugung, was dem Volke fromme, bildete den Ausgangspunkt ihrer Komik: bei Epicharm lag, wenn die wahrge- nommenen Elemente ſeiner Poëſie organiſch verbunden waren, eine philoſophiſche Weltanſicht im Mittelpunkte, deren Erhabenheit der Komik erſt ihre wahre Freiheit
Boͤckh. Philol. S. 13. annehmlich findet. Der Name des Man- nes iſt dunkel, Ἀϱήσας nennt ihn Jamblich, Ἄϱκεσος Plut. de genio Socr. 13.
1 Diog. L. 3, 16.
2 S. Diog. 8, 78. Eudocia bei Vill. 1. p. 193. vgl. den Ἐπιχάϱμειος λόγος bei Suid. und die Frgm. Ennii ed. Hessel. p. 170. Doch iſt es moͤglich, daß die- ſer Ἐπ. λόγος blos ein Auszug aus ſeinen Komoͤdien war.
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ziemlich lange Diskurſe ſpekulativ-philoſophiſchen In-
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ſolche mit dem uͤbrigen Stuͤcke zuſammen hingen. Im
Odyſſeus, wie ich aus der Anrede an Eumaͤos ver-
muthe, wurde ganz beilaͤufig uͤber den Inſtinkt als
Naturſeele mit ungemeiner Tiefe geſprochen 1; andre
Stuͤcke wie „Pyrrha oder Prometheus“ und „Land
und Meer“ waren ihrer Anlage nach inniger mit Phi-
loſophie durchwachſen; auch hat er in beſondern Ge-
dichten phyſiſche und gnomiſche Philoſophie uͤberliefert,
die indeſſen doch, nach Ennius Nachbildung zu urthei-
len, in einem ſceniſchen, und noch dazu uͤberaus orche-
ſtiſchen Versmaße, dem trochaiſchen Tetrameter, abge-
faßt waren 2. Daß die Behandlung der Epicharmi-
ſchen Komoͤdie in ihrer Art vollendet, bezeugt die große
Achtung der Alten, namentlich Platons; und wenn
die Attiſche Komoͤdie hernach in komiſcher Satire und
Perſiflage noch mehr geleiſtet, ſo war des Sikulers
Streben allgemeiner und hoͤher. Die Attiker waren,
nach Ariſtophanes zu urtheilen, faſt einſeitig praktiſch;
und eine gewiſſe im Leben entſtandne Ueberzeugung,
was dem Volke fromme, bildete den Ausgangspunkt
ihrer Komik: bei Epicharm lag, wenn die wahrge-
nommenen Elemente ſeiner Poëſie organiſch verbunden
waren, eine philoſophiſche Weltanſicht im Mittelpunkte,
deren Erhabenheit der Komik erſt ihre wahre Freiheit
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1 Diog. L. 3, 16.
2 S. Diog. 8, 78. Eudocia bei
Vill. 1. p. 193. vgl. den Ἐπιχάϱμειος λόγος bei Suid. und die
Frgm. Ennii ed. Hessel. p. 170. Doch iſt es moͤglich, daß die-
ſer Ἐπ. λόγος blos ein Auszug aus ſeinen Komoͤdien war.
5 Boͤckh. Philol. S. 13. annehmlich findet. Der Name des Man-
nes iſt dunkel, Ἀϱήσας nennt ihn Jamblich, Ἄϱκεσος Plut. de
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Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/365>, abgerufen am 26.11.2024.
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