Eine andre Weise den Zischlaut loszuwerden war ihn gradezu herauszustoßen. Dies war zeitig in den dritten Personen pluralis geschehn, und eben des- wegen erhielten sich diese der Urform näher, als im Jonisch-Attischen Dialekt, wo das zurückbehaltne S bald NT heraustrieb. Beispiele, wie peinonti, apo- didonti, kekhananti, aineonti, (dem Sanscrit bhavanti, althochdeutschen -- ant entsprechend; die Böoter hatten -- onthi, -- anthi) geben alle Dorischen Schriftdenk- male; doch hat Alkman neben der letzten Form auch schon die Endung -- ousi. Bisweilen verlängert diese Herausstoßung den vorigen Vocal, wie in Perephoneia lak. für Perseph. nach Hesych, womit man perix für perdix, Kretisch ebd., vergleichen kann; auch preigeu- tas, preigistos, preigeia in den Kretischen Monu- menten für presbeutes u. s. w. gehört hieher; das G für B hatten auch die Argeier in pergeis Hesych. Ue- ber die Auslassung des S vor Ph bei den Lakonen s. Koen p. 254., sie sagten z. B. für sphin phin, während die Syrakusier den Zischlaut umstellten und uin schrie- ben. Weiter drückt sich diese fuga sibili aus in der Vertauschung desselben mit dem spiritus asper, worin der strengdorische Dialekt dem Lateinischen direkt gegen- übersteht, das so gern den Hauch durch S ersetzte, wie in als, sal, emi -- semi, ulWe, silva, etc., auch dem Deutschen, das in Salz, füß, Sitz für als, edu, edos demselben Streben folgt. Die Lakonen dagegen sagten für mosa moa, und darnach moika für Musik, eben so in andern Participien kleoa, eklipoa und dgl., auch ormaon für ormeson, wie bei Aristoph., ferner poieai, paa, bior für isos, Valck. p. 277., vgl. bouoa oben S. 302, 3.; und dasselbe wird von den Argeiern, namentlich aus Derkyllos, von den Eretriern, die es von den Eleern hatten, und den Pamphyliern berichtet, bei denen manche Argivisch-Rhodische Sprach- eigenthümlichkeiten sich erhalten zu haben scheinen. Etym. M. 391, 13. Eust. Il. 11, p. 844, 7. Maitt. p. 199. -- Endlich hängt mit der Dorischen Abnei- gung gegen das S auch der Rhotacismus zusammen, den wir als Spartiatisch - Eleisch schon oben kennen lernten, und über den die Erklärer des Dekrets gegen
6.
Eine andre Weiſe den Ziſchlaut loszuwerden war ihn gradezu herauszuſtoßen. Dies war zeitig in den dritten Perſonen pluralis geſchehn, und eben des- wegen erhielten ſich dieſe der Urform naͤher, als im Joniſch-Attiſchen Dialekt, wo das zuruͤckbehaltne Σ bald ΝΤ heraustrieb. Beiſpiele, wie πεινῶντι, ἀπο- δίδωντι, κεχάναντι, αἰνέοντι, (dem Sanſcrit bhavanti, althochdeutſchen — ant entſprechend; die Boͤoter hatten — ωνϑι, — ανϑι) geben alle Doriſchen Schriftdenk- male; doch hat Alkman neben der letzten Form auch ſchon die Endung — ουσι. Bisweilen verlaͤngert dieſe Herausſtoßung den vorigen Vocal, wie in Πηρεφονεία lak. fuͤr Πεϱσεφ. nach Heſych, womit man πῆριξ fuͤr πέρδιξ, Kretiſch ebd., vergleichen kann; auch πϱειγεύ- τας, πρείγιστος, πρειγηία in den Kretiſchen Monu- menten fuͤr πρεσβεύτης u. ſ. w. gehoͤrt hieher; das Γ fuͤr Β hatten auch die Argeier in πέϱγεις Heſych. Ue- ber die Auslaſſung des Σ vor Φ bei den Lakonen ſ. Koen p. 254., ſie ſagten z. B. fuͤr σφὶν φὶν, waͤhrend die Syrakuſier den Ziſchlaut umſtellten und ϋὶν ſchrie- ben. Weiter druͤckt ſich dieſe fuga sibili aus in der Vertauſchung deſſelben mit dem spiritus asper, worin der ſtrengdoriſche Dialekt dem Lateiniſchen direkt gegen- uͤberſteht, das ſo gern den Hauch durch S erſetzte, wie in ἃλς, sal, ἡμι — semi, ὕλϜη, silva, etc., auch dem Deutſchen, das in Salz, fuͤß, Sitz fuͤr ἃλς, ἡδὺ, ἕδος demſelben Streben folgt. Die Lakonen dagegen ſagten fuͤr μῶσα μῶἁ, und darnach μωἱκὰ fuͤr Muſik, eben ſo in andern Participien κλεῶἁ, ἐκλιπῶἁ und dgl., auch ὅϱμαὁν fuͤr ὅϱμησον, wie bei Ariſtoph., ferner ποιῆἁι, πᾶἁ, βίὡρ fuͤr ἴσως, Valck. p. 277., vgl. βουὅα oben S. 302, 3.; und daſſelbe wird von den Argeiern, namentlich aus Derkyllos, von den Eretriern, die es von den Eleern hatten, und den Pamphyliern berichtet, bei denen manche Argiviſch-Rhodiſche Sprach- eigenthuͤmlichkeiten ſich erhalten zu haben ſcheinen. Etym. M. 391, 13. Euſt. Il. 11, p. 844, 7. Maitt. p. 199. — Endlich haͤngt mit der Doriſchen Abnei- gung gegen das Σ auch der Rhotacismus zuſammen, den wir als Spartiatiſch - Eleiſch ſchon oben kennen lernten, und uͤber den die Erklaͤrer des Dekrets gegen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0528"n="522"/><divn="3"><head>6.</head><lb/><p>Eine andre Weiſe den Ziſchlaut loszuwerden<lb/>
war ihn gradezu herauszuſtoßen. Dies war zeitig in<lb/>
den dritten Perſonen <hirendition="#aq">pluralis</hi> geſchehn, und eben des-<lb/>
wegen erhielten ſich dieſe der Urform naͤher, als im<lb/>
Joniſch-Attiſchen Dialekt, wo das zuruͤckbehaltne Σ<lb/>
bald ΝΤ heraustrieb. Beiſpiele, wie πεινῶντι, ἀπο-<lb/>δίδωντι, κεχάναντι, αἰνέοντι, (dem Sanſcrit <hirendition="#aq">bhavanti,</hi><lb/>
althochdeutſchen —<hirendition="#aq">ant</hi> entſprechend; die Boͤoter hatten<lb/>—ωνϑι, —ανϑι) geben alle Doriſchen Schriftdenk-<lb/>
male; doch hat Alkman neben der letzten Form auch<lb/>ſchon die Endung —ουσι. Bisweilen verlaͤngert dieſe<lb/>
Herausſtoßung den vorigen Vocal, wie in Πηρεφονεία<lb/>
lak. fuͤr Πεϱσεφ. nach Heſych, womit man πῆριξ fuͤr<lb/>πέρδιξ, Kretiſch ebd., vergleichen kann; auch πϱειγεύ-<lb/>τας, πρείγιστος, πρειγηία in den Kretiſchen Monu-<lb/>
menten fuͤr πρεσβεύτης u. ſ. w. gehoͤrt hieher; das Γ<lb/>
fuͤr Β hatten auch die Argeier in πέϱγεις Heſych. Ue-<lb/>
ber die Auslaſſung des Σ vor Φ bei den Lakonen ſ.<lb/>
Koen <hirendition="#aq">p.</hi> 254., ſie ſagten z. B. fuͤr σφὶνφὶν, waͤhrend<lb/>
die Syrakuſier den Ziſchlaut umſtellten und ϋὶνſchrie-<lb/>
ben. Weiter druͤckt ſich dieſe <hirendition="#aq">fuga sibili</hi> aus in der<lb/>
Vertauſchung deſſelben mit dem <hirendition="#aq">spiritus asper,</hi> worin<lb/>
der ſtrengdoriſche Dialekt dem Lateiniſchen direkt gegen-<lb/>
uͤberſteht, das ſo gern den Hauch durch <hirendition="#aq">S</hi> erſetzte, wie<lb/>
in ἃλς, <hirendition="#aq">sal,</hi>ἡμι—<hirendition="#aq">semi,</hi>ὕλϜη, <hirendition="#aq">silva, etc.,</hi> auch dem<lb/>
Deutſchen, das in Salz, fuͤß, Sitz fuͤr ἃλς, ἡδὺ, ἕδος<lb/>
demſelben Streben folgt. Die Lakonen dagegen ſagten<lb/>
fuͤr μῶσαμῶἁ, und darnach μωἱκὰ fuͤr Muſik, eben<lb/>ſo in andern Participien κλεῶἁ, ἐκλιπῶἁ und dgl.,<lb/>
auch ὅϱμαὁν fuͤr ὅϱμησον, wie bei Ariſtoph., ferner<lb/>ποιῆἁι, πᾶἁ, βίὡρ fuͤr ἴσως, Valck. <hirendition="#aq">p.</hi> 277., vgl.<lb/>βουὅα oben S. 302, 3.; und daſſelbe wird von den<lb/>
Argeiern, namentlich aus Derkyllos, von den Eretriern,<lb/>
die es von den Eleern hatten, und den Pamphyliern<lb/>
berichtet, bei denen manche Argiviſch-Rhodiſche Sprach-<lb/>
eigenthuͤmlichkeiten ſich erhalten zu haben ſcheinen.<lb/>
Etym. M. 391, 13. Euſt. Il. 11, <hirendition="#aq">p.</hi> 844, 7. Maitt.<lb/><hirendition="#aq">p.</hi> 199. — Endlich haͤngt mit der Doriſchen Abnei-<lb/>
gung gegen das Σ auch der Rhotacismus zuſammen,<lb/>
den wir als Spartiatiſch - Eleiſch ſchon oben kennen<lb/>
lernten, und uͤber den die Erklaͤrer des Dekrets gegen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[522/0528]
6.
Eine andre Weiſe den Ziſchlaut loszuwerden
war ihn gradezu herauszuſtoßen. Dies war zeitig in
den dritten Perſonen pluralis geſchehn, und eben des-
wegen erhielten ſich dieſe der Urform naͤher, als im
Joniſch-Attiſchen Dialekt, wo das zuruͤckbehaltne Σ
bald ΝΤ heraustrieb. Beiſpiele, wie πεινῶντι, ἀπο-
δίδωντι, κεχάναντι, αἰνέοντι, (dem Sanſcrit bhavanti,
althochdeutſchen — ant entſprechend; die Boͤoter hatten
— ωνϑι, — ανϑι) geben alle Doriſchen Schriftdenk-
male; doch hat Alkman neben der letzten Form auch
ſchon die Endung — ουσι. Bisweilen verlaͤngert dieſe
Herausſtoßung den vorigen Vocal, wie in Πηρεφονεία
lak. fuͤr Πεϱσεφ. nach Heſych, womit man πῆριξ fuͤr
πέρδιξ, Kretiſch ebd., vergleichen kann; auch πϱειγεύ-
τας, πρείγιστος, πρειγηία in den Kretiſchen Monu-
menten fuͤr πρεσβεύτης u. ſ. w. gehoͤrt hieher; das Γ
fuͤr Β hatten auch die Argeier in πέϱγεις Heſych. Ue-
ber die Auslaſſung des Σ vor Φ bei den Lakonen ſ.
Koen p. 254., ſie ſagten z. B. fuͤr σφὶν φὶν, waͤhrend
die Syrakuſier den Ziſchlaut umſtellten und ϋὶν ſchrie-
ben. Weiter druͤckt ſich dieſe fuga sibili aus in der
Vertauſchung deſſelben mit dem spiritus asper, worin
der ſtrengdoriſche Dialekt dem Lateiniſchen direkt gegen-
uͤberſteht, das ſo gern den Hauch durch S erſetzte, wie
in ἃλς, sal, ἡμι — semi, ὕλϜη, silva, etc., auch dem
Deutſchen, das in Salz, fuͤß, Sitz fuͤr ἃλς, ἡδὺ, ἕδος
demſelben Streben folgt. Die Lakonen dagegen ſagten
fuͤr μῶσα μῶἁ, und darnach μωἱκὰ fuͤr Muſik, eben
ſo in andern Participien κλεῶἁ, ἐκλιπῶἁ und dgl.,
auch ὅϱμαὁν fuͤr ὅϱμησον, wie bei Ariſtoph., ferner
ποιῆἁι, πᾶἁ, βίὡρ fuͤr ἴσως, Valck. p. 277., vgl.
βουὅα oben S. 302, 3.; und daſſelbe wird von den
Argeiern, namentlich aus Derkyllos, von den Eretriern,
die es von den Eleern hatten, und den Pamphyliern
berichtet, bei denen manche Argiviſch-Rhodiſche Sprach-
eigenthuͤmlichkeiten ſich erhalten zu haben ſcheinen.
Etym. M. 391, 13. Euſt. Il. 11, p. 844, 7. Maitt.
p. 199. — Endlich haͤngt mit der Doriſchen Abnei-
gung gegen das Σ auch der Rhotacismus zuſammen,
den wir als Spartiatiſch - Eleiſch ſchon oben kennen
lernten, und uͤber den die Erklaͤrer des Dekrets gegen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 522. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/528>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.