Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite

Dagegen kommen diese besonders in Athen, in den
Asiatischen Colonien 1, und in der Chalkidischen Nea-
polis, also vorzüglich in Jonischen Staaten vor, und,
was auffallend ist, unter bestimmten Eigennamen (Eu-
meliden, Eunostiden, Kymäer, Aristäer u. s. w.) nur
in Neapel 2. Dagegen werden von Pindar in den
Dorischen Staaten Korinth und Aegina patrai nam-
haft gemacht; ein Ausdruck, der nach genaueren Defi-
nitionen soviel als Geschlechter, gene, bezeichnet. Er
war zwar nicht in Athen, aber doch bei den Joniern
in Kleinasien und auf den Inseln üblich, bei denen
aber patra oder patria auch für Phratrie gebraucht
zu sein scheint 3. In Aegina und Korinth wird man
die Paträ am besten für Geschlechter halten, da sie
durchaus mit patronymischen Namen bezeichnet, auf
mythische Stammväter zurückgeführt, und von Pindar
selbst auch "Häuser" und "Geschlechter" genannt wer-
den. Da sie indessen auch als politische Abtheilung
mehrere Geschlechter an sich gezogen haben können, und
zwischen ihnen und den Phylen in diesen Städten ver-
muthlich keine Eintheilung in der Mitte stand: so konn-

1 S. die Sigeische bei Clarke Voy. 2. S. 1. p. 162. vgl.
Walpole Memoirs p. 103. Epigr. Hom. 14.
2 S. Ignarra
de phratriis. Vgl. Buttmann S. 36.
3 Aelius Dionys. bei
Eust. Fl. 2, 362. Orus im Etymol. M. Zwar läugnet Butt-
mann diese Bemerkung, aber man darf sie doch nicht voreilig auf-
geben. Denn erstens ist das Jonische Fest Apatouria offenbar
eine Vereinigung der patrai, und wird doch sonst stets als Fest
der Phratrien vorgestellt; und dann wird in dem Thasischen De-
cret bei Choiseul Gouff. 1, 2. p. 156. neu gemachten Bürgern er-
laubt, daß sie sich in eine patre aufnehmen lassen sollen; nie aber
findet man, daß neue Bürger in alte gene cooptirt wurden. Auch
steht dafür in der Tenischen Inschrift aus Choiseuls Sammlung
(im Louvre n. 566.): kai [eis] phulen kai phratrian prosgra-
[psaoth] ai [en an boulontai] und eben so in den N. 1. angeführten.
III. 6

Dagegen kommen dieſe beſonders in Athen, in den
Aſiatiſchen Colonien 1, und in der Chalkidiſchen Nea-
polis, alſo vorzuͤglich in Joniſchen Staaten vor, und,
was auffallend iſt, unter beſtimmten Eigennamen (Eu-
meliden, Eunoſtiden, Kymaͤer, Ariſtaͤer u. ſ. w.) nur
in Neapel 2. Dagegen werden von Pindar in den
Doriſchen Staaten Korinth und Aegina πάτραι nam-
haft gemacht; ein Ausdruck, der nach genaueren Defi-
nitionen ſoviel als Geſchlechter, γένη, bezeichnet. Er
war zwar nicht in Athen, aber doch bei den Joniern
in Kleinaſien und auf den Inſeln uͤblich, bei denen
aber πάτρα oder πατριὰ auch fuͤr Phratrie gebraucht
zu ſein ſcheint 3. In Aegina und Korinth wird man
die Patraͤ am beſten fuͤr Geſchlechter halten, da ſie
durchaus mit patronymiſchen Namen bezeichnet, auf
mythiſche Stammvaͤter zuruͤckgefuͤhrt, und von Pindar
ſelbſt auch “Haͤuſer” und “Geſchlechter” genannt wer-
den. Da ſie indeſſen auch als politiſche Abtheilung
mehrere Geſchlechter an ſich gezogen haben koͤnnen, und
zwiſchen ihnen und den Phylen in dieſen Staͤdten ver-
muthlich keine Eintheilung in der Mitte ſtand: ſo konn-

1 S. die Sigeiſche bei Clarke Voy. 2. S. 1. p. 162. vgl.
Walpole Memoirs p. 103. Epigr. Hom. 14.
2 S. Ignarra
de phratriis. Vgl. Buttmann S. 36.
3 Aelius Dionyſ. bei
Euſt. Fl. 2, 362. Orus im Etymol. M. Zwar laͤugnet Butt-
mann dieſe Bemerkung, aber man darf ſie doch nicht voreilig auf-
geben. Denn erſtens iſt das Joniſche Feſt Ἀπατούϱια offenbar
eine Vereinigung der πάτϱαι, und wird doch ſonſt ſtets als Feſt
der Phratrien vorgeſtellt; und dann wird in dem Thaſiſchen De-
cret bei Choiſeul Gouff. 1, 2. p. 156. neu gemachten Buͤrgern er-
laubt, daß ſie ſich in eine πάτϱη aufnehmen laſſen ſollen; nie aber
findet man, daß neue Buͤrger in alte γένη cooptirt wurden. Auch
ſteht dafuͤr in der Teniſchen Inſchrift aus Choiſeuls Sammlung
(im Louvre n. 566.): και [εις] φυλην και φϱατϱιαν πϱοςγϱα-
[ψαοϑ] αι [ἡν αν βουλωνται] und eben ſo in den N. 1. angefuͤhrten.
III. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0087" n="81"/>
Dagegen kommen die&#x017F;e be&#x017F;onders in Athen, in den<lb/>
A&#x017F;iati&#x017F;chen Colonien <note place="foot" n="1">S. die Sigei&#x017F;che bei Clarke <hi rendition="#aq">Voy. 2. S. 1. p.</hi> 162. vgl.<lb/>
Walpole <hi rendition="#aq">Memoirs p.</hi> 103. Epigr. Hom. 14.</note>, und in der Chalkidi&#x017F;chen Nea-<lb/>
polis, al&#x017F;o vorzu&#x0364;glich in Joni&#x017F;chen Staaten vor, und,<lb/>
was auffallend i&#x017F;t, unter be&#x017F;timmten Eigennamen (Eu-<lb/>
meliden, Euno&#x017F;tiden, Kyma&#x0364;er, Ari&#x017F;ta&#x0364;er u. &#x017F;. w.) nur<lb/>
in Neapel <note place="foot" n="2">S. Ignarra<lb/><hi rendition="#aq">de phratriis.</hi> Vgl. Buttmann S. 36.</note>. Dagegen werden von Pindar in den<lb/>
Dori&#x017F;chen Staaten Korinth und Aegina <hi rendition="#g">&#x03C0;&#x03AC;&#x03C4;&#x03C1;&#x03B1;&#x03B9;</hi> nam-<lb/>
haft gemacht; ein Ausdruck, der nach genaueren Defi-<lb/>
nitionen &#x017F;oviel als Ge&#x017F;chlechter, &#x03B3;&#x03AD;&#x03BD;&#x03B7;, bezeichnet. Er<lb/>
war zwar nicht in Athen, aber doch bei den Joniern<lb/>
in Kleina&#x017F;ien und auf den In&#x017F;eln u&#x0364;blich, bei denen<lb/>
aber &#x03C0;&#x03AC;&#x03C4;&#x03C1;&#x03B1; oder &#x03C0;&#x03B1;&#x03C4;&#x03C1;&#x03B9;&#x1F70; auch fu&#x0364;r Phratrie gebraucht<lb/>
zu &#x017F;ein &#x017F;cheint <note place="foot" n="3">Aelius Diony&#x017F;. bei<lb/>
Eu&#x017F;t. Fl. 2, 362. Orus im <hi rendition="#aq">Etymol. M.</hi> Zwar la&#x0364;ugnet Butt-<lb/>
mann die&#x017F;e Bemerkung, aber man darf &#x017F;ie doch nicht voreilig auf-<lb/>
geben. Denn er&#x017F;tens i&#x017F;t das Joni&#x017F;che Fe&#x017F;t &#x1F08;&#x03C0;&#x03B1;&#x03C4;&#x03BF;&#x03CD;&#x03F1;&#x03B9;&#x03B1; offenbar<lb/>
eine Vereinigung der &#x03C0;&#x03AC;&#x03C4;&#x03F1;&#x03B1;&#x03B9;, und wird doch &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;tets als Fe&#x017F;t<lb/>
der Phratrien vorge&#x017F;tellt; und dann wird in dem Tha&#x017F;i&#x017F;chen De-<lb/>
cret bei Choi&#x017F;eul Gouff. 1, 2. <hi rendition="#aq">p.</hi> 156. neu gemachten Bu&#x0364;rgern er-<lb/>
laubt, daß &#x017F;ie &#x017F;ich in eine &#x03C0;&#x03AC;&#x03C4;&#x03F1;&#x03B7; aufnehmen la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollen; nie aber<lb/>
findet man, daß neue Bu&#x0364;rger in alte &#x03B3;&#x03AD;&#x03BD;&#x03B7; cooptirt wurden. Auch<lb/>
&#x017F;teht dafu&#x0364;r in der Teni&#x017F;chen In&#x017F;chrift aus Choi&#x017F;euls Sammlung<lb/>
(im Louvre <hi rendition="#aq">n.</hi> 566.): &#x03BA;&#x03B1;&#x03B9; [&#x03B5;&#x03B9;&#x03C2;] &#x03C6;&#x03C5;&#x03BB;&#x03B7;&#x03BD; &#x03BA;&#x03B1;&#x03B9; &#x03C6;&#x03F1;&#x03B1;&#x03C4;&#x03F1;&#x03B9;&#x03B1;&#x03BD; &#x03C0;&#x03F1;&#x03BF;&#x03C2;&#x03B3;&#x03F1;&#x03B1;-<lb/>
[&#x03C8;&#x03B1;&#x03BF;&#x03D1;] &#x03B1;&#x03B9; [&#x1F21;&#x03BD; &#x03B1;&#x03BD; &#x03B2;&#x03BF;&#x03C5;&#x03BB;&#x03C9;&#x03BD;&#x03C4;&#x03B1;&#x03B9;] und eben &#x017F;o in den N. 1. angefu&#x0364;hrten.</note>. In Aegina und Korinth wird man<lb/>
die Patra&#x0364; am be&#x017F;ten fu&#x0364;r Ge&#x017F;chlechter halten, da &#x017F;ie<lb/>
durchaus mit patronymi&#x017F;chen Namen bezeichnet, auf<lb/>
mythi&#x017F;che Stammva&#x0364;ter zuru&#x0364;ckgefu&#x0364;hrt, und von Pindar<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t auch &#x201C;Ha&#x0364;u&#x017F;er&#x201D; und &#x201C;Ge&#x017F;chlechter&#x201D; genannt wer-<lb/>
den. Da &#x017F;ie inde&#x017F;&#x017F;en auch als politi&#x017F;che Abtheilung<lb/>
mehrere Ge&#x017F;chlechter an &#x017F;ich gezogen haben ko&#x0364;nnen, und<lb/>
zwi&#x017F;chen ihnen und den Phylen in die&#x017F;en Sta&#x0364;dten ver-<lb/>
muthlich keine Eintheilung in der Mitte &#x017F;tand: &#x017F;o konn-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">III.</hi> 6</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0087] Dagegen kommen dieſe beſonders in Athen, in den Aſiatiſchen Colonien 1, und in der Chalkidiſchen Nea- polis, alſo vorzuͤglich in Joniſchen Staaten vor, und, was auffallend iſt, unter beſtimmten Eigennamen (Eu- meliden, Eunoſtiden, Kymaͤer, Ariſtaͤer u. ſ. w.) nur in Neapel 2. Dagegen werden von Pindar in den Doriſchen Staaten Korinth und Aegina πάτραι nam- haft gemacht; ein Ausdruck, der nach genaueren Defi- nitionen ſoviel als Geſchlechter, γένη, bezeichnet. Er war zwar nicht in Athen, aber doch bei den Joniern in Kleinaſien und auf den Inſeln uͤblich, bei denen aber πάτρα oder πατριὰ auch fuͤr Phratrie gebraucht zu ſein ſcheint 3. In Aegina und Korinth wird man die Patraͤ am beſten fuͤr Geſchlechter halten, da ſie durchaus mit patronymiſchen Namen bezeichnet, auf mythiſche Stammvaͤter zuruͤckgefuͤhrt, und von Pindar ſelbſt auch “Haͤuſer” und “Geſchlechter” genannt wer- den. Da ſie indeſſen auch als politiſche Abtheilung mehrere Geſchlechter an ſich gezogen haben koͤnnen, und zwiſchen ihnen und den Phylen in dieſen Staͤdten ver- muthlich keine Eintheilung in der Mitte ſtand: ſo konn- 1 S. die Sigeiſche bei Clarke Voy. 2. S. 1. p. 162. vgl. Walpole Memoirs p. 103. Epigr. Hom. 14. 2 S. Ignarra de phratriis. Vgl. Buttmann S. 36. 3 Aelius Dionyſ. bei Euſt. Fl. 2, 362. Orus im Etymol. M. Zwar laͤugnet Butt- mann dieſe Bemerkung, aber man darf ſie doch nicht voreilig auf- geben. Denn erſtens iſt das Joniſche Feſt Ἀπατούϱια offenbar eine Vereinigung der πάτϱαι, und wird doch ſonſt ſtets als Feſt der Phratrien vorgeſtellt; und dann wird in dem Thaſiſchen De- cret bei Choiſeul Gouff. 1, 2. p. 156. neu gemachten Buͤrgern er- laubt, daß ſie ſich in eine πάτϱη aufnehmen laſſen ſollen; nie aber findet man, daß neue Buͤrger in alte γένη cooptirt wurden. Auch ſteht dafuͤr in der Teniſchen Inſchrift aus Choiſeuls Sammlung (im Louvre n. 566.): και [εις] φυλην και φϱατϱιαν πϱοςγϱα- [ψαοϑ] αι [ἡν αν βουλωνται] und eben ſo in den N. 1. angefuͤhrten. III. 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/87
Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Die Dorier. Vier Bücher. Bd. 2. Breslau, 1824, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_hellenische03_1824/87>, abgerufen am 21.11.2024.