die Verzweifelung der Mutterliebe in der reinsten und höchsten Gestalt aus. Das Urtheil über die Composition4 und die Motive, welche die Gruppe in ihren Theilen be- lebten und zusammenhielten, ist durch den Zustand, in dem sie auf uns gekommen, sehr erschwert.
1. Par haesitatio est in templo Apollinis Sosiani, Nio- ben cum liberis morientem Scopas an Praxiteles fecerit, Plin. xxxvi, 4, 8. Die Epigramme (Anthol. Pal. App. ii. p. 664. Plan. iv, 129. Auson. Epit. her. 28.) stimmen für Praxiteles. Ueber die Aufstellung in einem Giebel (Bartholdy's Idee) s. Guattani Memorie enciclop. 1817 p. 77. Le statue della favola di Niobe sit. nella prima loro dispositione, da C. R. Cockerell. Firenze 1818. (Zannoni) Galeria di Firenze, Stat. P. ii t. 76. Thiersch bezweifelt sie, aber giebt doch die dreieckige Form und bilaterale Anordnung der Gruppe zu.
4. Zu der Florentinischen Gruppe (1583 in Rom gefunden) sind viele ungehörige Figuren dazu gekommen (ein Diskobol, eine Psyche, eine Musenfigur, eine Nymphe, ein Barbar, ein Pferd, ein Symplegma von Ringern (wahrscheinlich nach Kephissodotos, di- gitis verius corpori quam marmori impressis Plin.) u. a.; auch sind die übrigen Statuen von ungleichem Werth, selbst von verschiednem Marmor. Von den hier befindlichen Niobiden nimmt Thiersch neun als ächt an, und fügt zu der Figur des einen Sohns (Galeria tv. 9.), mit Schlegel und Andern, nach Anleitung einer Vaticanischen Gruppe (lithographirt bei Thiersch zu S. 315), eine über dem vorgestellten linken Knie hingesunkne Tochter hinzu. (Doch scheint bei der Florentinischen Figur das linke Bein bedeutend an- ders gestellt zu sein). Auch wird mit Recht der sogen. Narcissus (Galeria tv. 74) jetzt zu dieser Gruppe hinzugerechnet (nach Thor- waldsons Bemerkung). Am häufigsten kehren der erhabne Kopf der Mutter (sehr schön in Sarsko-Selo, in England, Specim. pl. 35), und der sterbende ausgestreckt liegende Sohn (auch in Dresden) wieder. Alle Figuren haben ein Familienprofil von einfach edlen Formen; die Behandlung der Körper ist zwar weder so durchgängig vollendet, besonders an den Rückseiten, noch von der lebendigen Wahrheit, wie an den Phidiassischen Werken, aber bleibt an den besten Stückern doch auch nicht weit dahinter zurück.
Zu vgl. die Darstellungen der Fabel in Relief PioCl. iv. t. 17. vgl. Visconti p. 33. und bei Fabroni t. 16. -- Fabroni Dissert. sulle statue appartenenti alla favola di Niobe.
Griechen. Dritte Periode.
die Verzweifelung der Mutterliebe in der reinſten und hoͤchſten Geſtalt aus. Das Urtheil uͤber die Compoſition4 und die Motive, welche die Gruppe in ihren Theilen be- lebten und zuſammenhielten, iſt durch den Zuſtand, in dem ſie auf uns gekommen, ſehr erſchwert.
1. Par haesitatio est in templo Apollinis Sosiani, Nio- ben cum liberis morientem Scopas an Praxiteles fecerit, Plin. xxxvi, 4, 8. Die Epigramme (Anthol. Pal. App. ii. p. 664. Plan. iv, 129. Auſon. Epit. her. 28.) ſtimmen für Praxiteles. Ueber die Aufſtellung in einem Giebel (Bartholdy’s Idee) ſ. Guattani Memorie enciclop. 1817 p. 77. Le statue della favola di Niobe sit. nella prima loro dispositione, da C. R. Cockerell. Firenze 1818. (Zannoni) Galeria di Firenze, Stat. P. ii t. 76. Thierſch bezweifelt ſie, aber giebt doch die dreieckige Form und bilaterale Anordnung der Gruppe zu.
4. Zu der Florentiniſchen Gruppe (1583 in Rom gefunden) ſind viele ungehörige Figuren dazu gekommen (ein Diſkobol, eine Pſyche, eine Muſenfigur, eine Nymphe, ein Barbar, ein Pferd, ein Symplegma von Ringern (wahrſcheinlich nach Kephiſſodotos, di- gitis verius corpori quam marmori impressis Plin.) u. a.; auch ſind die übrigen Statuen von ungleichem Werth, ſelbſt von verſchiednem Marmor. Von den hier befindlichen Niobiden nimmt Thierſch neun als ächt an, und fügt zu der Figur des einen Sohns (Galeria tv. 9.), mit Schlegel und Andern, nach Anleitung einer Vaticaniſchen Gruppe (lithographirt bei Thierſch zu S. 315), eine über dem vorgeſtellten linken Knie hingeſunkne Tochter hinzu. (Doch ſcheint bei der Florentiniſchen Figur das linke Bein bedeutend an- ders geſtellt zu ſein). Auch wird mit Recht der ſogen. Narciſſus (Galeria tv. 74) jetzt zu dieſer Gruppe hinzugerechnet (nach Thor- waldſons Bemerkung). Am häufigſten kehren der erhabne Kopf der Mutter (ſehr ſchön in Sarsko-Selo, in England, Specim. pl. 35), und der ſterbende ausgeſtreckt liegende Sohn (auch in Dresden) wieder. Alle Figuren haben ein Familienprofil von einfach edlen Formen; die Behandlung der Körper iſt zwar weder ſo durchgängig vollendet, beſonders an den Rückſeiten, noch von der lebendigen Wahrheit, wie an den Phidiaſſiſchen Werken, aber bleibt an den beſten Stückern doch auch nicht weit dahinter zurück.
Zu vgl. die Darſtellungen der Fabel in Relief PioCl. iv. t. 17. vgl. Viſconti p. 33. und bei Fabroni t. 16. — Fabroni Dissert. sulle statue appartenenti alla favola di Niobe.
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Griechen. Dritte Periode.
die Verzweifelung der Mutterliebe in der reinſten und
hoͤchſten Geſtalt aus. Das Urtheil uͤber die Compoſition
und die Motive, welche die Gruppe in ihren Theilen be-
lebten und zuſammenhielten, iſt durch den Zuſtand, in
dem ſie auf uns gekommen, ſehr erſchwert.
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1. Par haesitatio est in templo Apollinis Sosiani, Nio-
ben cum liberis morientem Scopas an Praxiteles fecerit,
Plin. xxxvi, 4, 8. Die Epigramme (Anthol. Pal. App. ii.
p. 664. Plan. iv, 129. Auſon. Epit. her. 28.) ſtimmen für
Praxiteles. Ueber die Aufſtellung in einem Giebel (Bartholdy’s
Idee) ſ. Guattani Memorie enciclop. 1817 p. 77. Le statue
della favola di Niobe sit. nella prima loro dispositione,
da C. R. Cockerell. Firenze 1818. (Zannoni) Galeria di
Firenze, Stat. P. ii t. 76. Thierſch bezweifelt ſie, aber
giebt doch die dreieckige Form und bilaterale Anordnung der
Gruppe zu.
4. Zu der Florentiniſchen Gruppe (1583 in Rom gefunden)
ſind viele ungehörige Figuren dazu gekommen (ein Diſkobol, eine
Pſyche, eine Muſenfigur, eine Nymphe, ein Barbar, ein Pferd,
ein Symplegma von Ringern (wahrſcheinlich nach Kephiſſodotos, di-
gitis verius corpori quam marmori impressis Plin.) u. a.;
auch ſind die übrigen Statuen von ungleichem Werth, ſelbſt von
verſchiednem Marmor. Von den hier befindlichen Niobiden nimmt
Thierſch neun als ächt an, und fügt zu der Figur des einen Sohns
(Galeria tv. 9.), mit Schlegel und Andern, nach Anleitung einer
Vaticaniſchen Gruppe (lithographirt bei Thierſch zu S. 315), eine
über dem vorgeſtellten linken Knie hingeſunkne Tochter hinzu. (Doch
ſcheint bei der Florentiniſchen Figur das linke Bein bedeutend an-
ders geſtellt zu ſein). Auch wird mit Recht der ſogen. Narciſſus
(Galeria tv. 74) jetzt zu dieſer Gruppe hinzugerechnet (nach Thor-
waldſons Bemerkung). Am häufigſten kehren der erhabne Kopf
der Mutter (ſehr ſchön in Sarsko-Selo, in England, Specim. pl.
35), und der ſterbende ausgeſtreckt liegende Sohn (auch in Dresden)
wieder. Alle Figuren haben ein Familienprofil von einfach edlen
Formen; die Behandlung der Körper iſt zwar weder ſo durchgängig
vollendet, beſonders an den Rückſeiten, noch von der lebendigen
Wahrheit, wie an den Phidiaſſiſchen Werken, aber bleibt an den
beſten Stückern doch auch nicht weit dahinter zurück.
Zu vgl. die Darſtellungen der Fabel in Relief PioCl. iv.
t. 17. vgl. Viſconti p. 33. und bei Fabroni t. 16. — Fabroni
Dissert. sulle statue appartenenti alla favola di Niobe.
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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/129>, abgerufen am 23.11.2024.
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