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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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Systematischer Theil.
architektonische Wirkung berechnet sind. Hierher gehören
2schon die iera der Griechen, welche mit Hochaltären, Tem-
peln und Heroen, Prytaneen, Theatern, Stadien und Hip-
podromen, heiligen Hainen, Quellen und Grotten als höchst
mannigfaltige, auf eine bald mehr ernste bald mehr anmuthige
3Wirkung berechnete Anlagen zu denken sind. Ferner
die fora, deren regelmäßige Anlage von Jonien aus-
ging, und hernach in Rom sehr ausgebildet wurde; von
offnen Säulenhallen, dahinter Tempeln, Basiliken, Cu-
rien, Ehrenbogen und andern Ehrendenkmälern, auch
Buden und Läden umgebne Plätze, auf denen vor allen
der Geist des politischen Lebens vorwalten, und Erinne-
rungen patriotischer Art rege erhalten werden sollten;
während dagegen fora olitoria und macella für die
Nahrung und Nothdurft des Lebens zu sorgen die Be-
4stimmung hatten. Endlich die ausgedehnteste Aufgabe,
die Anlage ganzer Städte, die seit Hippodamos (§. 111)
in Griechenland öfter ausgezeichneten Architekten geboten
wurde. Wie schon die ältesten Städte- und Colonieengrün-
der Griechenlands belobt werden, daß sie den Platz der
Stadt mit Rücksicht auf reizende Aussicht wählten, und
in der That Griechische Städte öfter besonders von den
Theatern aus hinreißend schöne Fernsichten bieten: so
wurden auch die spätern Architekten von dem Streben
nach Regelmäßigkeit nicht so gefangen genommen, daß
sie nicht überall die Vortheile einer pittoresken Lage mit
feinem Sinne wahrgenommen und benutzt hätten. Be-
sonders beliebt war die theaterförmige Anlage, die bei
dem felsenumschlossnen Delphi einen schaurigerhabnen,
bei Seestädten, wie Rhodos, Halikarnass (§. 111.
255.), einem heitern und glänzenden Eindruck hervorbrin-
gen mußte. Diese Städte besonders, mit ihren großen
öffentlichen Gebäuden und wohlvertheilten Colossen, mußten
dem Reisenden schon aus der Ferne wie herrlich ausge-
5schmückte Theater entgegentreten. Oefter bot sich diese
Aufgabe, eine neue Stadt zu gründen, in gewissem Sinne
dem Castrametator; wenn indeß auch die Anlage

Syſtematiſcher Theil.
architektoniſche Wirkung berechnet ſind. Hierher gehoͤren
2ſchon die ἱερὰ der Griechen, welche mit Hochaltaͤren, Tem-
peln und Heroen, Prytaneen, Theatern, Stadien und Hip-
podromen, heiligen Hainen, Quellen und Grotten als hoͤchſt
mannigfaltige, auf eine bald mehr ernſte bald mehr anmuthige
3Wirkung berechnete Anlagen zu denken ſind. Ferner
die fora, deren regelmaͤßige Anlage von Jonien aus-
ging, und hernach in Rom ſehr ausgebildet wurde; von
offnen Saͤulenhallen, dahinter Tempeln, Baſiliken, Cu-
rien, Ehrenbogen und andern Ehrendenkmaͤlern, auch
Buden und Laͤden umgebne Plaͤtze, auf denen vor allen
der Geiſt des politiſchen Lebens vorwalten, und Erinne-
rungen patriotiſcher Art rege erhalten werden ſollten;
waͤhrend dagegen fora olitoria und macella fuͤr die
Nahrung und Nothdurft des Lebens zu ſorgen die Be-
4ſtimmung hatten. Endlich die ausgedehnteſte Aufgabe,
die Anlage ganzer Staͤdte, die ſeit Hippodamos (§. 111)
in Griechenland oͤfter ausgezeichneten Architekten geboten
wurde. Wie ſchon die aͤlteſten Staͤdte- und Colonieengruͤn-
der Griechenlands belobt werden, daß ſie den Platz der
Stadt mit Ruͤckſicht auf reizende Ausſicht waͤhlten, und
in der That Griechiſche Staͤdte oͤfter beſonders von den
Theatern aus hinreißend ſchoͤne Fernſichten bieten: ſo
wurden auch die ſpaͤtern Architekten von dem Streben
nach Regelmaͤßigkeit nicht ſo gefangen genommen, daß
ſie nicht uͤberall die Vortheile einer pittoresken Lage mit
feinem Sinne wahrgenommen und benutzt haͤtten. Be-
ſonders beliebt war die theaterfoͤrmige Anlage, die bei
dem felſenumſchloſſnen Delphi einen ſchaurigerhabnen,
bei Seeſtaͤdten, wie Rhodos, Halikarnaſſ (§. 111.
255.), einem heitern und glaͤnzenden Eindruck hervorbrin-
gen mußte. Dieſe Staͤdte beſonders, mit ihren großen
oͤffentlichen Gebaͤuden und wohlvertheilten Coloſſen, mußten
dem Reiſenden ſchon aus der Ferne wie herrlich ausge-
5ſchmuͤckte Theater entgegentreten. Oefter bot ſich dieſe
Aufgabe, eine neue Stadt zu gruͤnden, in gewiſſem Sinne
dem Caſtrametator; wenn indeß auch die Anlage

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[350/0372] Syſtematiſcher Theil. architektoniſche Wirkung berechnet ſind. Hierher gehoͤren ſchon die ἱερὰ der Griechen, welche mit Hochaltaͤren, Tem- peln und Heroen, Prytaneen, Theatern, Stadien und Hip- podromen, heiligen Hainen, Quellen und Grotten als hoͤchſt mannigfaltige, auf eine bald mehr ernſte bald mehr anmuthige Wirkung berechnete Anlagen zu denken ſind. Ferner die fora, deren regelmaͤßige Anlage von Jonien aus- ging, und hernach in Rom ſehr ausgebildet wurde; von offnen Saͤulenhallen, dahinter Tempeln, Baſiliken, Cu- rien, Ehrenbogen und andern Ehrendenkmaͤlern, auch Buden und Laͤden umgebne Plaͤtze, auf denen vor allen der Geiſt des politiſchen Lebens vorwalten, und Erinne- rungen patriotiſcher Art rege erhalten werden ſollten; waͤhrend dagegen fora olitoria und macella fuͤr die Nahrung und Nothdurft des Lebens zu ſorgen die Be- ſtimmung hatten. Endlich die ausgedehnteſte Aufgabe, die Anlage ganzer Staͤdte, die ſeit Hippodamos (§. 111) in Griechenland oͤfter ausgezeichneten Architekten geboten wurde. Wie ſchon die aͤlteſten Staͤdte- und Colonieengruͤn- der Griechenlands belobt werden, daß ſie den Platz der Stadt mit Ruͤckſicht auf reizende Ausſicht waͤhlten, und in der That Griechiſche Staͤdte oͤfter beſonders von den Theatern aus hinreißend ſchoͤne Fernſichten bieten: ſo wurden auch die ſpaͤtern Architekten von dem Streben nach Regelmaͤßigkeit nicht ſo gefangen genommen, daß ſie nicht uͤberall die Vortheile einer pittoresken Lage mit feinem Sinne wahrgenommen und benutzt haͤtten. Be- ſonders beliebt war die theaterfoͤrmige Anlage, die bei dem felſenumſchloſſnen Delphi einen ſchaurigerhabnen, bei Seeſtaͤdten, wie Rhodos, Halikarnaſſ (§. 111. 255.), einem heitern und glaͤnzenden Eindruck hervorbrin- gen mußte. Dieſe Staͤdte beſonders, mit ihren großen oͤffentlichen Gebaͤuden und wohlvertheilten Coloſſen, mußten dem Reiſenden ſchon aus der Ferne wie herrlich ausge- ſchmuͤckte Theater entgegentreten. Oefter bot ſich dieſe Aufgabe, eine neue Stadt zu gruͤnden, in gewiſſem Sinne dem Caſtrametator; wenn indeß auch die Anlage 2 3 4 5

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/372>, abgerufen am 22.11.2024.