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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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II. Bildende Kunst. Technik.
dem Pinsel, früher fast durchgängig auf Tafeln (am
liebsten von Lerchenholz), hernach gewöhnlicher auf den
sorgfältig bereiteten Anwurf der Wände (§. 209. 271.),
es sei auf den noch nassen, oder den schon getrockneten
Kalk (al fresco, a tempera), aufzutragen. Auch Lein-
wandgemählde kommen vor, wie Mahlerei auf Metall
(115, 2. 230, 4). Wie die Alten die harmonischen5
Verhältnisse der Farben (harmoge) herauszufinden und
zu beobachten sehr bestrebt waren: so hatten sie für
das Maaß des Lichtes, welches das Bild im Ganzen
festhalten sollte, für die Einheit der gesammten Lichtwir-
kung, ein feines Auge; dies war der tonos oder splen-
dor,
welchen Apelles durch einen zugleich schützenden und
den schärferen Farbenreiz mildernden Ueberzug einer dünn
zerlassenen Schwärze (tenue atramentum) beförderte.
Im Ganzen wirkten Klima und Lebensansichten gleich-
mäßig dahin, den Alten ein heitres Colorit, mit ent-
schiednen Farbentönen, die sich in einem freundlichen Grund-
ton auflösten, lieb zu machen.

1. Dies Wagschalen-Verhältniß giebt Dionys. de Isaeo 4.
ganz bestimmt an; die älteren Bilder sind khromasi men
eirgasmenai aplos kai oudemian en tois migmasin ekhou-
sai poikilian, akribeis de tais grammais u. s. w.; die
spätern sind eugrammoi men etton, aber haben Mannigfal-
tigkeit in Licht u. Schatten, und en to plethei ton migma-
ton ten iskhun.

2. Die vier Farben (nach Plin xxxv, 32. Plut. de def.
orac.
47.): 1. Weiß, die Erde von Melos, Melias. Selt-
ner Bleiweiß, cerussa. In Wandgemählden besonders das Pa-
raetonium.
2. Roth, die rubrica aus Cappadocien, Sinopis
genannt. Miltos, minium hat mannigfache Bedeutungen. Mil-
tos aus verbrannter okhra soll nach Theophr. de lap. 95. Kydias,
Ol. 104., zufällig entdeckt; nach Pl. 20. Rikias, Ol. 110, zu-
erst gebraucht haben, indem Plinius usta offenbar dasselbe ist.
3. Gelb, sil, okhra, aus Attischen Silberbergwerken (Böckh,
Schriften der Berl. Ak. 1815. S. 99), später besonders zu Lichtern
gebraucht. Daneben das röthlich gelbe auripigmentum, sanda-

II. Bildende Kunſt. Technik.
dem Pinſel, fruͤher faſt durchgaͤngig auf Tafeln (am
liebſten von Lerchenholz), hernach gewoͤhnlicher auf den
ſorgfaͤltig bereiteten Anwurf der Waͤnde (§. 209. 271.),
es ſei auf den noch naſſen, oder den ſchon getrockneten
Kalk (al fresco, a tempera), aufzutragen. Auch Lein-
wandgemaͤhlde kommen vor, wie Mahlerei auf Metall
(115, 2. 230, 4). Wie die Alten die harmoniſchen5
Verhaͤltniſſe der Farben (harmoge) herauszufinden und
zu beobachten ſehr beſtrebt waren: ſo hatten ſie fuͤr
das Maaß des Lichtes, welches das Bild im Ganzen
feſthalten ſollte, fuͤr die Einheit der geſammten Lichtwir-
kung, ein feines Auge; dies war der τόνος oder splen-
dor,
welchen Apelles durch einen zugleich ſchuͤtzenden und
den ſchaͤrferen Farbenreiz mildernden Ueberzug einer duͤnn
zerlaſſenen Schwaͤrze (tenue atramentum) befoͤrderte.
Im Ganzen wirkten Klima und Lebensanſichten gleich-
maͤßig dahin, den Alten ein heitres Colorit, mit ent-
ſchiednen Farbentoͤnen, die ſich in einem freundlichen Grund-
ton aufloͤſten, lieb zu machen.

1. Dies Wagſchalen-Verhältniß giebt Dionyſ. de Isaeo 4.
ganz beſtimmt an; die älteren Bilder ſind χρώμασι μὲν
εἰργαςμέναι ἁπλῶς καὶ οὐδεμίαν ἐν τοῖς μίγμασιν ἔχου-
σαι ποικιλίαν, ἀκριβεῖς δὲ ταῖς γραμμαῖς u. ſ. w.; die
ſpätern ſind εὔγραμμοι μὲν ἧττον, aber haben Mannigfal-
tigkeit in Licht u. Schatten, und ἐν τῷ πλήϑει τῶν μιγμά-
των τὴν ἰσχύν.

2. Die vier Farben (nach Plin xxxv, 32. Plut. de def.
orac.
47.): 1. Weiß, die Erde von Melos, Μηλιάς. Selt-
ner Bleiweiß, cerussa. In Wandgemählden beſonders das Pa-
raetonium.
2. Roth, die rubrica aus Cappadocien, Σινωπὶς
genannt. Μίλτος, minium hat mannigfache Bedeutungen. Μίλ-
τος aus verbrannter ὤχρα ſoll nach Theophr. de lap. 95. Kydias,
Ol. 104., zufällig entdeckt; nach Pl. 20. Rikias, Ol. 110, zu-
erſt gebraucht haben, indem Plinius usta offenbar daſſelbe iſt.
3. Gelb, sil, ὤχρα, aus Attiſchen Silberbergwerken (Böckh,
Schriften der Berl. Ak. 1815. S. 99), ſpäter beſonders zu Lichtern
gebraucht. Daneben das röthlich gelbe auripigmentum, σανδα-

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[389/0411] II. Bildende Kunſt. Technik. dem Pinſel, fruͤher faſt durchgaͤngig auf Tafeln (am liebſten von Lerchenholz), hernach gewoͤhnlicher auf den ſorgfaͤltig bereiteten Anwurf der Waͤnde (§. 209. 271.), es ſei auf den noch naſſen, oder den ſchon getrockneten Kalk (al fresco, a tempera), aufzutragen. Auch Lein- wandgemaͤhlde kommen vor, wie Mahlerei auf Metall (115, 2. 230, 4). Wie die Alten die harmoniſchen Verhaͤltniſſe der Farben (harmoge) herauszufinden und zu beobachten ſehr beſtrebt waren: ſo hatten ſie fuͤr das Maaß des Lichtes, welches das Bild im Ganzen feſthalten ſollte, fuͤr die Einheit der geſammten Lichtwir- kung, ein feines Auge; dies war der τόνος oder splen- dor, welchen Apelles durch einen zugleich ſchuͤtzenden und den ſchaͤrferen Farbenreiz mildernden Ueberzug einer duͤnn zerlaſſenen Schwaͤrze (tenue atramentum) befoͤrderte. Im Ganzen wirkten Klima und Lebensanſichten gleich- maͤßig dahin, den Alten ein heitres Colorit, mit ent- ſchiednen Farbentoͤnen, die ſich in einem freundlichen Grund- ton aufloͤſten, lieb zu machen. 5 1. Dies Wagſchalen-Verhältniß giebt Dionyſ. de Isaeo 4. ganz beſtimmt an; die älteren Bilder ſind χρώμασι μὲν εἰργαςμέναι ἁπλῶς καὶ οὐδεμίαν ἐν τοῖς μίγμασιν ἔχου- σαι ποικιλίαν, ἀκριβεῖς δὲ ταῖς γραμμαῖς u. ſ. w.; die ſpätern ſind εὔγραμμοι μὲν ἧττον, aber haben Mannigfal- tigkeit in Licht u. Schatten, und ἐν τῷ πλήϑει τῶν μιγμά- των τὴν ἰσχύν. 2. Die vier Farben (nach Plin xxxv, 32. Plut. de def. orac. 47.): 1. Weiß, die Erde von Melos, Μηλιάς. Selt- ner Bleiweiß, cerussa. In Wandgemählden beſonders das Pa- raetonium. 2. Roth, die rubrica aus Cappadocien, Σινωπὶς genannt. Μίλτος, minium hat mannigfache Bedeutungen. Μίλ- τος aus verbrannter ὤχρα ſoll nach Theophr. de lap. 95. Kydias, Ol. 104., zufällig entdeckt; nach Pl. 20. Rikias, Ol. 110, zu- erſt gebraucht haben, indem Plinius usta offenbar daſſelbe iſt. 3. Gelb, sil, ὤχρα, aus Attiſchen Silberbergwerken (Böckh, Schriften der Berl. Ak. 1815. S. 99), ſpäter beſonders zu Lichtern gebraucht. Daneben das röthlich gelbe auripigmentum, σανδα-

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/411>, abgerufen am 22.11.2024.