Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.Systematischer Theil. meine Eigenschaft der Kinder anerkannten, glaubten siedarin eine naive Grazie und eine muthwillige Schalkheit wahrzunehmen; das Geschlecht der Satyrn und Silenen zeigt daher diese Nase bald in caricirter bald auch in 6anmuthiger Ausbildung. Den Augen, diesem Licht- punkte des Gesichts, vermochten die alten Künstler durch stärkere Oeffnung und Wölbung Großheit, durch mehr aufgezogene und eigengeformte Augenlieder das Schmach- tende und Zärtliche, welches gewöhnlich ugron heißt, zu 7geben. Wir bemerken noch die Kürze der Oberlip- pe, die feine Bildung derselben, die sanfte Oeffnung des Mundes, welche bei allen Götterbildern der vol- lendeten Kunst durch einen kräftigen Schatten das Ge- sicht belebt, und oft sehr ausdrucksvoll wird; vor allen aber das wesentlichste Merkmal ächtgriechischer Bildung, das runde und großartig geformte Kinn, welchem ein Grübchen nur sehr selten einem untergeordneten Reiz 8mittheilt. Die schöne und feine Bildung der Ohren findet überall statt, wo sie nicht, wie bei Athleten, von häufigen Faustschlägen verschwollen (ota kateagos) gebildet werden. 1. S. darüber Winckelmann iv S. 53. 2. Winck. ebd. S. 182. 3. Ueber das Verhältniß des Griech. Profils (besonders des sog. Syſtematiſcher Theil. meine Eigenſchaft der Kinder anerkannten, glaubten ſiedarin eine naive Grazie und eine muthwillige Schalkheit wahrzunehmen; das Geſchlecht der Satyrn und Silenen zeigt daher dieſe Naſe bald in caricirter bald auch in 6anmuthiger Ausbildung. Den Augen, dieſem Licht- punkte des Geſichts, vermochten die alten Kuͤnſtler durch ſtaͤrkere Oeffnung und Woͤlbung Großheit, durch mehr aufgezogene und eigengeformte Augenlieder das Schmach- tende und Zaͤrtliche, welches gewoͤhnlich ὑγρὸν heißt, zu 7geben. Wir bemerken noch die Kuͤrze der Oberlip- pe, die feine Bildung derſelben, die ſanfte Oeffnung des Mundes, welche bei allen Goͤtterbildern der vol- lendeten Kunſt durch einen kraͤftigen Schatten das Ge- ſicht belebt, und oft ſehr ausdrucksvoll wird; vor allen aber das weſentlichſte Merkmal aͤchtgriechiſcher Bildung, das runde und großartig geformte Kinn, welchem ein Gruͤbchen nur ſehr ſelten einem untergeordneten Reiz 8mittheilt. Die ſchoͤne und feine Bildung der Ohren findet uͤberall ſtatt, wo ſie nicht, wie bei Athleten, von haͤufigen Fauſtſchlaͤgen verſchwollen (ὦτα κατεαγὼς) gebildet werden. 1. S. darüber Winckelmann iv S. 53. 2. Winck. ebd. S. 182. 3. Ueber das Verhältniß des Griech. Profils (beſonders des ſog. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <p><pb facs="#f0428" n="406"/><fw place="top" type="header">Syſtematiſcher Theil.</fw><lb/> meine Eigenſchaft der Kinder anerkannten, glaubten ſie<lb/> darin eine naive Grazie und eine muthwillige Schalkheit<lb/> wahrzunehmen; das Geſchlecht der Satyrn und Silenen<lb/> zeigt daher dieſe Naſe bald in caricirter bald auch in<lb/><note place="left">6</note>anmuthiger Ausbildung. Den <hi rendition="#g">Augen</hi>, dieſem Licht-<lb/> punkte des Geſichts, vermochten die alten Kuͤnſtler durch<lb/> ſtaͤrkere Oeffnung und Woͤlbung Großheit, durch mehr<lb/> aufgezogene und eigengeformte Augenlieder das Schmach-<lb/> tende und Zaͤrtliche, welches gewoͤhnlich ὑγρὸν heißt, zu<lb/><note place="left">7</note>geben. 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Syſtematiſcher Theil.
meine Eigenſchaft der Kinder anerkannten, glaubten ſie
darin eine naive Grazie und eine muthwillige Schalkheit
wahrzunehmen; das Geſchlecht der Satyrn und Silenen
zeigt daher dieſe Naſe bald in caricirter bald auch in
anmuthiger Ausbildung. Den Augen, dieſem Licht-
punkte des Geſichts, vermochten die alten Kuͤnſtler durch
ſtaͤrkere Oeffnung und Woͤlbung Großheit, durch mehr
aufgezogene und eigengeformte Augenlieder das Schmach-
tende und Zaͤrtliche, welches gewoͤhnlich ὑγρὸν heißt, zu
geben. Wir bemerken noch die Kuͤrze der Oberlip-
pe, die feine Bildung derſelben, die ſanfte Oeffnung
des Mundes, welche bei allen Goͤtterbildern der vol-
lendeten Kunſt durch einen kraͤftigen Schatten das Ge-
ſicht belebt, und oft ſehr ausdrucksvoll wird; vor allen
aber das weſentlichſte Merkmal aͤchtgriechiſcher Bildung,
das runde und großartig geformte Kinn, welchem ein
Gruͤbchen nur ſehr ſelten einem untergeordneten Reiz
mittheilt. Die ſchoͤne und feine Bildung der Ohren
findet uͤberall ſtatt, wo ſie nicht, wie bei Athleten, von
haͤufigen Fauſtſchlaͤgen verſchwollen (ὦτα κατεαγὼς)
gebildet werden.
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1. S. darüber Winckelmann iv S. 53.
2. Winck. ebd. S. 182.
3. Ueber das Verhältniß des Griech. Profils (beſonders des ſog.
angulus facialis) zur Natur Pet. Camper Ueber den natürl.
Unterſchied der Geſichtszüge des Menſchen S. 63., welcher die Rea-
lität jenes Profils läugnet. Dagegen Eméric David Recher-
ches sur l’art statuaire. Paris 1805. p. 469. Blumenbach
Specimen historiae nat. antiquae artis opp. illustratae,
Comtt. Soc. Gott. xvi. p. 179. Ch. Bell Essays on the
anatomy and philosophy of expression. 2 ed. (1824.)
Ess. 7. — Die Hauptſtelle über die Griech. Nationalbildung,
in welcher man auch das Griech. Profil erkennt, iſt Adamantios
Phyſiogn. c. 24. p. 412 Franz.: Εἰ δέ τισι τὸ ‘Ελληνικὸν
καὶ Ἰωνικὸν γένος ἐφυλάχϑη καϑαρῶς, οὗτοί εἰσιν αὐ-
τάρκως μεγάλοι ἄνδρες, εὐρύτεροι, ὄρϑιοι, εὐπαγεῖς, λευ-
κότεροι τὴν χρόαν, ξανϑοί σαρκὸς κρᾶσιν ἔχοντες με-
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