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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830.

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II. Bildende Kunst. Gegenstände.
7. Amulete, Symbole.

433. Dies führt zu einer flüchtigen Erwähnung der1
Amulete des Alterthums, welche ihrer Natur nach überall
die Gränzen der Kunst überschreiten, ja dem Kunst-
sinne gradezu widersprechen. Die gefürchtete invidia
wird nach dem Glauben des Alterthums um so sichrer
abgewehrt, je widriger, ja ekelhafter der Anblick ist,
welchen man sich vorhält; und die zahllosen phallischen
Bronzen hatten, wenn auch ursprünglich Seegenssymbole,
später doch nur diesen Sinn und Zweck. In symboli-2
scher und abergläubischer Bedeutung kommen das Auge,
der Fuß, die Hand in verschiedner Anwendung vor;
ohne besondre Bedeutung bildete man alle Glieder des
menschlichen Körpers als Weihgeschenke an Asklepios
für glückliche Heilung. Lebensfülle, Gesundheit und3
Blüthe deutet spätern Zeiten am gewöhnlichsten das Füll-
horn an, welches als für sich bestehendes Symbol auch
verdoppelt wird. Wo mathematischen Linien und Fi-4
guren ein geheimer Sinn, willkührlich oder aus philoso-
phischen Grillen, beigelegt wird, verschwindet mit der
natürlichen Einheit des Aeußern und Innern alle Kunst-
thätigkeit völlig.

1. Bekannt ist der Phallus an Pompejanischen Häusern mit
der Beischrift: hic habitat felicitas. Wahrscheinlich war er
auch das gewöhnliche baskanion, fascinum, vor Werkstätten,
Pollux vii, 108 (geloia tina, turpicula res); vgl. Böt-
tiger Amalth. iii. S. 340. [Arditi del fascino. Nap. 1825.
4.] Il Fico oft mit Phallen als Amulet verbunden. Ant. Erc. vi
99. Phalli alati.
Aber auch todtenähnliche Bilder
erreichen diesen Zweck, und eine Art Heuschrecke, die öfter als
larvalis imago vorkommt, soll von Peisistratos als katakhene,
fascinum, vor der Akropolis aufgestellt worden sein. Hesych.
Vgl. Lobeck Aglaoph. p. 970.

2. Der malus oculus wird am interessantesten in dem
Relief Woburn-Marbles 14., vgl. Millingen Archaeol. Brit.

II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde.
7. Amulete, Symbole.

433. Dies fuͤhrt zu einer fluͤchtigen Erwaͤhnung der1
Amulete des Alterthums, welche ihrer Natur nach uͤberall
die Graͤnzen der Kunſt uͤberſchreiten, ja dem Kunſt-
ſinne gradezu widerſprechen. Die gefuͤrchtete invidia
wird nach dem Glauben des Alterthums um ſo ſichrer
abgewehrt, je widriger, ja ekelhafter der Anblick iſt,
welchen man ſich vorhaͤlt; und die zahlloſen phalliſchen
Bronzen hatten, wenn auch urſpruͤnglich Seegensſymbole,
ſpaͤter doch nur dieſen Sinn und Zweck. In ſymboli-2
ſcher und aberglaͤubiſcher Bedeutung kommen das Auge,
der Fuß, die Hand in verſchiedner Anwendung vor;
ohne beſondre Bedeutung bildete man alle Glieder des
menſchlichen Koͤrpers als Weihgeſchenke an Asklepios
fuͤr gluͤckliche Heilung. Lebensfuͤlle, Geſundheit und3
Bluͤthe deutet ſpaͤtern Zeiten am gewoͤhnlichſten das Fuͤll-
horn an, welches als fuͤr ſich beſtehendes Symbol auch
verdoppelt wird. Wo mathematiſchen Linien und Fi-4
guren ein geheimer Sinn, willkuͤhrlich oder aus philoſo-
phiſchen Grillen, beigelegt wird, verſchwindet mit der
natuͤrlichen Einheit des Aeußern und Innern alle Kunſt-
thaͤtigkeit voͤllig.

1. Bekannt iſt der Phallus an Pompejaniſchen Häuſern mit
der Beiſchrift: hic habitat felicitas. Wahrſcheinlich war er
auch das gewöhnliche βασκάνιον, fascinum, vor Werkſtätten,
Pollux vii, 108 (γελοῖά τινα, turpicula res); vgl. Böt-
tiger Amalth. iii. S. 340. [Arditi del fascino. Nap. 1825.
4.] Il Fico oft mit Phallen als Amulet verbunden. Ant. Erc. vi
99. Phalli alati.
Aber auch todtenähnliche Bilder
erreichen dieſen Zweck, und eine Art Heuſchrecke, die öfter als
larvalis imago vorkommt, ſoll von Peiſiſtratos als καταχήνη,
fascinum, vor der Akropolis aufgeſtellt worden ſein. Heſych.
Vgl. Lobeck Aglaoph. p. 970.

2. Der malus oculus wird am intereſſanteſten in dem
Relief Woburn-Marbles 14., vgl. Millingen Archaeol. Brit.

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[605/0627] II. Bildende Kunſt. Gegenſtaͤnde. 7. Amulete, Symbole. 433. Dies fuͤhrt zu einer fluͤchtigen Erwaͤhnung der Amulete des Alterthums, welche ihrer Natur nach uͤberall die Graͤnzen der Kunſt uͤberſchreiten, ja dem Kunſt- ſinne gradezu widerſprechen. Die gefuͤrchtete invidia wird nach dem Glauben des Alterthums um ſo ſichrer abgewehrt, je widriger, ja ekelhafter der Anblick iſt, welchen man ſich vorhaͤlt; und die zahlloſen phalliſchen Bronzen hatten, wenn auch urſpruͤnglich Seegensſymbole, ſpaͤter doch nur dieſen Sinn und Zweck. In ſymboli- ſcher und aberglaͤubiſcher Bedeutung kommen das Auge, der Fuß, die Hand in verſchiedner Anwendung vor; ohne beſondre Bedeutung bildete man alle Glieder des menſchlichen Koͤrpers als Weihgeſchenke an Asklepios fuͤr gluͤckliche Heilung. Lebensfuͤlle, Geſundheit und Bluͤthe deutet ſpaͤtern Zeiten am gewoͤhnlichſten das Fuͤll- horn an, welches als fuͤr ſich beſtehendes Symbol auch verdoppelt wird. Wo mathematiſchen Linien und Fi- guren ein geheimer Sinn, willkuͤhrlich oder aus philoſo- phiſchen Grillen, beigelegt wird, verſchwindet mit der natuͤrlichen Einheit des Aeußern und Innern alle Kunſt- thaͤtigkeit voͤllig. 1 2 3 4 1. Bekannt iſt der Phallus an Pompejaniſchen Häuſern mit der Beiſchrift: hic habitat felicitas. Wahrſcheinlich war er auch das gewöhnliche βασκάνιον, fascinum, vor Werkſtätten, Pollux vii, 108 (γελοῖά τινα, turpicula res); vgl. Böt- tiger Amalth. iii. S. 340. [Arditi del fascino. Nap. 1825. 4.] Il Fico oft mit Phallen als Amulet verbunden. Ant. Erc. vi 99. Phalli alati. Aber auch todtenähnliche Bilder erreichen dieſen Zweck, und eine Art Heuſchrecke, die öfter als larvalis imago vorkommt, ſoll von Peiſiſtratos als καταχήνη, fascinum, vor der Akropolis aufgeſtellt worden ſein. Heſych. Vgl. Lobeck Aglaoph. p. 970. 2. Der malus oculus wird am intereſſanteſten in dem Relief Woburn-Marbles 14., vgl. Millingen Archaeol. Brit.

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Zitationshilfe: Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 605. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/627>, abgerufen am 23.11.2024.