1435. Niedere Arten, Seethiere, Polypen, werden meist in einem freien Stylbehandelt, welcher mehr die kühnen und grotesken Formen solcher Naturgegenstände überhaupt, als die genaue Beschaffenheit der einzelnen Gattung darzustel- 2len strebt. Eben so darf man wohl sagen, daß in den Pflanzengewinden der Vasengemählde, wie in den Kränzen und Festons der zierenden Architektur und Ge- fäßarbeit, bei mannichfachen Abweichungen von den nach- gebildeten Gegenständen im Einzelnen, doch der Geist 3und Charakter der Vegetation oft tief ergriffen ist. Be- sonders aber zeigt sich in allen Compositionen verschied- ner Thiergestalten, welche zum Theil durch den Orient angeregt, aber in ächt Hellenischem Sinne ausgebildet worden sind, ein Geist, welcher das Naturleben in sei- ner schöpferischen Kraftfülle mit eben so viel Wahrheit wie Kühnheit auffaßt; daher uns solche Gestalten wie 4wahre und wirklich vorhandene entgegen treten. Ein ganz andrer Geist, als dieses naive Naturgefühl, spricht uns aus den spätern Gryllen auf Gemmen an; Witz im Zusammenfügen des Verschiedenartigsten, oft auch eine allegorisch ausgedrückte Reflexion liegen hier zum Grunde.
1. S. die Seethiere auf Vasen z. B. Millingen U. M. 10. Doch gab es auch selbst unter Phidias Namen die genauesten Nachbil- dungen von Bienen, Fliegen, Cicaden (vgl. §. 160, 3.), und auch seltene Thierarten werden oft in Anticaglien getreu dargestellt, Blu- menbach Comtt. Soc. Gott. xvi. p. 184. Gemahlte Spinn- gewebe, Philostr. ii, 28.
2. S. von Griechischen Vasen Millin i, 15. 22. ii, 32. 39.; Römische Arbeiten bei Cavaceppi, Piranesi Vasi u. sonst. Wie schwer verschiedene Pflanzenarten auf alten Kunstwerken zu unterscheiden sind, bemerkt Sprengel Hist. rei herbariae i, p. 29. Nachbildungen von Früchten in Wachs, §. 305, 4., und in der Rhyparographie §. 163, 5. 210, 6. 211, 1. Ant. Erc. i, 9. 11. 45. 47. u. oft.
3. Greifen §. 361 ex. Tragelaphen und andre groteske Thierfigureu auf den Vasen §. 75, 2. 177, 2. vgl. 238, 4. Aehnliche liebte man an Silbergefäßen en protome. Die ge-
Syſtematiſcher Theil.
1435. Niedere Arten, Seethiere, Polypen, werden meiſt in einem freien Stylbehandelt, welcher mehr die kuͤhnen und grotesken Formen ſolcher Naturgegenſtaͤnde uͤberhaupt, als die genaue Beſchaffenheit der einzelnen Gattung darzuſtel- 2len ſtrebt. Eben ſo darf man wohl ſagen, daß in den Pflanzengewinden der Vaſengemaͤhlde, wie in den Kraͤnzen und Feſtons der zierenden Architektur und Ge- faͤßarbeit, bei mannichfachen Abweichungen von den nach- gebildeten Gegenſtaͤnden im Einzelnen, doch der Geiſt 3und Charakter der Vegetation oft tief ergriffen iſt. Be- ſonders aber zeigt ſich in allen Compoſitionen verſchied- ner Thiergeſtalten, welche zum Theil durch den Orient angeregt, aber in aͤcht Helleniſchem Sinne ausgebildet worden ſind, ein Geiſt, welcher das Naturleben in ſei- ner ſchoͤpferiſchen Kraftfuͤlle mit eben ſo viel Wahrheit wie Kuͤhnheit auffaßt; daher uns ſolche Geſtalten wie 4wahre und wirklich vorhandene entgegen treten. Ein ganz andrer Geiſt, als dieſes naive Naturgefuͤhl, ſpricht uns aus den ſpaͤtern Gryllen auf Gemmen an; Witz im Zuſammenfuͤgen des Verſchiedenartigſten, oft auch eine allegoriſch ausgedruͤckte Reflexion liegen hier zum Grunde.
1. S. die Seethiere auf Vaſen z. B. Millingen U. M. 10. Doch gab es auch ſelbſt unter Phidias Namen die genaueſten Nachbil- dungen von Bienen, Fliegen, Cicaden (vgl. §. 160, 3.), und auch ſeltene Thierarten werden oft in Anticaglien getreu dargeſtellt, Blu- menbach Comtt. Soc. Gott. xvi. p. 184. Gemahlte Spinn- gewebe, Philoſtr. ii, 28.
2. S. von Griechiſchen Vaſen Millin i, 15. 22. ii, 32. 39.; Römiſche Arbeiten bei Cavaceppi, Piraneſi Vasi u. ſonſt. Wie ſchwer verſchiedene Pflanzenarten auf alten Kunſtwerken zu unterſcheiden ſind, bemerkt Sprengel Hist. rei herbariae i, p. 29. Nachbildungen von Früchten in Wachs, §. 305, 4., und in der Rhyparographie §. 163, 5. 210, 6. 211, 1. Ant. Erc. i, 9. 11. 45. 47. u. oft.
3. Greifen §. 361 ex. Tragelaphen und andre groteske Thierfigureu auf den Vaſen §. 75, 2. 177, 2. vgl. 238, 4. Aehnliche liebte man an Silbergefäßen ἐν προτομῆ. Die ge-
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Syſtematiſcher Theil.
435. Niedere Arten, Seethiere, Polypen, werden
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und grotesken Formen ſolcher Naturgegenſtaͤnde uͤberhaupt,
als die genaue Beſchaffenheit der einzelnen Gattung darzuſtel-
len ſtrebt. Eben ſo darf man wohl ſagen, daß in den
Pflanzengewinden der Vaſengemaͤhlde, wie in den
Kraͤnzen und Feſtons der zierenden Architektur und Ge-
faͤßarbeit, bei mannichfachen Abweichungen von den nach-
gebildeten Gegenſtaͤnden im Einzelnen, doch der Geiſt
und Charakter der Vegetation oft tief ergriffen iſt. Be-
ſonders aber zeigt ſich in allen Compoſitionen verſchied-
ner Thiergeſtalten, welche zum Theil durch den Orient
angeregt, aber in aͤcht Helleniſchem Sinne ausgebildet
worden ſind, ein Geiſt, welcher das Naturleben in ſei-
ner ſchoͤpferiſchen Kraftfuͤlle mit eben ſo viel Wahrheit
wie Kuͤhnheit auffaßt; daher uns ſolche Geſtalten wie
wahre und wirklich vorhandene entgegen treten. Ein
ganz andrer Geiſt, als dieſes naive Naturgefuͤhl, ſpricht
uns aus den ſpaͤtern Gryllen auf Gemmen an; Witz
im Zuſammenfuͤgen des Verſchiedenartigſten, oft auch eine
allegoriſch ausgedruͤckte Reflexion liegen hier zum Grunde.
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1. S. die Seethiere auf Vaſen z. B. Millingen U. M. 10. Doch
gab es auch ſelbſt unter Phidias Namen die genaueſten Nachbil-
dungen von Bienen, Fliegen, Cicaden (vgl. §. 160, 3.), und auch
ſeltene Thierarten werden oft in Anticaglien getreu dargeſtellt, Blu-
menbach Comtt. Soc. Gott. xvi. p. 184. Gemahlte Spinn-
gewebe, Philoſtr. ii, 28.
2. S. von Griechiſchen Vaſen Millin i, 15. 22. ii, 32.
39.; Römiſche Arbeiten bei Cavaceppi, Piraneſi Vasi u. ſonſt.
Wie ſchwer verſchiedene Pflanzenarten auf alten Kunſtwerken zu
unterſcheiden ſind, bemerkt Sprengel Hist. rei herbariae i, p.
29. Nachbildungen von Früchten in Wachs, §. 305, 4., und
in der Rhyparographie §. 163, 5. 210, 6. 211, 1.
Ant. Erc. i, 9. 11. 45. 47. u. oft.
3. Greifen §. 361 ex. Tragelaphen und andre groteske
Thierfigureu auf den Vaſen §. 75, 2. 177, 2. vgl. 238, 4.
Aehnliche liebte man an Silbergefäßen ἐν προτομῆ. Die ge-
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Müller, Karl Otfried: Handbuch der Archäologie der Kunst. Breslau, 1830, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_kunst_1830/630>, abgerufen am 23.11.2024.
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