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Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

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se gönnen, die Füsse seiner Nahrung halber sich
nicht rühren/ noch die Hände durch ihre Arbeit
ihm etwas verdienen wollen; Zuletzt wäre der
Magen wegen Hunger eingeschrumpelt, die
sämtliche Glieder aber wären auch krafftloß
geworden/ weilen sie ihren Safft und Zuschub
von demselben nicht weiter haben können. Da
rieff das Volck: Es hätten die Glieder des Lei-
bes thöricht gehandelt/ und müsse man den Ma-
gen für allen Dingen wieder zurecht helffen,
woferne der Mensch wieder genesen solte. Nach-
dem aber die Application auf die krancke Römi-
sche Republique gemacht, und der Magen mit
denen Gesetzen und der Obrigkeit/ die Glieder
aber mit dem Volcke in Comparaison gezogen
wurden/ änderte dis kluge Volck die unan-
ständige Begierden zur F eyheit An einer viel
gefährlichern Etats[.]Kranckheit liegt dis arm-
seelige Volck/ massen sie ihren vorgenommenen
Willen sonder Scheu vollbringen/ und die un-
umschränckte Begierden ersättigen nach der
Masse des Gelüstens; Weßfalls die Zerrüttun-
gen in allem ihren Thun Meister spielen/ daß es
ihnen nicht möglich auf einen grünen Zweig,
wie man sagt/ zu kommen/ woferne nicht die
Annehmung der Christlichen Religion und die
dabey eingerichtete Veranstaltungen derer Me-
tropoliten,
welche sie zu einem eingeschrenckten
Leben verbinden/ ein besseres fruchten wird.

§. 14. Dis ist wohl eigentlich die Ursache ih-
res grossen Mangels und Dürfftigkeit/ und da-

her
C 2

ſe goͤnnen, die Fuͤſſe ſeiner Nahrung halber ſich
nicht ruͤhren/ noch die Haͤnde durch ihre Arbeit
ihm etwas verdienen wollen; Zuletzt waͤre der
Magen wegen Hunger eingeſchrumpelt, die
ſaͤmtliche Glieder aber waͤren auch krafftloß
geworden/ weilen ſie ihren Safft und Zuſchub
von demſelben nicht weiter haben koͤnnen. Da
rieff das Volck: Es haͤtten die Glieder des Lei-
bes thoͤricht gehandelt/ und muͤſſe man den Ma-
gen fuͤr allen Dingen wieder zurecht helffen,
woferne der Menſch wieder geneſen ſolte. Nach-
dem aber die Application auf die krancke Roͤmi-
ſche Republique gemacht, und der Magen mit
denen Geſetzen und der Obrigkeit/ die Glieder
aber mit dem Volcke in Comparaiſon gezogen
wurden/ aͤnderte dis kluge Volck die unan-
ſtaͤndige Begierden zur F eyheit An einer viel
gefaͤhrlichern Etats[.]Kranckheit liegt dis arm-
ſeelige Volck/ maſſen ſie ihren vorgenommenen
Willen ſonder Scheu vollbringen/ und die un-
umſchraͤnckte Begierden erſaͤttigen nach der
Maſſe des Geluͤſtens; Weßfalls die Zerruͤttun-
gen in allem ihren Thun Meiſter ſpielen/ daß es
ihnen nicht moͤglich auf einen gruͤnen Zweig,
wie man ſagt/ zu kommen/ woferne nicht die
Annehmung der Chriſtlichen Religion und die
dabey eingerichtete Veranſtaltungen derer Me-
tropoliten,
welche ſie zu einem eingeſchrenckten
Leben verbinden/ ein beſſeres fruchten wird.

§. 14. Dis iſt wohl eigentlich die Urſache ih-
res groſſen Mangels und Duͤrfftigkeit/ und da-

her
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[35/0051] ſe goͤnnen, die Fuͤſſe ſeiner Nahrung halber ſich nicht ruͤhren/ noch die Haͤnde durch ihre Arbeit ihm etwas verdienen wollen; Zuletzt waͤre der Magen wegen Hunger eingeſchrumpelt, die ſaͤmtliche Glieder aber waͤren auch krafftloß geworden/ weilen ſie ihren Safft und Zuſchub von demſelben nicht weiter haben koͤnnen. Da rieff das Volck: Es haͤtten die Glieder des Lei- bes thoͤricht gehandelt/ und muͤſſe man den Ma- gen fuͤr allen Dingen wieder zurecht helffen, woferne der Menſch wieder geneſen ſolte. Nach- dem aber die Application auf die krancke Roͤmi- ſche Republique gemacht, und der Magen mit denen Geſetzen und der Obrigkeit/ die Glieder aber mit dem Volcke in Comparaiſon gezogen wurden/ aͤnderte dis kluge Volck die unan- ſtaͤndige Begierden zur F eyheit An einer viel gefaͤhrlichern Etats.Kranckheit liegt dis arm- ſeelige Volck/ maſſen ſie ihren vorgenommenen Willen ſonder Scheu vollbringen/ und die un- umſchraͤnckte Begierden erſaͤttigen nach der Maſſe des Geluͤſtens; Weßfalls die Zerruͤttun- gen in allem ihren Thun Meiſter ſpielen/ daß es ihnen nicht moͤglich auf einen gruͤnen Zweig, wie man ſagt/ zu kommen/ woferne nicht die Annehmung der Chriſtlichen Religion und die dabey eingerichtete Veranſtaltungen derer Me- tropoliten, welche ſie zu einem eingeſchrenckten Leben verbinden/ ein beſſeres fruchten wird. §. 14. Dis iſt wohl eigentlich die Urſache ih- res groſſen Mangels und Duͤrfftigkeit/ und da- her C 2

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Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/51>, abgerufen am 27.11.2024.