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Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

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her geschicht es auch, weil sie den Leib nicht or-
dentlich in acht nehmen/ sondern allerhand un-
gesunde tranichte Geträncke und Speisen genies-
sen, daß sie mit denen Scorbutischen Kranckhei-
ten/ die dem Aussatze nicht ungleich/ so hart in-
ficirt
sind, daß auch ihrer viele bey lebendigem
Leibe verzehret werden. Die angebohrne Lie-
be zu sich selbsten und seiner Erhaltung pflegt bey
andern Menschen zum allersensiblesten in diesem
Fall zu seyn; Gestalt sie auch keine Mittel unge-
prüfft lassen, wodurch sie die Fäulnisse abschaf-
fen/ und den krancken Leib vor andern Zufällen
ihnen praeserviren. Allein man trifft auch dis
bey ihnen nicht/ sondern wann sich eine solche
Kranckheit äussert/ daß der Fuß/ Rücken oder
auch ein ander Theil des Leibes/ auch gar das
Gesicht zu faulen beginnet, so lassen sie es so lan-
ge wegfressen/ bis das Fleisch an den Knochen
verzehret worden/ und der Mensch nicht wei-
ter leben mag. Die Hunde lecken sonst ihre
Schwären aus/ und die andere unvernünfftige
Thiere suchen ihnen auf dem Felde ein Kraut zu
ihrer Heilung; Aber diese entschuldigen ihre
Nachläßigkeit in der Conservation des Leibes
mit der finstern Unwissenheit/ daß sie keine Be-
lehrung von ihren Eltern gehabt, die sich bis an
ihr Ende mit solchen Kranckheiten geschleppt/
vielweniger hätten sie es von andern erfahren
können, wie dieser Kranckheit abzuhelffen/ wei-
len sie nicht sonderlich mit ihnen conversirten.

§. 15. Woferne nun die Liebe auf Reinlich-

keit

her geſchicht es auch, weil ſie den Leib nicht or-
dentlich in acht nehmen/ ſondern allerhand un-
geſunde tranichte Getraͤncke und Speiſen genieſ-
ſen, daß ſie mit denen Scorbutiſchen Kranckhei-
ten/ die dem Auſſatze nicht ungleich/ ſo hart in-
ficirt
ſind, daß auch ihrer viele bey lebendigem
Leibe verzehret werden. Die angebohrne Lie-
be zu ſich ſelbſten und ſeiner Erhaltung pflegt bey
andern Menſchen zum allerſenſibleſten in dieſem
Fall zu ſeyn; Geſtalt ſie auch keine Mittel unge-
pruͤfft laſſen, wodurch ſie die Faͤulniſſe abſchaf-
fen/ und den krancken Leib vor andern Zufaͤllen
ihnen præſerviren. Allein man trifft auch dis
bey ihnen nicht/ ſondern wann ſich eine ſolche
Kranckheit aͤuſſert/ daß der Fuß/ Ruͤcken oder
auch ein ander Theil des Leibes/ auch gar das
Geſicht zu faulen beginnet, ſo laſſen ſie es ſo lan-
ge wegfreſſen/ bis das Fleiſch an den Knochen
verzehret worden/ und der Menſch nicht wei-
ter leben mag. Die Hunde lecken ſonſt ihre
Schwaͤren aus/ und die andere unvernuͤnfftige
Thiere ſuchen ihnen auf dem Felde ein Kraut zu
ihrer Heilung; Aber dieſe entſchuldigen ihre
Nachlaͤßigkeit in der Conſervation des Leibes
mit der finſtern Unwiſſenheit/ daß ſie keine Be-
lehrung von ihren Eltern gehabt, die ſich bis an
ihr Ende mit ſolchen Kranckheiten geſchleppt/
vielweniger haͤtten ſie es von andern erfahren
koͤnnen, wie dieſer Kranckheit abzuhelffen/ wei-
len ſie nicht ſonderlich mit ihnen converſirten.

§. 15. Woferne nun die Liebe auf Reinlich-

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[36/0052] her geſchicht es auch, weil ſie den Leib nicht or- dentlich in acht nehmen/ ſondern allerhand un- geſunde tranichte Getraͤncke und Speiſen genieſ- ſen, daß ſie mit denen Scorbutiſchen Kranckhei- ten/ die dem Auſſatze nicht ungleich/ ſo hart in- ficirt ſind, daß auch ihrer viele bey lebendigem Leibe verzehret werden. Die angebohrne Lie- be zu ſich ſelbſten und ſeiner Erhaltung pflegt bey andern Menſchen zum allerſenſibleſten in dieſem Fall zu ſeyn; Geſtalt ſie auch keine Mittel unge- pruͤfft laſſen, wodurch ſie die Faͤulniſſe abſchaf- fen/ und den krancken Leib vor andern Zufaͤllen ihnen præſerviren. Allein man trifft auch dis bey ihnen nicht/ ſondern wann ſich eine ſolche Kranckheit aͤuſſert/ daß der Fuß/ Ruͤcken oder auch ein ander Theil des Leibes/ auch gar das Geſicht zu faulen beginnet, ſo laſſen ſie es ſo lan- ge wegfreſſen/ bis das Fleiſch an den Knochen verzehret worden/ und der Menſch nicht wei- ter leben mag. Die Hunde lecken ſonſt ihre Schwaͤren aus/ und die andere unvernuͤnfftige Thiere ſuchen ihnen auf dem Felde ein Kraut zu ihrer Heilung; Aber dieſe entſchuldigen ihre Nachlaͤßigkeit in der Conſervation des Leibes mit der finſtern Unwiſſenheit/ daß ſie keine Be- lehrung von ihren Eltern gehabt, die ſich bis an ihr Ende mit ſolchen Kranckheiten geſchleppt/ vielweniger haͤtten ſie es von andern erfahren koͤnnen, wie dieſer Kranckheit abzuhelffen/ wei- len ſie nicht ſonderlich mit ihnen converſirten. §. 15. Woferne nun die Liebe auf Reinlich- keit

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Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/52>, abgerufen am 23.11.2024.