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Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

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keit und Schönheit alle ihre Neigung würffe/
so würde das Volck von dieser an sich ziehenden
passion gar nichts wissen, allein es ist mehr als
zu gewiß, daß sie sich auch in der Unreinigkeit
ersättige/ und ihren Brand in der Garstigkeit
selbsten abkühle. Diese Nation kan zwar nicht
ungestalt genannt werden, wie im vorhergehen-
den erwehnt; Sondern ihre Gestalt gleichet de-
nen andern Europaeern, doch bey dem weibli-
chen Geschlechte findet sich die Schönheit nicht
so gar. Doch macht ihre elende Lebens-Arth,
die dürfftige Bekleidung/ und die fressende
Kranckheit den mehrern Theil gantz unange-
nehm zu lieben/ und würde man hieraus schlies-
sen/ daß ein auf beschriebene Weise conditio-
nirt
er Mann oder Weib sonder seinen Ehegat-
ten leben müsse; Allein die blinde Liebe per-
suadir
et diesem Volcke/ daß der Mann nicht
mit einem/ sondern vielen Weibern seine Lust
büssen könne/ wannenhero sie ihnen gemeiniglich
eine Alte/ die der Haußhaltung vorstehet/ und
eine Junge zum Beyschlaff zugesellen.

§. 16. Wann der Bräutigam bey der Braut
Vater seine Anwerbung verrichten läst, so ca-
pitulir
en die Abgeordneten mit selbigem so lange/
biß sie des Preises einig werden/ und wird ge-
meiniglich der Vater nicht unter 100. Rubeln
fordern; Der Bräutigam gehet den Kauff ein/
und rechnet seinen Kahn auf 30. Rubel/ seinen
Hund, den er dem Schwieger-Vater angiebt,
20 und noch mehr, biß er so weit von dieser Bet-

teley
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keit und Schoͤnheit alle ihre Neigung wuͤrffe/
ſo wuͤrde das Volck von dieſer an ſich ziehenden
pasſion gar nichts wiſſen, allein es iſt mehr als
zu gewiß, daß ſie ſich auch in der Unreinigkeit
erſaͤttige/ und ihren Brand in der Garſtigkeit
ſelbſten abkuͤhle. Dieſe Nation kan zwar nicht
ungeſtalt genannt werden, wie im vorhergehen-
den erwehnt; Sondern ihre Geſtalt gleichet de-
nen andern Europæern, doch bey dem weibli-
chen Geſchlechte findet ſich die Schoͤnheit nicht
ſo gar. Doch macht ihre elende Lebens-Arth,
die duͤrfftige Bekleidung/ und die freſſende
Kranckheit den mehrern Theil gantz unange-
nehm zu lieben/ und wuͤrde man hieraus ſchlieſ-
ſen/ daß ein auf beſchriebene Weiſe conditio-
nirt
er Mann oder Weib ſonder ſeinen Ehegat-
ten leben muͤſſe; Allein die blinde Liebe per-
ſuadir
et dieſem Volcke/ daß der Mann nicht
mit einem/ ſondern vielen Weibern ſeine Luſt
buͤſſen koͤnne/ wannenhero ſie ihnen gemeiniglich
eine Alte/ die der Haußhaltung vorſtehet/ und
eine Junge zum Beyſchlaff zugeſellen.

§. 16. Wann der Braͤutigam bey der Braut
Vater ſeine Anwerbung verrichten laͤſt, ſo ca-
pitulir
en die Abgeordneten mit ſelbigem ſo lange/
biß ſie des Preiſes einig werden/ und wird ge-
meiniglich der Vater nicht unter 100. Rubeln
fordern; Der Braͤutigam gehet den Kauff ein/
und rechnet ſeinen Kahn auf 30. Rubel/ ſeinen
Hund, den er dem Schwieger-Vater angiebt,
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C 3
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[37/0053] keit und Schoͤnheit alle ihre Neigung wuͤrffe/ ſo wuͤrde das Volck von dieſer an ſich ziehenden pasſion gar nichts wiſſen, allein es iſt mehr als zu gewiß, daß ſie ſich auch in der Unreinigkeit erſaͤttige/ und ihren Brand in der Garſtigkeit ſelbſten abkuͤhle. Dieſe Nation kan zwar nicht ungeſtalt genannt werden, wie im vorhergehen- den erwehnt; Sondern ihre Geſtalt gleichet de- nen andern Europæern, doch bey dem weibli- chen Geſchlechte findet ſich die Schoͤnheit nicht ſo gar. Doch macht ihre elende Lebens-Arth, die duͤrfftige Bekleidung/ und die freſſende Kranckheit den mehrern Theil gantz unange- nehm zu lieben/ und wuͤrde man hieraus ſchlieſ- ſen/ daß ein auf beſchriebene Weiſe conditio- nirter Mann oder Weib ſonder ſeinen Ehegat- ten leben muͤſſe; Allein die blinde Liebe per- ſuadiret dieſem Volcke/ daß der Mann nicht mit einem/ ſondern vielen Weibern ſeine Luſt buͤſſen koͤnne/ wannenhero ſie ihnen gemeiniglich eine Alte/ die der Haußhaltung vorſtehet/ und eine Junge zum Beyſchlaff zugeſellen. §. 16. Wann der Braͤutigam bey der Braut Vater ſeine Anwerbung verrichten laͤſt, ſo ca- pituliren die Abgeordneten mit ſelbigem ſo lange/ biß ſie des Preiſes einig werden/ und wird ge- meiniglich der Vater nicht unter 100. Rubeln fordern; Der Braͤutigam gehet den Kauff ein/ und rechnet ſeinen Kahn auf 30. Rubel/ ſeinen Hund, den er dem Schwieger-Vater angiebt, 20 und noch mehr, biß er ſo weit von dieſer Bet- teley C 3

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Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/53>, abgerufen am 23.11.2024.