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Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

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Hand, wo sie anfangen und endigen solle/ anfüh-
ren müsse, (wo er anders ein richtiges facit haben
will) der impetus animalis oder der Trieb/ den
der Mensch mit dem Vieh sonder Würckung
der vernünfftigen Seelen gleich hat/ (zum E-
xempel,
daß er den Arm ausstreckt/ ehe er ihn
gedenckt auszustrecken/ daß er den Fuß/ ehe er
gedenckt, zum gehen aussetze/ und dergleichen)
die Hand alleine rühre/ und die Consequence
nicht aus der Würckung der vernünfftigen See-
len/ die zur Führung der Hand nichtes beytra-
gen/ sondern aus einem Viehischen Triebe her-
geleitet werde, also sein Vertrauen auf was
Unvernünfftiges setze/ das ihm den Ausschlag
seiner Begierden geben solle. Jmgleichen daß
Holtz/ Stein/ oder Ertz/ was er selbsten oder
andere zu seiner itzigen Gestalt mit grosser Mü-
he verholffen/ ihm als ein unvermögendes sich
selbst nicht bilden/ auch keiner Hülffe gewehren
könne; Anbey daß die Schläge die er dem Ab-
gotte zufügt, von dem Leblosen nicht gefühlet,
man müsse ihm denn einbilden, daß der Satan,
oder eine im Götzen wohnende Krafft/ selbige
leide. Allein so sagt auch die Vernunfft/ daß
ein geistliches Wesen eine solche Leidenschafft zu
empfinden nicht geschickt sey. Dahero er eine
vergebliche Arbeit thäte/ und sich nur selbst be-
trüge.

§. 13. Wer erfähret aber nicht in seinem
gantzen Leben/ daß wir armselige Menschen al-
len Fleiß anwenden/ wie wir uns zum inventi-
euse
sten betrügen/ und mit einem leeren Winde

der

Hand, wo ſie anfangen und endigen ſolle/ anfuͤh-
ren muͤſſe, (wo eꝛ andeꝛs ein richtiges facit haben
will) der impetus animalis oder der Trieb/ den
der Menſch mit dem Vieh ſonder Wuͤrckung
der vernuͤnfftigen Seelen gleich hat/ (zum E-
xempel,
daß er den Arm ausſtreckt/ ehe er ihn
gedenckt auszuſtrecken/ daß er den Fuß/ ehe er
gedenckt, zum gehen ausſetze/ und dergleichen)
die Hand alleine ruͤhre/ und die Conſequence
nicht aus der Wuͤrckung der vernuͤnfftigen See-
len/ die zur Fuͤhrung der Hand nichtes beytra-
gen/ ſondern aus einem Viehiſchen Triebe her-
geleitet werde, alſo ſein Vertrauen auf was
Unvernuͤnfftiges ſetze/ das ihm den Ausſchlag
ſeiner Begierden geben ſolle. Jmgleichen daß
Holtz/ Stein/ oder Ertz/ was er ſelbſten oder
andere zu ſeiner itzigen Geſtalt mit groſſer Muͤ-
he verholffen/ ihm als ein unvermoͤgendes ſich
ſelbſt nicht bilden/ auch keiner Huͤlffe gewehren
koͤnne; Anbey daß die Schlaͤge die er dem Ab-
gotte zufuͤgt, von dem Lebloſen nicht gefuͤhlet,
man muͤſſe ihm denn einbilden, daß der Satan,
oder eine im Goͤtzen wohnende Krafft/ ſelbige
leide. Allein ſo ſagt auch die Vernunfft/ daß
ein geiſtliches Weſen eine ſolche Leidenſchafft zu
empfinden nicht geſchickt ſey. Dahero er eine
vergebliche Arbeit thaͤte/ und ſich nur ſelbſt be-
truͤge.

§. 13. Wer erfähret aber nicht in ſeinem
gantzen Leben/ daß wir armſelige Menſchen al-
len Fleiß anwenden/ wie wir uns zum inventi-
euſe
ſten betruͤgen/ und mit einem leeren Winde

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[52/0068] Hand, wo ſie anfangen und endigen ſolle/ anfuͤh- ren muͤſſe, (wo eꝛ andeꝛs ein richtiges facit haben will) der impetus animalis oder der Trieb/ den der Menſch mit dem Vieh ſonder Wuͤrckung der vernuͤnfftigen Seelen gleich hat/ (zum E- xempel, daß er den Arm ausſtreckt/ ehe er ihn gedenckt auszuſtrecken/ daß er den Fuß/ ehe er gedenckt, zum gehen ausſetze/ und dergleichen) die Hand alleine ruͤhre/ und die Conſequence nicht aus der Wuͤrckung der vernuͤnfftigen See- len/ die zur Fuͤhrung der Hand nichtes beytra- gen/ ſondern aus einem Viehiſchen Triebe her- geleitet werde, alſo ſein Vertrauen auf was Unvernuͤnfftiges ſetze/ das ihm den Ausſchlag ſeiner Begierden geben ſolle. Jmgleichen daß Holtz/ Stein/ oder Ertz/ was er ſelbſten oder andere zu ſeiner itzigen Geſtalt mit groſſer Muͤ- he verholffen/ ihm als ein unvermoͤgendes ſich ſelbſt nicht bilden/ auch keiner Huͤlffe gewehren koͤnne; Anbey daß die Schlaͤge die er dem Ab- gotte zufuͤgt, von dem Lebloſen nicht gefuͤhlet, man muͤſſe ihm denn einbilden, daß der Satan, oder eine im Goͤtzen wohnende Krafft/ ſelbige leide. Allein ſo ſagt auch die Vernunfft/ daß ein geiſtliches Weſen eine ſolche Leidenſchafft zu empfinden nicht geſchickt ſey. Dahero er eine vergebliche Arbeit thaͤte/ und ſich nur ſelbſt be- truͤge. §. 13. Wer erfähret aber nicht in ſeinem gantzen Leben/ daß wir armſelige Menſchen al- len Fleiß anwenden/ wie wir uns zum inventi- euſeſten betruͤgen/ und mit einem leeren Winde der

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Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/68>, abgerufen am 23.11.2024.