Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726.

Bild:
<< vorherige Seite

von seinen Befreundten am Ufer im Sande
tieff verscharrt geworden, hat sich ein Bär gar
öffters gewiesen/ welcher denen andern Leuten
keinen Schaden zugefüget/ auch von der Viel-
heit der Hunde nicht hat können abgetrieben
werden/ immittelst aber die Stelle des Be-
grabenen nachgespührt/ biß er selbige dis Jahr
im Ausgange Julii gefunden, den Cörper aus
der tieffen Erden ausgekratzet, und ihm das
Gesichte/ in welches er den Scheitan bey geleiste-
tem Eyde öffter gehauen/ samt den Händen/
womit er den Hieb vollführet/ abgefressen/
nachgehends aber sich niemahlen wieder gewie-
sen hat. Die Leuthe/ welche auf der Nähe ihre
Jurthen hatten/ erzehlten dem Metropoliten in
meinem Beyseyn diese Umstände/ mit der grö-
sten Bestürtzung/ und weilen sie im 1713. Jahr
bereits getaufft waren/ in dem vorigen Stande
aber solche fremde Begebenheiten nicht erlebet
hatten/ schienen sie darüber ziemlich confus zu
seyn.

§. 20. Die Anzahl der Götzen oder Schei-
[r]anen
ist unmöglich zu berechnen, weil ein jeder
ihm seinen particulairen bildet/ auch die Wei-
ber in ihren Jurthen a parte Hauß-Götzen hat-
ten, als sie noch im Heydenthum lebten/ doch
waren in allem nur 3. die sie vor die bewehrtesten
hielten. Zwey stunden neben einander in den
Biehorkischen Jurthen oder Hütten, davon der
eine/ welcher keinen Nahmen hatte/ der aller-
vornehmste von sie allen war. Diesem Abgott

tha-

von ſeinen Befreundten am Ufer im Sande
tieff verſcharrt geworden, hat ſich ein Baͤr gar
oͤffters gewieſen/ welcher denen andern Leuten
keinen Schaden zugefuͤget/ auch von der Viel-
heit der Hunde nicht hat koͤnnen abgetrieben
werden/ immittelſt aber die Stelle des Be-
grabenen nachgeſpuͤhrt/ biß er ſelbige dis Jahr
im Ausgange Julii gefunden, den Coͤrper aus
der tieffen Erden ausgekratzet, und ihm das
Geſichte/ in welches er den Scheitan bey geleiſte-
tem Eyde oͤffter gehauen/ ſamt den Haͤnden/
womit er den Hieb vollfuͤhret/ abgefreſſen/
nachgehends aber ſich niemahlen wieder gewie-
ſen hat. Die Leuthe/ welche auf der Naͤhe ihre
Jurthen hatten/ erzehlten dem Metropoliten in
meinem Beyſeyn dieſe Umſtaͤnde/ mit der groͤ-
ſten Beſtuͤrtzung/ und weilen ſie im 1713. Jahr
bereits getaufft waren/ in dem vorigen Stande
aber ſolche fremde Begebenheiten nicht erlebet
hatten/ ſchienen ſie daruͤber ziemlich confus zu
ſeyn.

§. 20. Die Anzahl der Goͤtzen oder Schei-
[r]anen
iſt unmoͤglich zu berechnen, weil ein jeder
ihm ſeinen particulairen bildet/ auch die Wei-
ber in ihren Jurthen a parte Hauß-Goͤtzen hat-
ten, als ſie noch im Heydenthum lebten/ doch
waren in allem nur 3. die ſie vor die bewehrteſten
hielten. Zwey ſtunden neben einander in den
Biehorkiſchen Jurthen oder Huͤtten, davon der
eine/ welcher keinen Nahmen hatte/ der aller-
vornehmſte von ſie allen war. Dieſem Abgott

tha-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0074" n="58"/>
von &#x017F;einen Befreundten am Ufer im Sande<lb/>
tieff ver&#x017F;charrt geworden, hat &#x017F;ich ein Ba&#x0364;r gar<lb/>
o&#x0364;ffters gewie&#x017F;en/ welcher denen andern Leuten<lb/>
keinen Schaden zugefu&#x0364;get/ auch von der Viel-<lb/>
heit der Hunde nicht hat ko&#x0364;nnen abgetrieben<lb/>
werden/ immittel&#x017F;t aber die Stelle des Be-<lb/>
grabenen nachge&#x017F;pu&#x0364;hrt/ biß er &#x017F;elbige dis Jahr<lb/>
im Ausgange <hi rendition="#aq">Julii</hi> gefunden, den Co&#x0364;rper aus<lb/>
der tieffen Erden ausgekratzet, und ihm das<lb/>
Ge&#x017F;ichte/ in welches er den <hi rendition="#aq">Scheitan</hi> bey gelei&#x017F;te-<lb/>
tem Eyde o&#x0364;ffter gehauen/ &#x017F;amt den Ha&#x0364;nden/<lb/>
womit er den Hieb vollfu&#x0364;hret/ abgefre&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
nachgehends aber &#x017F;ich niemahlen wieder gewie-<lb/>
&#x017F;en hat. Die Leuthe/ welche auf der Na&#x0364;he ihre<lb/><hi rendition="#aq">Jurthen</hi> hatten/ erzehlten dem <hi rendition="#aq">Metropoliten</hi> in<lb/>
meinem Bey&#x017F;eyn die&#x017F;e Um&#x017F;ta&#x0364;nde/ mit der gro&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ten Be&#x017F;tu&#x0364;rtzung/ und weilen &#x017F;ie im 1713. Jahr<lb/>
bereits getaufft waren/ in dem vorigen Stande<lb/>
aber &#x017F;olche fremde Begebenheiten nicht erlebet<lb/>
hatten/ &#x017F;chienen &#x017F;ie daru&#x0364;ber ziemlich <hi rendition="#aq">confus</hi> zu<lb/>
&#x017F;eyn.</p><lb/>
        <p>§. 20. Die Anzahl der Go&#x0364;tzen oder <hi rendition="#aq">Schei-<lb/><supplied>r</supplied>anen</hi> i&#x017F;t unmo&#x0364;glich zu berechnen, weil ein jeder<lb/>
ihm &#x017F;einen <hi rendition="#aq">particulair</hi>en bildet/ auch die Wei-<lb/>
ber in ihren <hi rendition="#aq">Jurthen a parte</hi> Hauß-Go&#x0364;tzen hat-<lb/>
ten, als &#x017F;ie noch im Heydenthum lebten/ doch<lb/>
waren in allem nur 3. die &#x017F;ie vor die bewehrte&#x017F;ten<lb/>
hielten. Zwey &#x017F;tunden neben einander in den<lb/><hi rendition="#aq">Biehorki</hi>&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Jurthen</hi> oder Hu&#x0364;tten, davon der<lb/>
eine/ welcher keinen Nahmen hatte/ der aller-<lb/>
vornehm&#x017F;te von &#x017F;ie allen war. Die&#x017F;em Abgott<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tha-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0074] von ſeinen Befreundten am Ufer im Sande tieff verſcharrt geworden, hat ſich ein Baͤr gar oͤffters gewieſen/ welcher denen andern Leuten keinen Schaden zugefuͤget/ auch von der Viel- heit der Hunde nicht hat koͤnnen abgetrieben werden/ immittelſt aber die Stelle des Be- grabenen nachgeſpuͤhrt/ biß er ſelbige dis Jahr im Ausgange Julii gefunden, den Coͤrper aus der tieffen Erden ausgekratzet, und ihm das Geſichte/ in welches er den Scheitan bey geleiſte- tem Eyde oͤffter gehauen/ ſamt den Haͤnden/ womit er den Hieb vollfuͤhret/ abgefreſſen/ nachgehends aber ſich niemahlen wieder gewie- ſen hat. Die Leuthe/ welche auf der Naͤhe ihre Jurthen hatten/ erzehlten dem Metropoliten in meinem Beyſeyn dieſe Umſtaͤnde/ mit der groͤ- ſten Beſtuͤrtzung/ und weilen ſie im 1713. Jahr bereits getaufft waren/ in dem vorigen Stande aber ſolche fremde Begebenheiten nicht erlebet hatten/ ſchienen ſie daruͤber ziemlich confus zu ſeyn. §. 20. Die Anzahl der Goͤtzen oder Schei- ranen iſt unmoͤglich zu berechnen, weil ein jeder ihm ſeinen particulairen bildet/ auch die Wei- ber in ihren Jurthen a parte Hauß-Goͤtzen hat- ten, als ſie noch im Heydenthum lebten/ doch waren in allem nur 3. die ſie vor die bewehrteſten hielten. Zwey ſtunden neben einander in den Biehorkiſchen Jurthen oder Huͤtten, davon der eine/ welcher keinen Nahmen hatte/ der aller- vornehmſte von ſie allen war. Dieſem Abgott tha-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die vorliegende Ausgabe ist die erste eigenständi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/74
Zitationshilfe: Müller, Johann Bernhard: Leben und Gewohnheiten Der Ostiacken. Berlin, 1726, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_ostiacken_1726/74>, abgerufen am 27.11.2024.