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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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gensatzes: Alter und Jugend, betrachtet habe,
so habe ich sie jetzt im Nebeneinander, das
heißt in dem eben so wesentlichen Gegensatz:
Mann und Weib, zu betrachten.

Das natürliche Verhältniß der beiden Ge-
schlechter läßt sich aus einem doppelten Grunde
schwer erkennen: 1) weil dieses Verhältniß im
heutigen gesellschaftlichen Leben schon so verwirrt
ist, daß man kaum die einfachen Worte "Mann
und Weib" aussprechen kann, ohne mannichfaltige
Mißverständnisse zu befürchten; 2) weil die aus-
geartete Schule eines großen Naturforschers,
Schellings nehmlich, mit dem sogenannten
Gegensatze von Mann und Weib, den eine
geistreiche Naturforschung als den Schlüssel aller
großen Natur-Phänomene, aufgefunden hatte,
nun ein kindisches, modisches Unwesen treibt.

Allerdings ist es ein schöner Beweis davon,
welchen erhabenen und menschlichen, den übrigen
Nationen zur Zeit noch, eben wegen seiner Ein-
falt und Natürlichkeit, unbegreiflichen Charak-
ter die Wissenschaft in Deutschland annimmt,
indem sie alle Verhältnisse in Natur und Kunst,
die wir doch einmal nur aus menschlichen Stand-
punkten betrachten können, an die menschliche,
oder vielmehr an die gesellschaftliche Natur des
Menschen anknüpft, und sich von Hause aus

genſatzes: Alter und Jugend, betrachtet habe,
ſo habe ich ſie jetzt im Nebeneinander, das
heißt in dem eben ſo weſentlichen Gegenſatz:
Mann und Weib, zu betrachten.

Das natuͤrliche Verhaͤltniß der beiden Ge-
ſchlechter laͤßt ſich aus einem doppelten Grunde
ſchwer erkennen: 1) weil dieſes Verhaͤltniß im
heutigen geſellſchaftlichen Leben ſchon ſo verwirrt
iſt, daß man kaum die einfachen Worte „Mann
und Weib” ausſprechen kann, ohne mannichfaltige
Mißverſtaͤndniſſe zu befuͤrchten; 2) weil die aus-
geartete Schule eines großen Naturforſchers,
Schellings nehmlich, mit dem ſogenannten
Gegenſatze von Mann und Weib, den eine
geiſtreiche Naturforſchung als den Schluͤſſel aller
großen Natur-Phaͤnomene, aufgefunden hatte,
nun ein kindiſches, modiſches Unweſen treibt.

Allerdings iſt es ein ſchoͤner Beweis davon,
welchen erhabenen und menſchlichen, den uͤbrigen
Nationen zur Zeit noch, eben wegen ſeiner Ein-
falt und Natuͤrlichkeit, unbegreiflichen Charak-
ter die Wiſſenſchaft in Deutſchland annimmt,
indem ſie alle Verhaͤltniſſe in Natur und Kunſt,
die wir doch einmal nur aus menſchlichen Stand-
punkten betrachten koͤnnen, an die menſchliche,
oder vielmehr an die geſellſchaftliche Natur des
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[143/0177] genſatzes: Alter und Jugend, betrachtet habe, ſo habe ich ſie jetzt im Nebeneinander, das heißt in dem eben ſo weſentlichen Gegenſatz: Mann und Weib, zu betrachten. Das natuͤrliche Verhaͤltniß der beiden Ge- ſchlechter laͤßt ſich aus einem doppelten Grunde ſchwer erkennen: 1) weil dieſes Verhaͤltniß im heutigen geſellſchaftlichen Leben ſchon ſo verwirrt iſt, daß man kaum die einfachen Worte „Mann und Weib” ausſprechen kann, ohne mannichfaltige Mißverſtaͤndniſſe zu befuͤrchten; 2) weil die aus- geartete Schule eines großen Naturforſchers, Schellings nehmlich, mit dem ſogenannten Gegenſatze von Mann und Weib, den eine geiſtreiche Naturforſchung als den Schluͤſſel aller großen Natur-Phaͤnomene, aufgefunden hatte, nun ein kindiſches, modiſches Unweſen treibt. Allerdings iſt es ein ſchoͤner Beweis davon, welchen erhabenen und menſchlichen, den uͤbrigen Nationen zur Zeit noch, eben wegen ſeiner Ein- falt und Natuͤrlichkeit, unbegreiflichen Charak- ter die Wiſſenſchaft in Deutſchland annimmt, indem ſie alle Verhaͤltniſſe in Natur und Kunſt, die wir doch einmal nur aus menſchlichen Stand- punkten betrachten koͤnnen, an die menſchliche, oder vielmehr an die geſellſchaftliche Natur des Menſchen anknuͤpft, und ſich von Hauſe aus

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/177>, abgerufen am 24.11.2024.