begiebt, an den Gegenständen der Natur etwas Anderes, Neues oder Höheres, zu entdecken, als eben das Verhältniß oder die Beziehung dieser Naturgegenstände zum Menschen, d. h. nicht zum Menschen an sich, sondern zum wirklichen Menschen in der Gesellschaft, ohne die er nie gedacht werden, noch denken soll. Indeß ist gar zu viel unreife und vorwitzige Jugend in Deutschland, die nur das Wort begreift, und als Begriff in einen voreiligen Cours bringt; und gegen alle Gemeinschaft mit dieser, gegen alle auch nur augenblickliche Verwechselung mit ihr, mußte ich mich verwahren.
Alle Gesetzgebung in der Welt hat von je her geschwankt zwischen den beiden Verhältnissen, dem Zeitverhältnisse, Alter und Jugend, und dem Raumverhältnisse, Mann und Weib; sie hat bald dieses, bald jenes ihren politischen In- stitutionen zum Grunde gelegt. So liegt jenes, das Zeitverhältniß, fast den gesammten antiken Verfassungen zum Grunde; sie sind fast alle pa- triarchalischer Natur. Wer von der Natur den wahren und zarten Blick für solche Untersuchun- gen erhalten hat, wird finden, daß sich fast die ganze Römische Gesetzgebung um die Lehre von der väterlichen Gewalt, d. h. um die ziemlich unbedingte Gewalt der Vorangegangenen über
die
begiebt, an den Gegenſtaͤnden der Natur etwas Anderes, Neues oder Hoͤheres, zu entdecken, als eben das Verhaͤltniß oder die Beziehung dieſer Naturgegenſtaͤnde zum Menſchen, d. h. nicht zum Menſchen an ſich, ſondern zum wirklichen Menſchen in der Geſellſchaft, ohne die er nie gedacht werden, noch denken ſoll. Indeß iſt gar zu viel unreife und vorwitzige Jugend in Deutſchland, die nur das Wort begreift, und als Begriff in einen voreiligen Cours bringt; und gegen alle Gemeinſchaft mit dieſer, gegen alle auch nur augenblickliche Verwechſelung mit ihr, mußte ich mich verwahren.
Alle Geſetzgebung in der Welt hat von je her geſchwankt zwiſchen den beiden Verhaͤltniſſen, dem Zeitverhaͤltniſſe, Alter und Jugend, und dem Raumverhaͤltniſſe, Mann und Weib; ſie hat bald dieſes, bald jenes ihren politiſchen In- ſtitutionen zum Grunde gelegt. So liegt jenes, das Zeitverhaͤltniß, faſt den geſammten antiken Verfaſſungen zum Grunde; ſie ſind faſt alle pa- triarchaliſcher Natur. Wer von der Natur den wahren und zarten Blick fuͤr ſolche Unterſuchun- gen erhalten hat, wird finden, daß ſich faſt die ganze Roͤmiſche Geſetzgebung um die Lehre von der vaͤterlichen Gewalt, d. h. um die ziemlich unbedingte Gewalt der Vorangegangenen uͤber
die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0178"n="144"/>
begiebt, an den Gegenſtaͤnden der Natur etwas<lb/>
Anderes, Neues oder Hoͤheres, zu entdecken, als<lb/>
eben das Verhaͤltniß oder die Beziehung dieſer<lb/>
Naturgegenſtaͤnde zum Menſchen, d. h. nicht<lb/>
zum Menſchen an ſich, ſondern zum wirklichen<lb/>
Menſchen in der Geſellſchaft, ohne die er nie<lb/>
gedacht werden, noch denken ſoll. Indeß iſt<lb/>
gar zu viel unreife und vorwitzige Jugend in<lb/>
Deutſchland, die nur das Wort begreift, und als<lb/>
Begriff in einen voreiligen Cours bringt; und<lb/>
gegen alle Gemeinſchaft mit dieſer, gegen alle<lb/>
auch nur augenblickliche Verwechſelung mit ihr,<lb/>
mußte ich mich verwahren.</p><lb/><p>Alle Geſetzgebung in der Welt hat von je her<lb/>
geſchwankt zwiſchen den beiden Verhaͤltniſſen,<lb/>
dem Zeitverhaͤltniſſe, Alter und Jugend, und<lb/>
dem Raumverhaͤltniſſe, Mann und Weib; ſie<lb/>
hat bald dieſes, bald jenes ihren politiſchen In-<lb/>ſtitutionen zum Grunde gelegt. So liegt jenes,<lb/>
das Zeitverhaͤltniß, faſt den geſammten antiken<lb/>
Verfaſſungen zum Grunde; ſie ſind faſt alle pa-<lb/>
triarchaliſcher Natur. Wer von der Natur den<lb/>
wahren und zarten Blick fuͤr ſolche Unterſuchun-<lb/>
gen erhalten hat, wird finden, daß ſich faſt die<lb/>
ganze Roͤmiſche Geſetzgebung um die Lehre von<lb/>
der vaͤterlichen Gewalt, d. h. um die ziemlich<lb/>
unbedingte Gewalt der Vorangegangenen uͤber<lb/><fwplace="bottom"type="catch">die</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[144/0178]
begiebt, an den Gegenſtaͤnden der Natur etwas
Anderes, Neues oder Hoͤheres, zu entdecken, als
eben das Verhaͤltniß oder die Beziehung dieſer
Naturgegenſtaͤnde zum Menſchen, d. h. nicht
zum Menſchen an ſich, ſondern zum wirklichen
Menſchen in der Geſellſchaft, ohne die er nie
gedacht werden, noch denken ſoll. Indeß iſt
gar zu viel unreife und vorwitzige Jugend in
Deutſchland, die nur das Wort begreift, und als
Begriff in einen voreiligen Cours bringt; und
gegen alle Gemeinſchaft mit dieſer, gegen alle
auch nur augenblickliche Verwechſelung mit ihr,
mußte ich mich verwahren.
Alle Geſetzgebung in der Welt hat von je her
geſchwankt zwiſchen den beiden Verhaͤltniſſen,
dem Zeitverhaͤltniſſe, Alter und Jugend, und
dem Raumverhaͤltniſſe, Mann und Weib; ſie
hat bald dieſes, bald jenes ihren politiſchen In-
ſtitutionen zum Grunde gelegt. So liegt jenes,
das Zeitverhaͤltniß, faſt den geſammten antiken
Verfaſſungen zum Grunde; ſie ſind faſt alle pa-
triarchaliſcher Natur. Wer von der Natur den
wahren und zarten Blick fuͤr ſolche Unterſuchun-
gen erhalten hat, wird finden, daß ſich faſt die
ganze Roͤmiſche Geſetzgebung um die Lehre von
der vaͤterlichen Gewalt, d. h. um die ziemlich
unbedingte Gewalt der Vorangegangenen uͤber
die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/178>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.