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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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kann das Recht des Einen leichter erfunden wer-
den, weil es darauf ankommt, das Ganze zu
erhalten. -- Dieses Ganze entscheidet also eigent-
lich, und der Richter repräsentirt es; folglich
muß auch das Recht jeder besonderen Parthei
von dem Advocaten derselben dargestellt werden,
wie es im Ganzen, und nicht, wie es für sich
abgesondert erscheint: nur so gehört es vor den
Richter oder vor den Staat.

Wie wird aber das Recht des Land-In-
teresse und das Recht des Geld-Interesse für den
gegebenen Fall im Ganzen dargestellt? Dadurch,
daß die Advocaten beider Partheien ihre Plätze
vertauschen, und der Vertheidiger des Land-In-
teresse ganz in einem städtischen, der Verthei-
diger des Geld-Interesse hingegen in einem länd-
lichen Standpunkte redet; dadurch daß der Ad-
vocat des Grundeigenthums zeigt, daß gerade
für die städtische Industrie die Sperre rathsam,
und der Advocat der Fabrikanten, daß dieselbe
der ländlichen Industrie nachtheilig sey. Nun
kann der Richterspruch eintreten: ein Wort, das
nicht zwischen beiden Partheien einseitig und
arithmetisch entscheidet, sondern, da es aus dem
Ganzen kommt, und, da es, als solches, beide
Advocaten verstehen, auch für beide Partheien
gesprochen wird.

kann das Recht des Einen leichter erfunden wer-
den, weil es darauf ankommt, das Ganze zu
erhalten. — Dieſes Ganze entſcheidet alſo eigent-
lich, und der Richter repraͤſentirt es; folglich
muß auch das Recht jeder beſonderen Parthei
von dem Advocaten derſelben dargeſtellt werden,
wie es im Ganzen, und nicht, wie es fuͤr ſich
abgeſondert erſcheint: nur ſo gehoͤrt es vor den
Richter oder vor den Staat.

Wie wird aber das Recht des Land-In-
tereſſe und das Recht des Geld-Intereſſe fuͤr den
gegebenen Fall im Ganzen dargeſtellt? Dadurch,
daß die Advocaten beider Partheien ihre Plaͤtze
vertauſchen, und der Vertheidiger des Land-In-
tereſſe ganz in einem ſtaͤdtiſchen, der Verthei-
diger des Geld-Intereſſe hingegen in einem laͤnd-
lichen Standpunkte redet; dadurch daß der Ad-
vocat des Grundeigenthums zeigt, daß gerade
fuͤr die ſtaͤdtiſche Induſtrie die Sperre rathſam,
und der Advocat der Fabrikanten, daß dieſelbe
der laͤndlichen Induſtrie nachtheilig ſey. Nun
kann der Richterſpruch eintreten: ein Wort, das
nicht zwiſchen beiden Partheien einſeitig und
arithmetiſch entſcheidet, ſondern, da es aus dem
Ganzen kommt, und, da es, als ſolches, beide
Advocaten verſtehen, auch fuͤr beide Partheien
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[169/0203] kann das Recht des Einen leichter erfunden wer- den, weil es darauf ankommt, das Ganze zu erhalten. — Dieſes Ganze entſcheidet alſo eigent- lich, und der Richter repraͤſentirt es; folglich muß auch das Recht jeder beſonderen Parthei von dem Advocaten derſelben dargeſtellt werden, wie es im Ganzen, und nicht, wie es fuͤr ſich abgeſondert erſcheint: nur ſo gehoͤrt es vor den Richter oder vor den Staat. Wie wird aber das Recht des Land-In- tereſſe und das Recht des Geld-Intereſſe fuͤr den gegebenen Fall im Ganzen dargeſtellt? Dadurch, daß die Advocaten beider Partheien ihre Plaͤtze vertauſchen, und der Vertheidiger des Land-In- tereſſe ganz in einem ſtaͤdtiſchen, der Verthei- diger des Geld-Intereſſe hingegen in einem laͤnd- lichen Standpunkte redet; dadurch daß der Ad- vocat des Grundeigenthums zeigt, daß gerade fuͤr die ſtaͤdtiſche Induſtrie die Sperre rathſam, und der Advocat der Fabrikanten, daß dieſelbe der laͤndlichen Induſtrie nachtheilig ſey. Nun kann der Richterſpruch eintreten: ein Wort, das nicht zwiſchen beiden Partheien einſeitig und arithmetiſch entſcheidet, ſondern, da es aus dem Ganzen kommt, und, da es, als ſolches, beide Advocaten verſtehen, auch fuͤr beide Partheien geſprochen wird.

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/203>, abgerufen am 22.11.2024.