habe, aus religiösen Gesichtspunkten betrach- tet, so erscheint Rom in aller seiner Größe und mit seinem eisernen Willen nur als eine nothwendige und natürliche Krankheit des Ge- schlechtes. Ich will von der Geschichte nicht die Kunst lernen, wie man ein zweites Rom, oder irgend ein abgesondertes, auf Kosten der übrigen Völker der Erde blühendes, Reich macht, welches, eben weil es auf Kosten der andern errichtet ist, nothwendig im Laufe der Zeiten wieder dahin sinken muß; sondern ich will von der Geschichte lernen, wie das doppelte Verlangen in meinem Herzen nach der Freiheit, um meinetwillen, und nach dem Gesetz, um der Uebrigen willen, befriedigt werden könne. Dieses doppelte und gott- menschliche Verlangen ist unter allen Umständen der Welt das einzige wahre und untriegliche, weil es der Kern aller Religion, aller Va- terlandsliebe und des ganzen irdischen Lebens überhaupt ist.
Aus dem Standpunkte dieses Verlangens
er-
habe, aus religioͤſen Geſichtspunkten betrach- tet, ſo erſcheint Rom in aller ſeiner Groͤße und mit ſeinem eiſernen Willen nur als eine nothwendige und natuͤrliche Krankheit des Ge- ſchlechtes. Ich will von der Geſchichte nicht die Kunſt lernen, wie man ein zweites Rom, oder irgend ein abgeſondertes, auf Koſten der uͤbrigen Voͤlker der Erde bluͤhendes, Reich macht, welches, eben weil es auf Koſten der andern errichtet iſt, nothwendig im Laufe der Zeiten wieder dahin ſinken muß; ſondern ich will von der Geſchichte lernen, wie das doppelte Verlangen in meinem Herzen nach der Freiheit, um meinetwillen, und nach dem Geſetz, um der Uebrigen willen, befriedigt werden koͤnne. Dieſes doppelte und gott- menſchliche Verlangen iſt unter allen Umſtaͤnden der Welt das einzige wahre und untriegliche, weil es der Kern aller Religion, aller Va- terlandsliebe und des ganzen irdiſchen Lebens uͤberhaupt iſt.
Aus dem Standpunkte dieſes Verlangens
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[XVI/0022]
habe, aus religioͤſen Geſichtspunkten betrach-
tet, ſo erſcheint Rom in aller ſeiner Groͤße
und mit ſeinem eiſernen Willen nur als eine
nothwendige und natuͤrliche Krankheit des Ge-
ſchlechtes. Ich will von der Geſchichte nicht
die Kunſt lernen, wie man ein zweites Rom,
oder irgend ein abgeſondertes, auf Koſten
der uͤbrigen Voͤlker der Erde bluͤhendes, Reich
macht, welches, eben weil es auf Koſten
der andern errichtet iſt, nothwendig im Laufe
der Zeiten wieder dahin ſinken muß; ſondern
ich will von der Geſchichte lernen, wie das
doppelte Verlangen in meinem Herzen nach
der Freiheit, um meinetwillen, und nach dem
Geſetz, um der Uebrigen willen, befriedigt
werden koͤnne. Dieſes doppelte und gott-
menſchliche Verlangen iſt unter allen Umſtaͤnden
der Welt das einzige wahre und untriegliche,
weil es der Kern aller Religion, aller Va-
terlandsliebe und des ganzen irdiſchen Lebens
uͤberhaupt iſt.
Aus dem Standpunkte dieſes Verlangens
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. XVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/22>, abgerufen am 21.11.2024.
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