Wie sich die Partheien zum Richter, der Contract zum Gesetze, und die Freiheit zum Rechte verhalte.
Der berühmte Wahlspruch: suum cuique, drückt das Wesen der Gerechtigkeit vollkommen aus, wenn man das suum ideenweise ver- steht. Meint man damit bloß jenes Aggregat von Sachen, welches dem menschlichen Leben ange- hängt wird und ihm nachschleppt, todtes Eigen- thum, unempfindlichen Besitz, so kann sich leicht die höchste Ungerechtigkeit hinter jenem Wahl- spruch verstecken. In einer Staatslehre, wie die meinige, die den lebendigen, bewegten, in allen seinen Elementen kriegerischen (nicht bloß militä- rischen) Staat postulirt, die demnach innerhalb einer Nation nur solche Einrichtungen gelten läßt, welche den Staat innerlich und äußerlich vertheidigen helfen und lebendig in das leben- dige Ganze eingreifen, ist das erste unter allen
Siebente Vorleſung.
Wie ſich die Partheien zum Richter, der Contract zum Geſetze, und die Freiheit zum Rechte verhalte.
Der beruͤhmte Wahlſpruch: suum cuique, druͤckt das Weſen der Gerechtigkeit vollkommen aus, wenn man das suum ideenweiſe ver- ſteht. Meint man damit bloß jenes Aggregat von Sachen, welches dem menſchlichen Leben ange- haͤngt wird und ihm nachſchleppt, todtes Eigen- thum, unempfindlichen Beſitz, ſo kann ſich leicht die hoͤchſte Ungerechtigkeit hinter jenem Wahl- ſpruch verſtecken. In einer Staatslehre, wie die meinige, die den lebendigen, bewegten, in allen ſeinen Elementen kriegeriſchen (nicht bloß militaͤ- riſchen) Staat poſtulirt, die demnach innerhalb einer Nation nur ſolche Einrichtungen gelten laͤßt, welche den Staat innerlich und aͤußerlich vertheidigen helfen und lebendig in das leben- dige Ganze eingreifen, iſt das erſte unter allen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0220"n="186"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Siebente Vorleſung</hi>.</hi></head><lb/><argument><p><hirendition="#c">Wie ſich die Partheien zum Richter, der Contract zum<lb/>
Geſetze, und die Freiheit zum Rechte verhalte.</hi></p></argument><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">D</hi>er beruͤhmte Wahlſpruch: <hirendition="#aq">suum cuique</hi>,<lb/>
druͤckt das Weſen der Gerechtigkeit vollkommen<lb/>
aus, wenn man das <hirendition="#aq">suum</hi> ideenweiſe ver-<lb/>ſteht. Meint man damit bloß jenes Aggregat von<lb/>
Sachen, welches dem menſchlichen Leben ange-<lb/>
haͤngt wird und ihm nachſchleppt, todtes Eigen-<lb/>
thum, unempfindlichen Beſitz, ſo kann ſich leicht<lb/>
die hoͤchſte Ungerechtigkeit hinter jenem Wahl-<lb/>ſpruch verſtecken. In einer Staatslehre, wie die<lb/>
meinige, die den lebendigen, bewegten, in allen<lb/>ſeinen Elementen kriegeriſchen (nicht bloß militaͤ-<lb/>
riſchen) Staat poſtulirt, die demnach innerhalb<lb/>
einer Nation nur ſolche Einrichtungen gelten<lb/>
laͤßt, welche den Staat innerlich und aͤußerlich<lb/>
vertheidigen helfen und lebendig in das leben-<lb/>
dige Ganze eingreifen, iſt das erſte unter allen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[186/0220]
Siebente Vorleſung.
Wie ſich die Partheien zum Richter, der Contract zum
Geſetze, und die Freiheit zum Rechte verhalte.
Der beruͤhmte Wahlſpruch: suum cuique,
druͤckt das Weſen der Gerechtigkeit vollkommen
aus, wenn man das suum ideenweiſe ver-
ſteht. Meint man damit bloß jenes Aggregat von
Sachen, welches dem menſchlichen Leben ange-
haͤngt wird und ihm nachſchleppt, todtes Eigen-
thum, unempfindlichen Beſitz, ſo kann ſich leicht
die hoͤchſte Ungerechtigkeit hinter jenem Wahl-
ſpruch verſtecken. In einer Staatslehre, wie die
meinige, die den lebendigen, bewegten, in allen
ſeinen Elementen kriegeriſchen (nicht bloß militaͤ-
riſchen) Staat poſtulirt, die demnach innerhalb
einer Nation nur ſolche Einrichtungen gelten
laͤßt, welche den Staat innerlich und aͤußerlich
vertheidigen helfen und lebendig in das leben-
dige Ganze eingreifen, iſt das erſte unter allen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/220>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.