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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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thümers zu dem Rentirer zum Gegenstande ha-
ben. --

Hier ist offenbar ein Fall, wo der gegenwärtige
Augenblick für die Ausbildung der Gesetzgebung
gerade so wichtig ist, wie die Erfahrung eines
ganzen vorangegangenen Jahrhunderts. Der Be-
griff von dem Verhältnisse des hypothekarischen
Gläubigers zu seinem Schuldner läßt sich in der
Abstraction bald auffassen; die Grundsätze der
bisherigen Gesetzgebung über diesen Gegenstand
lassen sich leicht festhalten. Aber durch welch
eine Welt von ganz neugestellten Partheien soll
dieser Begriff, sollen diese Grundsätze hindurch-
geführt werden? Eine große Schule für den
Richter ist aufgethan: das Verhältniß des Be-
weglichen zum Grundeigenthume kann in der
reichsten, vollständigsten Bewegung aufgefaßt wer-
den. --

Den Grundsatz: fiat justitia et pereat
mundus
, "entscheidet nach den alten Regeln,
und laßt den Staat darüber zu Grunde gehen,"
anzuwenden, wird niemand einfallen. Was wird
also geschehn? Die Justiz-Behörden werden sich
von den administrativen Behörden Verhaltungs-
regeln oder neue Gesetze ausbitten und dabei er-
klären, ihre Sache sey nur, nach den bestehen-
den Gesetzen zu entscheiden. Und die admini-

Müllers Elemente. I. [13]

thuͤmers zu dem Rentirer zum Gegenſtande ha-
ben. —

Hier iſt offenbar ein Fall, wo der gegenwaͤrtige
Augenblick fuͤr die Ausbildung der Geſetzgebung
gerade ſo wichtig iſt, wie die Erfahrung eines
ganzen vorangegangenen Jahrhunderts. Der Be-
griff von dem Verhaͤltniſſe des hypothekariſchen
Glaͤubigers zu ſeinem Schuldner laͤßt ſich in der
Abſtraction bald auffaſſen; die Grundſaͤtze der
bisherigen Geſetzgebung uͤber dieſen Gegenſtand
laſſen ſich leicht feſthalten. Aber durch welch
eine Welt von ganz neugeſtellten Partheien ſoll
dieſer Begriff, ſollen dieſe Grundſaͤtze hindurch-
gefuͤhrt werden? Eine große Schule fuͤr den
Richter iſt aufgethan: das Verhaͤltniß des Be-
weglichen zum Grundeigenthume kann in der
reichſten, vollſtaͤndigſten Bewegung aufgefaßt wer-
den. —

Den Grundſatz: fiat justitia et pereat
mundus
, „entſcheidet nach den alten Regeln,
und laßt den Staat daruͤber zu Grunde gehen,”
anzuwenden, wird niemand einfallen. Was wird
alſo geſchehn? Die Juſtiz-Behoͤrden werden ſich
von den adminiſtrativen Behoͤrden Verhaltungs-
regeln oder neue Geſetze ausbitten und dabei er-
klaͤren, ihre Sache ſey nur, nach den beſtehen-
den Geſetzen zu entſcheiden. Und die admini-

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[193/0227] thuͤmers zu dem Rentirer zum Gegenſtande ha- ben. — Hier iſt offenbar ein Fall, wo der gegenwaͤrtige Augenblick fuͤr die Ausbildung der Geſetzgebung gerade ſo wichtig iſt, wie die Erfahrung eines ganzen vorangegangenen Jahrhunderts. Der Be- griff von dem Verhaͤltniſſe des hypothekariſchen Glaͤubigers zu ſeinem Schuldner laͤßt ſich in der Abſtraction bald auffaſſen; die Grundſaͤtze der bisherigen Geſetzgebung uͤber dieſen Gegenſtand laſſen ſich leicht feſthalten. Aber durch welch eine Welt von ganz neugeſtellten Partheien ſoll dieſer Begriff, ſollen dieſe Grundſaͤtze hindurch- gefuͤhrt werden? Eine große Schule fuͤr den Richter iſt aufgethan: das Verhaͤltniß des Be- weglichen zum Grundeigenthume kann in der reichſten, vollſtaͤndigſten Bewegung aufgefaßt wer- den. — Den Grundſatz: fiat justitia et pereat mundus, „entſcheidet nach den alten Regeln, und laßt den Staat daruͤber zu Grunde gehen,” anzuwenden, wird niemand einfallen. Was wird alſo geſchehn? Die Juſtiz-Behoͤrden werden ſich von den adminiſtrativen Behoͤrden Verhaltungs- regeln oder neue Geſetze ausbitten und dabei er- klaͤren, ihre Sache ſey nur, nach den beſtehen- den Geſetzen zu entſcheiden. Und die admini- Müllers Elemente. I. [13]

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/227>, abgerufen am 22.11.2024.