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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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schwerfällige, ungeflügelte Verstand jener Zeiten
sogleich wieder an einen bestimmten, fixen Be-
griff eines Vertrages zwischen fixen und todten
und völlig disparaten Partheien, Volk und
Suverän.

Auf die Frage: "was ist das Volk?" ant-
worteten
sie: das Bündel ephemerer Wesen
mit Köpfen, zwei Händen und zwei Füßen,
welches in diesem Einen, gegenwärtigen, armseli-
gen Augenblick auf der Erdfläche, die man Frank-
reich nennt, mit allen äußeren Symptomen des
Lebens neben einander steht, sitzt, liegt; -- an-
statt zu antworten
: "ein Volk ist die erha-
bene Gemeinschaft einer langen Reihe von ver-
gangenen, jetzt lebenden und noch kommenden
Geschlechtern, die alle in einem großen innigen
Verbande zu Leben und Tod zusammenhangen,
von denen jedes einzelne, und in jedem einzel-
nen Geschlechte wieder jedes einzelne menschliche
Individuum, den gemeinsamen Bund verbürgt,
und mit seiner gesammten Existenz wieder von
ihm verbürgt wird; welche schöne und unsterb-
liche Gemeinschaft sich den Augen und den Sin-
nen darstellt in gemeinschaftlicher Sprache, in ge-
meinschaftlichen Sitten und Gesetzen, in tau-
send segensreichen Instituten, in vielen zu noch
besonderer Verknotung, ja Verkettung der Zeiten

ſchwerfaͤllige, ungefluͤgelte Verſtand jener Zeiten
ſogleich wieder an einen beſtimmten, fixen Be-
griff eines Vertrages zwiſchen fixen und todten
und voͤllig disparaten Partheien, Volk und
Suveraͤn.

Auf die Frage: „was iſt das Volk?” ant-
worteten
ſie: das Buͤndel ephemerer Weſen
mit Koͤpfen, zwei Haͤnden und zwei Fuͤßen,
welches in dieſem Einen, gegenwaͤrtigen, armſeli-
gen Augenblick auf der Erdflaͤche, die man Frank-
reich nennt, mit allen aͤußeren Symptomen des
Lebens neben einander ſteht, ſitzt, liegt; — an-
ſtatt zu antworten
: „ein Volk iſt die erha-
bene Gemeinſchaft einer langen Reihe von ver-
gangenen, jetzt lebenden und noch kommenden
Geſchlechtern, die alle in einem großen innigen
Verbande zu Leben und Tod zuſammenhangen,
von denen jedes einzelne, und in jedem einzel-
nen Geſchlechte wieder jedes einzelne menſchliche
Individuum, den gemeinſamen Bund verbuͤrgt,
und mit ſeiner geſammten Exiſtenz wieder von
ihm verbuͤrgt wird; welche ſchoͤne und unſterb-
liche Gemeinſchaft ſich den Augen und den Sin-
nen darſtellt in gemeinſchaftlicher Sprache, in ge-
meinſchaftlichen Sitten und Geſetzen, in tau-
ſend ſegensreichen Inſtituten, in vielen zu noch
beſonderer Verknotung, ja Verkettung der Zeiten

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[204/0238] ſchwerfaͤllige, ungefluͤgelte Verſtand jener Zeiten ſogleich wieder an einen beſtimmten, fixen Be- griff eines Vertrages zwiſchen fixen und todten und voͤllig disparaten Partheien, Volk und Suveraͤn. Auf die Frage: „was iſt das Volk?” ant- worteten ſie: das Buͤndel ephemerer Weſen mit Koͤpfen, zwei Haͤnden und zwei Fuͤßen, welches in dieſem Einen, gegenwaͤrtigen, armſeli- gen Augenblick auf der Erdflaͤche, die man Frank- reich nennt, mit allen aͤußeren Symptomen des Lebens neben einander ſteht, ſitzt, liegt; — an- ſtatt zu antworten: „ein Volk iſt die erha- bene Gemeinſchaft einer langen Reihe von ver- gangenen, jetzt lebenden und noch kommenden Geſchlechtern, die alle in einem großen innigen Verbande zu Leben und Tod zuſammenhangen, von denen jedes einzelne, und in jedem einzel- nen Geſchlechte wieder jedes einzelne menſchliche Individuum, den gemeinſamen Bund verbuͤrgt, und mit ſeiner geſammten Exiſtenz wieder von ihm verbuͤrgt wird; welche ſchoͤne und unſterb- liche Gemeinſchaft ſich den Augen und den Sin- nen darſtellt in gemeinſchaftlicher Sprache, in ge- meinſchaftlichen Sitten und Geſetzen, in tau- ſend ſegensreichen Inſtituten, in vielen zu noch beſonderer Verknotung, ja Verkettung der Zeiten

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/238>, abgerufen am 22.11.2024.