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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Rechte etwa auf folgende Weise zum Grunde
gelegt werden müssen.

Der Mensch lebt in einer doppelten Ehe, 1)
mit der Person, und 2) mit der Sache. Der
Stand der Familie (das höhere Personenrecht)
und der Stand des Besitzes (das höhere Sa-
chenrecht) sind die beiden einander gegenseitig
auf das innigste durchdringenden Gesichtspunkte
der Privat-Rechtswissenschaft. Unsere bisheri-
gen Rechts-Theorieen Römischen Ursprunges se-
hen den Staat unter dem Gesichtspunkt des abso-
luten sächlichen, weltlichen Besitzes an. Allen
diesen Theorieen muß eine auf der Idee der Fa-
milie gebauete, aus den Erfahrungen, Gesetzen
und Sitten des Mittelalters geschöpfte Theorie
der Persönlichkeit aller Gegenstände des Besit-
zes gegenüber gestellt werden, damit die Welt
nicht weiter im Namen des Rechtes höchst un-
rechtmäßig und roh eingetheilt, sortirt und ge-
schichtet werde in Personen und Sachen, son-
dern, damit in allen Individuen, aus denen der
Staat besteht, deutlich beides, die persönli-
che und die sächliche Natur
, heraustrete,
demnach das Leben und die Rechtsfähigkeit nicht
bloß da gesucht werde, wo sich der Schein des
Lebens und der Rechtsfähigkeit findet, d. h.
nicht bloß bei den zeitigen Menschen, sondern

auch

Rechte etwa auf folgende Weiſe zum Grunde
gelegt werden muͤſſen.

Der Menſch lebt in einer doppelten Ehe, 1)
mit der Perſon, und 2) mit der Sache. Der
Stand der Familie (das hoͤhere Perſonenrecht)
und der Stand des Beſitzes (das hoͤhere Sa-
chenrecht) ſind die beiden einander gegenſeitig
auf das innigſte durchdringenden Geſichtspunkte
der Privat-Rechtswiſſenſchaft. Unſere bisheri-
gen Rechts-Theorieen Roͤmiſchen Urſprunges ſe-
hen den Staat unter dem Geſichtspunkt des abſo-
luten ſaͤchlichen, weltlichen Beſitzes an. Allen
dieſen Theorieen muß eine auf der Idee der Fa-
milie gebauete, aus den Erfahrungen, Geſetzen
und Sitten des Mittelalters geſchoͤpfte Theorie
der Perſoͤnlichkeit aller Gegenſtaͤnde des Beſit-
zes gegenuͤber geſtellt werden, damit die Welt
nicht weiter im Namen des Rechtes hoͤchſt un-
rechtmaͤßig und roh eingetheilt, ſortirt und ge-
ſchichtet werde in Perſonen und Sachen, ſon-
dern, damit in allen Individuen, aus denen der
Staat beſteht, deutlich beides, die perſoͤnli-
che und die ſaͤchliche Natur
, heraustrete,
demnach das Leben und die Rechtsfaͤhigkeit nicht
bloß da geſucht werde, wo ſich der Schein des
Lebens und der Rechtsfaͤhigkeit findet, d. h.
nicht bloß bei den zeitigen Menſchen, ſondern

auch
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[240/0274] Rechte etwa auf folgende Weiſe zum Grunde gelegt werden muͤſſen. Der Menſch lebt in einer doppelten Ehe, 1) mit der Perſon, und 2) mit der Sache. Der Stand der Familie (das hoͤhere Perſonenrecht) und der Stand des Beſitzes (das hoͤhere Sa- chenrecht) ſind die beiden einander gegenſeitig auf das innigſte durchdringenden Geſichtspunkte der Privat-Rechtswiſſenſchaft. Unſere bisheri- gen Rechts-Theorieen Roͤmiſchen Urſprunges ſe- hen den Staat unter dem Geſichtspunkt des abſo- luten ſaͤchlichen, weltlichen Beſitzes an. Allen dieſen Theorieen muß eine auf der Idee der Fa- milie gebauete, aus den Erfahrungen, Geſetzen und Sitten des Mittelalters geſchoͤpfte Theorie der Perſoͤnlichkeit aller Gegenſtaͤnde des Beſit- zes gegenuͤber geſtellt werden, damit die Welt nicht weiter im Namen des Rechtes hoͤchſt un- rechtmaͤßig und roh eingetheilt, ſortirt und ge- ſchichtet werde in Perſonen und Sachen, ſon- dern, damit in allen Individuen, aus denen der Staat beſteht, deutlich beides, die perſoͤnli- che und die ſaͤchliche Natur, heraustrete, demnach das Leben und die Rechtsfaͤhigkeit nicht bloß da geſucht werde, wo ſich der Schein des Lebens und der Rechtsfaͤhigkeit findet, d. h. nicht bloß bei den zeitigen Menſchen, ſondern auch

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/274>, abgerufen am 22.11.2024.