Verfassung getreu bleibt, d. h. als der einzelne Adelige sich nur für den zeitigen Repräsentanten der Familien-Freiheiten, und als zeitigen Nieß- braucher der Familien-Rechte ansieht. Verwan- delt sich in einer unverständigen und sittenlosen Zeit der Adelige in einen einzelnen, freien Mann; will er die Familien-Macht wie ein augenblick- liches, bürgerliches Eigenthum behandeln, und bestärkt ihn die Regierung darin: so verwandeln sich alle seine Rechte in Vorrechte, in gemei- ne Privilegien; die Abwesenden werden nicht weiter von ihm repräsentirt: er verhält sich nun zu den übrigen Bürgern gerade eben so, wie jeder andre Monopolist; er ist in dieser, aller Freiheit widersprechenden Macht zu ohnmächtig, um dem einseitigen Grundsatze von der liberte de tous die Wage zu halten, und wird, wie er sich auch sträuben möge, zu Grunde gehen müssen. -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --
Soll der Adel mit seiner Familien-Freiheit dem Streben der Freiheit der vorübergehenden Einzelnen oder der Bürgerschaft das Gleichge- wicht halten, so muß er durch Sitte und Gesetz zugleich emporgetragen und ausgezeichnet werden. Kräftige Ideen von Ehre und Tadellosigkeit Einer- seits, Seltenheit andrerseits, die am besten durch
Verfaſſung getreu bleibt, d. h. als der einzelne Adelige ſich nur fuͤr den zeitigen Repraͤſentanten der Familien-Freiheiten, und als zeitigen Nieß- braucher der Familien-Rechte anſieht. Verwan- delt ſich in einer unverſtaͤndigen und ſittenloſen Zeit der Adelige in einen einzelnen, freien Mann; will er die Familien-Macht wie ein augenblick- liches, buͤrgerliches Eigenthum behandeln, und beſtaͤrkt ihn die Regierung darin: ſo verwandeln ſich alle ſeine Rechte in Vorrechte, in gemei- ne Privilegien; die Abweſenden werden nicht weiter von ihm repraͤſentirt: er verhaͤlt ſich nun zu den uͤbrigen Buͤrgern gerade eben ſo, wie jeder andre Monopoliſt; er iſt in dieſer, aller Freiheit widerſprechenden Macht zu ohnmaͤchtig, um dem einſeitigen Grundſatze von der liberté de tous die Wage zu halten, und wird, wie er ſich auch ſtraͤuben moͤge, zu Grunde gehen muͤſſen. — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — —
Soll der Adel mit ſeiner Familien-Freiheit dem Streben der Freiheit der voruͤbergehenden Einzelnen oder der Buͤrgerſchaft das Gleichge- wicht halten, ſo muß er durch Sitte und Geſetz zugleich emporgetragen und ausgezeichnet werden. Kraͤftige Ideen von Ehre und Tadelloſigkeit Einer- ſeits, Seltenheit andrerſeits, die am beſten durch
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Verfaſſung getreu bleibt, d. h. als der einzelne
Adelige ſich nur fuͤr den zeitigen Repraͤſentanten
der Familien-Freiheiten, und als zeitigen Nieß-
braucher der Familien-Rechte anſieht. Verwan-
delt ſich in einer unverſtaͤndigen und ſittenloſen
Zeit der Adelige in einen einzelnen, freien Mann;
will er die Familien-Macht wie ein augenblick-
liches, buͤrgerliches Eigenthum behandeln, und
beſtaͤrkt ihn die Regierung darin: ſo verwandeln
ſich alle ſeine Rechte in Vorrechte, in gemei-
ne Privilegien; die Abweſenden werden nicht
weiter von ihm repraͤſentirt: er verhaͤlt ſich nun
zu den uͤbrigen Buͤrgern gerade eben ſo, wie
jeder andre Monopoliſt; er iſt in dieſer, aller
Freiheit widerſprechenden Macht zu ohnmaͤchtig,
um dem einſeitigen Grundſatze von der liberté
de tous die Wage zu halten, und wird, wie
er ſich auch ſtraͤuben moͤge, zu Grunde gehen
muͤſſen. — — — — — — — — — — — —
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Soll der Adel mit ſeiner Familien-Freiheit
dem Streben der Freiheit der voruͤbergehenden
Einzelnen oder der Buͤrgerſchaft das Gleichge-
wicht halten, ſo muß er durch Sitte und Geſetz
zugleich emporgetragen und ausgezeichnet werden.
Kraͤftige Ideen von Ehre und Tadelloſigkeit Einer-
ſeits, Seltenheit andrerſeits, die am beſten durch
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/293>, abgerufen am 22.11.2024.
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