Die nothwendige Gegenseitigkeit aller politischen Verhältnisse innerhalb des Staates kann in sol- chen Fällen nicht mehr realisirt werden; daher wird auch die lebendige Einheit der Macht oder des Gesetzes unausführbar. Dies war die un- überwindliche Schwierigkeit in der Lage des gro- ßen Kaisers Karl's des Fünften, dem die größte aller Erbschaften, von denen in der Weltgeschichte die Rede ist, zugefallen war. Darin liegt es, daß alle Colonial-Verhältnisse nur einstweilige Zwischenzustände sind, in denen sich an keine wahre Einheit der Macht, auch an keine gegen- seitige, lebendige und unaufhörliche Reaction zwischen der Macht und der Freiheit denken läßt. Die Natur hat die einzelnen Räume der Erd- oberfläche physich, klimatisch, und mit Rücksicht auf alle natürlichen, künstlichen und sittlichen Bedingungen der gesellschaftlichen Existenz, so ge- trennt, daß die allgemeine, gleichzeitige Ausbildung der Rechts-Idee unmöglich wird.
Dafür hat sie in einzelnen Districten wieder alles vereiniget, was zu einer localen und vollständigen Ausbildung der Rechts-Idee nöthig ist. Wenn sie z. B. das Gebiet des al- ten Griechenlands zum Korn-, Wein- und Oel-Bau und zum Handel, also auch zur Fa- brication, gleich-tüchtig gemacht hat; so sage
ich:
Die nothwendige Gegenſeitigkeit aller politiſchen Verhaͤltniſſe innerhalb des Staates kann in ſol- chen Faͤllen nicht mehr realiſirt werden; daher wird auch die lebendige Einheit der Macht oder des Geſetzes unausfuͤhrbar. Dies war die un- uͤberwindliche Schwierigkeit in der Lage des gro- ßen Kaiſers Karl’s des Fuͤnften, dem die groͤßte aller Erbſchaften, von denen in der Weltgeſchichte die Rede iſt, zugefallen war. Darin liegt es, daß alle Colonial-Verhaͤltniſſe nur einſtweilige Zwiſchenzuſtaͤnde ſind, in denen ſich an keine wahre Einheit der Macht, auch an keine gegen- ſeitige, lebendige und unaufhoͤrliche Reaction zwiſchen der Macht und der Freiheit denken laͤßt. Die Natur hat die einzelnen Raͤume der Erd- oberflaͤche phyſich, klimatiſch, und mit Ruͤckſicht auf alle natuͤrlichen, kuͤnſtlichen und ſittlichen Bedingungen der geſellſchaftlichen Exiſtenz, ſo ge- trennt, daß die allgemeine, gleichzeitige Ausbildung der Rechts-Idee unmoͤglich wird.
Dafuͤr hat ſie in einzelnen Diſtricten wieder alles vereiniget, was zu einer localen und vollſtaͤndigen Ausbildung der Rechts-Idee noͤthig iſt. Wenn ſie z. B. das Gebiet des al- ten Griechenlands zum Korn-, Wein- und Oel-Bau und zum Handel, alſo auch zur Fa- brication, gleich-tuͤchtig gemacht hat; ſo ſage
ich:
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Die nothwendige Gegenſeitigkeit aller politiſchen
Verhaͤltniſſe innerhalb des Staates kann in ſol-
chen Faͤllen nicht mehr realiſirt werden; daher
wird auch die lebendige Einheit der Macht oder
des Geſetzes unausfuͤhrbar. Dies war die un-
uͤberwindliche Schwierigkeit in der Lage des gro-
ßen Kaiſers Karl’s des Fuͤnften, dem die groͤßte
aller Erbſchaften, von denen in der Weltgeſchichte
die Rede iſt, zugefallen war. Darin liegt es,
daß alle Colonial-Verhaͤltniſſe nur einſtweilige
Zwiſchenzuſtaͤnde ſind, in denen ſich an keine
wahre Einheit der Macht, auch an keine gegen-
ſeitige, lebendige und unaufhoͤrliche Reaction
zwiſchen der Macht und der Freiheit denken laͤßt.
Die Natur hat die einzelnen Raͤume der Erd-
oberflaͤche phyſich, klimatiſch, und mit Ruͤckſicht
auf alle natuͤrlichen, kuͤnſtlichen und ſittlichen
Bedingungen der geſellſchaftlichen Exiſtenz, ſo ge-
trennt, daß die allgemeine, gleichzeitige
Ausbildung der Rechts-Idee unmoͤglich wird.
Dafuͤr hat ſie in einzelnen Diſtricten wieder
alles vereiniget, was zu einer localen und
vollſtaͤndigen Ausbildung der Rechts-Idee
noͤthig iſt. Wenn ſie z. B. das Gebiet des al-
ten Griechenlands zum Korn-, Wein- und
Oel-Bau und zum Handel, alſo auch zur Fa-
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/306>, abgerufen am 23.11.2024.
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