innen Feinde in den verschiedensten Gestalten erhoben; hier mit Waffen der Klugheit, dort mit Waffen des Armes, und dann wieder mit Waf- fen der Beredtsamkeit gefochten werden mußte; als hier ein auflodernder Volksaufstand besänf- tigt, dort der Zwiespalt erbitterter Partheien mit kluger Hand verglichen, dort feindselige Ele- mente, die eindringenden Wellen des Oceans zu- rückgewiesen, dann wieder der Handel und der Credit unterstützt, oder eindringenden Heeren die Spitze geboten und tausend Verarmten und Un- glücklichen aufgeholfen werden sollte: da war die einzige, größte Schule der Staatsweisheit und der Vaterlandsliebe eröffnet, und jene Leh- rer der Welt mußten daraus hervorgehn. --
Denn wie der Mensch unter Leiden und Un- glück sein Herz kennen lernt, so lernen unter Calamitäten, Bewegungen und Stürmen aller Art die Völker sich selbst kennen und achten. Das Glück verzieht, verwöhnt, schläfert ein und isolirt die Menschen, wie die Völker; da hingegen das Unglück wach erhält, reitzt, bindet und erhebt.
Eben so ein langer Friede. Wie viele ver- borgene Tugend, wie vieles unsichtbare Schöne, aber auch wie viele verdeckte Schlechtheit kommt zum Vorschein, wenn einmal nach langem Frie-
innen Feinde in den verſchiedenſten Geſtalten erhoben; hier mit Waffen der Klugheit, dort mit Waffen des Armes, und dann wieder mit Waf- fen der Beredtſamkeit gefochten werden mußte; als hier ein auflodernder Volksaufſtand beſaͤnf- tigt, dort der Zwieſpalt erbitterter Partheien mit kluger Hand verglichen, dort feindſelige Ele- mente, die eindringenden Wellen des Oceans zu- ruͤckgewieſen, dann wieder der Handel und der Credit unterſtuͤtzt, oder eindringenden Heeren die Spitze geboten und tauſend Verarmten und Un- gluͤcklichen aufgeholfen werden ſollte: da war die einzige, groͤßte Schule der Staatsweisheit und der Vaterlandsliebe eroͤffnet, und jene Leh- rer der Welt mußten daraus hervorgehn. —
Denn wie der Menſch unter Leiden und Un- gluͤck ſein Herz kennen lernt, ſo lernen unter Calamitaͤten, Bewegungen und Stuͤrmen aller Art die Voͤlker ſich ſelbſt kennen und achten. Das Gluͤck verzieht, verwoͤhnt, ſchlaͤfert ein und iſolirt die Menſchen, wie die Voͤlker; da hingegen das Ungluͤck wach erhaͤlt, reitzt, bindet und erhebt.
Eben ſo ein langer Friede. Wie viele ver- borgene Tugend, wie vieles unſichtbare Schoͤne, aber auch wie viele verdeckte Schlechtheit kommt zum Vorſchein, wenn einmal nach langem Frie-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0042"n="8"/>
innen Feinde in den verſchiedenſten Geſtalten<lb/>
erhoben; hier mit Waffen der Klugheit, dort mit<lb/>
Waffen des Armes, und dann wieder mit Waf-<lb/>
fen der Beredtſamkeit gefochten werden mußte;<lb/>
als hier ein auflodernder Volksaufſtand beſaͤnf-<lb/>
tigt, dort der Zwieſpalt erbitterter Partheien<lb/>
mit kluger Hand verglichen, dort feindſelige Ele-<lb/>
mente, die eindringenden Wellen des Oceans zu-<lb/>
ruͤckgewieſen, dann wieder der Handel und der<lb/>
Credit unterſtuͤtzt, oder eindringenden Heeren die<lb/>
Spitze geboten und tauſend Verarmten und Un-<lb/>
gluͤcklichen aufgeholfen werden ſollte: da war<lb/>
die einzige, groͤßte Schule der Staatsweisheit<lb/>
und der Vaterlandsliebe eroͤffnet, und jene Leh-<lb/>
rer der Welt <hirendition="#g">mußten</hi> daraus hervorgehn. —</p><lb/><p>Denn wie der Menſch unter Leiden und Un-<lb/>
gluͤck ſein Herz kennen lernt, ſo lernen unter<lb/>
Calamitaͤten, <hirendition="#g">Bewegungen</hi> und Stuͤrmen aller<lb/>
Art die Voͤlker ſich ſelbſt kennen und achten.<lb/>
Das Gluͤck verzieht, verwoͤhnt, ſchlaͤfert ein<lb/>
und iſolirt die Menſchen, wie die Voͤlker; da<lb/>
hingegen das Ungluͤck wach erhaͤlt, reitzt, bindet<lb/>
und erhebt.</p><lb/><p>Eben ſo ein langer Friede. Wie viele ver-<lb/>
borgene Tugend, wie vieles unſichtbare Schoͤne,<lb/>
aber auch wie viele verdeckte Schlechtheit kommt<lb/>
zum Vorſchein, wenn einmal nach langem Frie-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[8/0042]
innen Feinde in den verſchiedenſten Geſtalten
erhoben; hier mit Waffen der Klugheit, dort mit
Waffen des Armes, und dann wieder mit Waf-
fen der Beredtſamkeit gefochten werden mußte;
als hier ein auflodernder Volksaufſtand beſaͤnf-
tigt, dort der Zwieſpalt erbitterter Partheien
mit kluger Hand verglichen, dort feindſelige Ele-
mente, die eindringenden Wellen des Oceans zu-
ruͤckgewieſen, dann wieder der Handel und der
Credit unterſtuͤtzt, oder eindringenden Heeren die
Spitze geboten und tauſend Verarmten und Un-
gluͤcklichen aufgeholfen werden ſollte: da war
die einzige, groͤßte Schule der Staatsweisheit
und der Vaterlandsliebe eroͤffnet, und jene Leh-
rer der Welt mußten daraus hervorgehn. —
Denn wie der Menſch unter Leiden und Un-
gluͤck ſein Herz kennen lernt, ſo lernen unter
Calamitaͤten, Bewegungen und Stuͤrmen aller
Art die Voͤlker ſich ſelbſt kennen und achten.
Das Gluͤck verzieht, verwoͤhnt, ſchlaͤfert ein
und iſolirt die Menſchen, wie die Voͤlker; da
hingegen das Ungluͤck wach erhaͤlt, reitzt, bindet
und erhebt.
Eben ſo ein langer Friede. Wie viele ver-
borgene Tugend, wie vieles unſichtbare Schoͤne,
aber auch wie viele verdeckte Schlechtheit kommt
zum Vorſchein, wenn einmal nach langem Frie-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst01_1809/42>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.