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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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seinen individuellen, sächlichen Vortheil, so un-
terwirft er sich ihnen blindlings, umgeht und
betriegt sie aber, wo er kann. Sein Gewissen,
falls er dergleichen unsichtbares Gesetz in seiner
Brust anerkennt, hat mit den Gesetzen nichts
zu schaffen; die Gesetzgebung ist nichts anderes
als, im günstigsten Fall, eine gute Polizei-An-
stalt: Freiheit des Bürgers heißt der Theil sei-
nes Lebens und Eigenthums, der von der Auf-
sicht dieser Polizei eximirt ist; je größer dieser
eximirte Theil, um so besser ist das Ding, wel-
ches sie "Staat" nennen. --

Aber es bricht ein Krieg aus: nun soll diese
Polizei-Anstalt plötzlich ein wahrer Staat wer-
den. -- Wie soll nun im Sturme der Zeit Das
aushalten und dauern, was, der allgemeinen
Ansicht nach, bloß für den Vortheil des Augen-
blickes aufgerichtet war? -- Wenn nun, bei sol-
chem unvermeidlichen Wechsel der Jahreszeiten,
das leichte, wandelbare Gerüst, das sie anstatt
eines dauerhaften Wohnhauses aufgeführt haben,
nicht Stand hält, dann schreien und klagen sie
über einbrechende Barbarei; die Welt scheint ih-
nen unterzugehen, weil die Zeit das unwürdige
Sicherheitswesen, und die ganze Kleinkrämerei
mit dem Gesetz, und die ganze Spielerei und
Possenreißerei der sogenannten Cultur und des

ſeinen individuellen, ſaͤchlichen Vortheil, ſo un-
terwirft er ſich ihnen blindlings, umgeht und
betriegt ſie aber, wo er kann. Sein Gewiſſen,
falls er dergleichen unſichtbares Geſetz in ſeiner
Bruſt anerkennt, hat mit den Geſetzen nichts
zu ſchaffen; die Geſetzgebung iſt nichts anderes
als, im guͤnſtigſten Fall, eine gute Polizei-An-
ſtalt: Freiheit des Buͤrgers heißt der Theil ſei-
nes Lebens und Eigenthums, der von der Auf-
ſicht dieſer Polizei eximirt iſt; je groͤßer dieſer
eximirte Theil, um ſo beſſer iſt das Ding, wel-
ches ſie „Staat” nennen. —

Aber es bricht ein Krieg aus: nun ſoll dieſe
Polizei-Anſtalt ploͤtzlich ein wahrer Staat wer-
den. — Wie ſoll nun im Sturme der Zeit Das
aushalten und dauern, was, der allgemeinen
Anſicht nach, bloß fuͤr den Vortheil des Augen-
blickes aufgerichtet war? — Wenn nun, bei ſol-
chem unvermeidlichen Wechſel der Jahreszeiten,
das leichte, wandelbare Geruͤſt, das ſie anſtatt
eines dauerhaften Wohnhauſes aufgefuͤhrt haben,
nicht Stand haͤlt, dann ſchreien und klagen ſie
uͤber einbrechende Barbarei; die Welt ſcheint ih-
nen unterzugehen, weil die Zeit das unwuͤrdige
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[5/0013] ſeinen individuellen, ſaͤchlichen Vortheil, ſo un- terwirft er ſich ihnen blindlings, umgeht und betriegt ſie aber, wo er kann. Sein Gewiſſen, falls er dergleichen unſichtbares Geſetz in ſeiner Bruſt anerkennt, hat mit den Geſetzen nichts zu ſchaffen; die Geſetzgebung iſt nichts anderes als, im guͤnſtigſten Fall, eine gute Polizei-An- ſtalt: Freiheit des Buͤrgers heißt der Theil ſei- nes Lebens und Eigenthums, der von der Auf- ſicht dieſer Polizei eximirt iſt; je groͤßer dieſer eximirte Theil, um ſo beſſer iſt das Ding, wel- ches ſie „Staat” nennen. — Aber es bricht ein Krieg aus: nun ſoll dieſe Polizei-Anſtalt ploͤtzlich ein wahrer Staat wer- den. — Wie ſoll nun im Sturme der Zeit Das aushalten und dauern, was, der allgemeinen Anſicht nach, bloß fuͤr den Vortheil des Augen- blickes aufgerichtet war? — Wenn nun, bei ſol- chem unvermeidlichen Wechſel der Jahreszeiten, das leichte, wandelbare Geruͤſt, das ſie anſtatt eines dauerhaften Wohnhauſes aufgefuͤhrt haben, nicht Stand haͤlt, dann ſchreien und klagen ſie uͤber einbrechende Barbarei; die Welt ſcheint ih- nen unterzugehen, weil die Zeit das unwuͤrdige Sicherheitsweſen, und die ganze Kleinkraͤmerei mit dem Geſetz, und die ganze Spielerei und Poſſenreißerei der ſogenannten Cultur und des

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/13>, abgerufen am 21.11.2024.