Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

chen zwei Ideen, um unsern Staat zu bilden:
nur aus Gegensatz und Streit, welchen die Na-
tur angerichtet hat, können wir Frieden erzeugen;
die beiden streitenden Ideen müssen persönlich,
verkörpert, in lebendigen Stellvertretern in jedem
Staate auftreten, wir müssen durch äußere Ent-
gegensetzung der Glieder des Staates in allen
unsern Lebensverhältnissen daran erinnert werden,
daß ohne Streit der Kräfte, nicht bloß einzel-
ner industrieller Kräfte, sondern aller Kräfte
der menschlichen Natur, kein Friede zu denken
und zu bilden ist. Es gehört ein fortdauernder
Streit dazu, wenn ein unaufhörliches Friedens-
stiften, d. h. ein lebendiger Friede -- nicht bloß
einzelnes Aufflammen, einzelne Acte des Frie-
dens -- Statt finden soll. Damit nun der
Mensch nicht, durch den Schein einseitiger Thä-
tigkeit geblendet, allzu früh sich für bürgerlich-
thätig halte, wo er vielleicht ein bloß eigennüt-
ziges Interesse verfolgt: müssen die Gesetze vor
allen Dingen, der hier getreu beschriebenen Na-
tur gemäß, alle Glieder des Staates in zwei
Partheien theilen, deren jede wieder eine der
beiden streitenden Grundkräfte, naturgemäß und
mit allen symbolischen Qualificationen, für die
Ewigkeit repräsentiren soll. Dieses ist das wahre
und unüberwindliche Fundament des Standes-

chen zwei Ideen, um unſern Staat zu bilden:
nur aus Gegenſatz und Streit, welchen die Na-
tur angerichtet hat, koͤnnen wir Frieden erzeugen;
die beiden ſtreitenden Ideen muͤſſen perſoͤnlich,
verkoͤrpert, in lebendigen Stellvertretern in jedem
Staate auftreten, wir muͤſſen durch aͤußere Ent-
gegenſetzung der Glieder des Staates in allen
unſern Lebensverhaͤltniſſen daran erinnert werden,
daß ohne Streit der Kraͤfte, nicht bloß einzel-
ner induſtrieller Kraͤfte, ſondern aller Kraͤfte
der menſchlichen Natur, kein Friede zu denken
und zu bilden iſt. Es gehoͤrt ein fortdauernder
Streit dazu, wenn ein unaufhoͤrliches Friedens-
ſtiften, d. h. ein lebendiger Friede — nicht bloß
einzelnes Aufflammen, einzelne Acte des Frie-
dens — Statt finden ſoll. Damit nun der
Menſch nicht, durch den Schein einſeitiger Thaͤ-
tigkeit geblendet, allzu fruͤh ſich fuͤr buͤrgerlich-
thaͤtig halte, wo er vielleicht ein bloß eigennuͤt-
ziges Intereſſe verfolgt: muͤſſen die Geſetze vor
allen Dingen, der hier getreu beſchriebenen Na-
tur gemaͤß, alle Glieder des Staates in zwei
Partheien theilen, deren jede wieder eine der
beiden ſtreitenden Grundkraͤfte, naturgemaͤß und
mit allen ſymboliſchen Qualificationen, fuͤr die
Ewigkeit repraͤſentiren ſoll. Dieſes iſt das wahre
und unuͤberwindliche Fundament des Standes-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0138" n="130"/>
chen zwei Ideen, um un&#x017F;ern Staat zu bilden:<lb/>
nur aus Gegen&#x017F;atz und Streit, welchen die Na-<lb/>
tur angerichtet hat, ko&#x0364;nnen wir Frieden erzeugen;<lb/>
die beiden &#x017F;treitenden Ideen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en per&#x017F;o&#x0364;nlich,<lb/>
verko&#x0364;rpert, in lebendigen Stellvertretern in jedem<lb/>
Staate auftreten, wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en durch a&#x0364;ußere Ent-<lb/>
gegen&#x017F;etzung der Glieder des Staates in allen<lb/>
un&#x017F;ern Lebensverha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en daran erinnert werden,<lb/>
daß ohne Streit der Kra&#x0364;fte, nicht bloß einzel-<lb/>
ner indu&#x017F;trieller Kra&#x0364;fte, &#x017F;ondern <hi rendition="#g">aller</hi> Kra&#x0364;fte<lb/>
der men&#x017F;chlichen Natur, kein Friede zu denken<lb/>
und zu bilden i&#x017F;t. Es geho&#x0364;rt ein fortdauernder<lb/>
Streit dazu, wenn ein unaufho&#x0364;rliches Friedens-<lb/>
&#x017F;tiften, d. h. ein lebendiger Friede &#x2014; nicht bloß<lb/>
einzelnes Aufflammen, einzelne Acte des Frie-<lb/>
dens &#x2014; Statt finden &#x017F;oll. Damit nun der<lb/>
Men&#x017F;ch nicht, durch den Schein ein&#x017F;eitiger Tha&#x0364;-<lb/>
tigkeit geblendet, allzu fru&#x0364;h &#x017F;ich fu&#x0364;r bu&#x0364;rgerlich-<lb/>
tha&#x0364;tig halte, wo er vielleicht ein bloß eigennu&#x0364;t-<lb/>
ziges Intere&#x017F;&#x017F;e verfolgt: mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die Ge&#x017F;etze vor<lb/>
allen Dingen, der hier getreu be&#x017F;chriebenen Na-<lb/>
tur gema&#x0364;ß, alle Glieder des Staates in zwei<lb/>
Partheien theilen, deren jede wieder eine der<lb/>
beiden &#x017F;treitenden Grundkra&#x0364;fte, naturgema&#x0364;ß und<lb/>
mit allen &#x017F;ymboli&#x017F;chen Qualificationen, fu&#x0364;r die<lb/>
Ewigkeit repra&#x0364;&#x017F;entiren &#x017F;oll. Die&#x017F;es i&#x017F;t das wahre<lb/>
und unu&#x0364;berwindliche Fundament des Standes-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0138] chen zwei Ideen, um unſern Staat zu bilden: nur aus Gegenſatz und Streit, welchen die Na- tur angerichtet hat, koͤnnen wir Frieden erzeugen; die beiden ſtreitenden Ideen muͤſſen perſoͤnlich, verkoͤrpert, in lebendigen Stellvertretern in jedem Staate auftreten, wir muͤſſen durch aͤußere Ent- gegenſetzung der Glieder des Staates in allen unſern Lebensverhaͤltniſſen daran erinnert werden, daß ohne Streit der Kraͤfte, nicht bloß einzel- ner induſtrieller Kraͤfte, ſondern aller Kraͤfte der menſchlichen Natur, kein Friede zu denken und zu bilden iſt. Es gehoͤrt ein fortdauernder Streit dazu, wenn ein unaufhoͤrliches Friedens- ſtiften, d. h. ein lebendiger Friede — nicht bloß einzelnes Aufflammen, einzelne Acte des Frie- dens — Statt finden ſoll. Damit nun der Menſch nicht, durch den Schein einſeitiger Thaͤ- tigkeit geblendet, allzu fruͤh ſich fuͤr buͤrgerlich- thaͤtig halte, wo er vielleicht ein bloß eigennuͤt- ziges Intereſſe verfolgt: muͤſſen die Geſetze vor allen Dingen, der hier getreu beſchriebenen Na- tur gemaͤß, alle Glieder des Staates in zwei Partheien theilen, deren jede wieder eine der beiden ſtreitenden Grundkraͤfte, naturgemaͤß und mit allen ſymboliſchen Qualificationen, fuͤr die Ewigkeit repraͤſentiren ſoll. Dieſes iſt das wahre und unuͤberwindliche Fundament des Standes-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/138
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/138>, abgerufen am 21.11.2024.