unterschiedes von Adel- und Bürgerstand, von wel- chem, dem ersten und nothwendigsten Gesetze, alle unsre Staatsbücher schweigen Ohne dieses Fun- dament ist alles Staatswesen und alles Staats- organisiren Spott und Spiel, und gleicht den andern Nichtswürdigkeiten, die zum Zeitvertreibe und für das Bedürfniß des Tages erfunden sind.
Wer mich versteht, sieht ein, daß es nicht auf eine Vertheidigung des Adels ankommt, son- dern ich, selbst ein Bürger, will die Existenz meines Standes auf den ewigen Naturgesetzen begründen: ich will beweisen, daß er ein un- entbehrliches Etwas im Staate ist, was die Schmeichler dieses Standes nicht vermochten; ich will beweisen, daß er ein Stand ist, und so brauche ich den Adel, um meinen Stand zu erkennen und zu vergleichen: ich will und kann kein Bürger seyn, wenn alles Bürger seyn soll. Diesen Bürgerstolz, mit dem ich mich in meiner Zeit lächerlich genug ausnehme, finde ich in einer Gestalt, die mir ansteht, wieder in dem Mittelalter, in den Reichsstädten meines Vater- landes. Dieses derbe, gemüthliche, fromme Selbstgefühl, diese Sprache der Freiheit, welche aus gründlichem Verstande, und um ihres eignen bürgerlichen Interesse's willen, Gott, Kaiser, Adel und Gesetz mit Ehrfurcht dient, ohne Falsch und
unterſchiedes von Adel- und Buͤrgerſtand, von wel- chem, dem erſten und nothwendigſten Geſetze, alle unſre Staatsbuͤcher ſchweigen Ohne dieſes Fun- dament iſt alles Staatsweſen und alles Staats- organiſiren Spott und Spiel, und gleicht den andern Nichtswuͤrdigkeiten, die zum Zeitvertreibe und fuͤr das Beduͤrfniß des Tages erfunden ſind.
Wer mich verſteht, ſieht ein, daß es nicht auf eine Vertheidigung des Adels ankommt, ſon- dern ich, ſelbſt ein Buͤrger, will die Exiſtenz meines Standes auf den ewigen Naturgeſetzen begruͤnden: ich will beweiſen, daß er ein un- entbehrliches Etwas im Staate iſt, was die Schmeichler dieſes Standes nicht vermochten; ich will beweiſen, daß er ein Stand iſt, und ſo brauche ich den Adel, um meinen Stand zu erkennen und zu vergleichen: ich will und kann kein Buͤrger ſeyn, wenn alles Buͤrger ſeyn ſoll. Dieſen Buͤrgerſtolz, mit dem ich mich in meiner Zeit laͤcherlich genug ausnehme, finde ich in einer Geſtalt, die mir anſteht, wieder in dem Mittelalter, in den Reichsſtaͤdten meines Vater- landes. Dieſes derbe, gemuͤthliche, fromme Selbſtgefuͤhl, dieſe Sprache der Freiheit, welche aus gruͤndlichem Verſtande, und um ihres eignen buͤrgerlichen Intereſſe’s willen, Gott, Kaiſer, Adel und Geſetz mit Ehrfurcht dient, ohne Falſch und
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unterſchiedes von Adel- und Buͤrgerſtand, von wel-
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unſre Staatsbuͤcher ſchweigen Ohne dieſes Fun-
dament iſt alles Staatsweſen und alles Staats-
organiſiren Spott und Spiel, und gleicht den
andern Nichtswuͤrdigkeiten, die zum Zeitvertreibe
und fuͤr das Beduͤrfniß des Tages erfunden ſind.
Wer mich verſteht, ſieht ein, daß es nicht
auf eine Vertheidigung des Adels ankommt, ſon-
dern ich, ſelbſt ein Buͤrger, will die Exiſtenz
meines Standes auf den ewigen Naturgeſetzen
begruͤnden: ich will beweiſen, daß er ein un-
entbehrliches Etwas im Staate iſt, was die
Schmeichler dieſes Standes nicht vermochten; ich
will beweiſen, daß er ein Stand iſt, und ſo
brauche ich den Adel, um meinen Stand zu
erkennen und zu vergleichen: ich will und kann
kein Buͤrger ſeyn, wenn alles Buͤrger ſeyn
ſoll. Dieſen Buͤrgerſtolz, mit dem ich mich in
meiner Zeit laͤcherlich genug ausnehme, finde ich
in einer Geſtalt, die mir anſteht, wieder in dem
Mittelalter, in den Reichsſtaͤdten meines Vater-
landes. Dieſes derbe, gemuͤthliche, fromme
Selbſtgefuͤhl, dieſe Sprache der Freiheit, welche
aus gruͤndlichem Verſtande, und um ihres eignen
buͤrgerlichen Intereſſe’s willen, Gott, Kaiſer, Adel
und Geſetz mit Ehrfurcht dient, ohne Falſch und
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/139>, abgerufen am 24.11.2024.
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