August und Horaz, Heinrich und Sülly, vorzüg- lich Alexander und Aristoteles, zugleich zu seyn, war wohl der höchste Lebensplan, den er in seiner Muße zu Rheinsberg als Kronprinz ent- worfen hatte. So, ohne tiefere Kenntniß des Le- bens, ohne eine durchgreifende Gestalt des Cha- rakters -- nur ein Schattenbild vom Ruhm, viel- leicht wohl auch den jungen Macedonier vor der Seele habend --, unternahm er den ersten Schle- sischen Krieg aus einer Ruhmbegierde, die, als letztes Motiv seiner damaligen Unternehmungen, und als den Hintergrund seiner Seele, Niemand treffender angedeutet hat, als er selbst in späterer Zeit. -- In der Schule, worin er gewesen war, hatte er nicht gelernt, sich die Größe der Thaten anders als in Zahlen zu denken -- nicht, als wenn er nicht reich an den schönsten Anlagen gewesen wäre, sondern weil nur von einer einzigen Seite her unaufhörlich auf seinen Geist gewirkt worden war; weil seine Seele sich nie von zwei entgegengesetzten, innerlich verschiedenen, Natu- ren zugleich angezogen gefühlt; weil er die ganze Welt, die ihm gefallen mochte, in Einer und der- selben, an und für sich schon ziemlich mageren und leblosen Form, der Französischen nehmlich, ausgedrückt erhalten; kurz, weil die Franzö- sische Literatur zwischen Friedrich und dem Al-
Auguſt und Horaz, Heinrich und Suͤlly, vorzuͤg- lich Alexander und Ariſtoteles, zugleich zu ſeyn, war wohl der hoͤchſte Lebensplan, den er in ſeiner Muße zu Rheinsberg als Kronprinz ent- worfen hatte. So, ohne tiefere Kenntniß des Le- bens, ohne eine durchgreifende Geſtalt des Cha- rakters — nur ein Schattenbild vom Ruhm, viel- leicht wohl auch den jungen Macedonier vor der Seele habend —, unternahm er den erſten Schle- ſiſchen Krieg aus einer Ruhmbegierde, die, als letztes Motiv ſeiner damaligen Unternehmungen, und als den Hintergrund ſeiner Seele, Niemand treffender angedeutet hat, als er ſelbſt in ſpaͤterer Zeit. — In der Schule, worin er geweſen war, hatte er nicht gelernt, ſich die Groͤße der Thaten anders als in Zahlen zu denken — nicht, als wenn er nicht reich an den ſchoͤnſten Anlagen geweſen waͤre, ſondern weil nur von einer einzigen Seite her unaufhoͤrlich auf ſeinen Geiſt gewirkt worden war; weil ſeine Seele ſich nie von zwei entgegengeſetzten, innerlich verſchiedenen, Natu- ren zugleich angezogen gefuͤhlt; weil er die ganze Welt, die ihm gefallen mochte, in Einer und der- ſelben, an und fuͤr ſich ſchon ziemlich mageren und lebloſen Form, der Franzoͤſiſchen nehmlich, ausgedruͤckt erhalten; kurz, weil die Franzoͤ- ſiſche Literatur zwiſchen Friedrich und dem Al-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0171"n="163"/>
Auguſt und Horaz, Heinrich und Suͤlly, vorzuͤg-<lb/>
lich Alexander und Ariſtoteles, zugleich zu ſeyn,<lb/>
war wohl der hoͤchſte Lebensplan, den er in<lb/>ſeiner Muße zu Rheinsberg als Kronprinz ent-<lb/>
worfen hatte. So, ohne tiefere Kenntniß des Le-<lb/>
bens, ohne eine durchgreifende Geſtalt des Cha-<lb/>
rakters — nur ein Schattenbild vom Ruhm, viel-<lb/>
leicht wohl auch den jungen Macedonier vor der<lb/>
Seele habend —, unternahm er den erſten Schle-<lb/>ſiſchen Krieg aus einer Ruhmbegierde, die, als<lb/>
letztes Motiv ſeiner damaligen Unternehmungen,<lb/>
und als den Hintergrund ſeiner Seele, Niemand<lb/>
treffender angedeutet hat, als er ſelbſt in ſpaͤterer<lb/>
Zeit. — In der Schule, worin er geweſen war,<lb/>
hatte er nicht gelernt, ſich die Groͤße der Thaten<lb/>
anders als in Zahlen zu denken — nicht, als<lb/>
wenn er nicht reich an den ſchoͤnſten Anlagen<lb/>
geweſen waͤre, ſondern weil nur von einer einzigen<lb/>
Seite her unaufhoͤrlich auf ſeinen Geiſt gewirkt<lb/>
worden war; weil ſeine Seele ſich nie von zwei<lb/>
entgegengeſetzten, innerlich verſchiedenen, Natu-<lb/>
ren zugleich angezogen gefuͤhlt; weil er die ganze<lb/>
Welt, die ihm gefallen mochte, in Einer und der-<lb/>ſelben, an und fuͤr ſich ſchon ziemlich mageren<lb/>
und lebloſen Form, der Franzoͤſiſchen nehmlich,<lb/>
ausgedruͤckt erhalten; kurz, weil die Franzoͤ-<lb/>ſiſche Literatur zwiſchen Friedrich und dem Al-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[163/0171]
Auguſt und Horaz, Heinrich und Suͤlly, vorzuͤg-
lich Alexander und Ariſtoteles, zugleich zu ſeyn,
war wohl der hoͤchſte Lebensplan, den er in
ſeiner Muße zu Rheinsberg als Kronprinz ent-
worfen hatte. So, ohne tiefere Kenntniß des Le-
bens, ohne eine durchgreifende Geſtalt des Cha-
rakters — nur ein Schattenbild vom Ruhm, viel-
leicht wohl auch den jungen Macedonier vor der
Seele habend —, unternahm er den erſten Schle-
ſiſchen Krieg aus einer Ruhmbegierde, die, als
letztes Motiv ſeiner damaligen Unternehmungen,
und als den Hintergrund ſeiner Seele, Niemand
treffender angedeutet hat, als er ſelbſt in ſpaͤterer
Zeit. — In der Schule, worin er geweſen war,
hatte er nicht gelernt, ſich die Groͤße der Thaten
anders als in Zahlen zu denken — nicht, als
wenn er nicht reich an den ſchoͤnſten Anlagen
geweſen waͤre, ſondern weil nur von einer einzigen
Seite her unaufhoͤrlich auf ſeinen Geiſt gewirkt
worden war; weil ſeine Seele ſich nie von zwei
entgegengeſetzten, innerlich verſchiedenen, Natu-
ren zugleich angezogen gefuͤhlt; weil er die ganze
Welt, die ihm gefallen mochte, in Einer und der-
ſelben, an und fuͤr ſich ſchon ziemlich mageren
und lebloſen Form, der Franzoͤſiſchen nehmlich,
ausgedruͤckt erhalten; kurz, weil die Franzoͤ-
ſiſche Literatur zwiſchen Friedrich und dem Al-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/171>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.