Sie wollen, befruchtete Moses seine erhabne Institution. Dem zu Folge haben alle seine Ge- setze einen durchaus persönlichen Charakter, und stehen der einseitigen, sächlichen Gestalt der späte- ren Römischen Gesetzgebung ganz entgegen. Das Eigenthum ist ihm etwas Persönliches, in jedem Besitzstücke sieht er ein Fideicommiß, d. h. die wohlthätige Hand Jehova's, die es ihm auf Treue und Glauben anvertrauet hat, und die ehrwürdige Hand der Patriarchen und Stamm- eltern, welche Treue und Glauben gehalten, und den Besitz unentweihet hinterlassen haben. -- Aus der Knechtschaft überwundener Feinde hat er kein Arges: denn der Sieg, und folglich auch die Gefangenen, kommt von Jehova; als ab- solutes Eigenthum kann er sie nie betrachten.
Unser Jahrhundert hat Grund, vor der Sklaverei der Negern zurückzuschrecken, weil eine würdevolle Dienstbarkeit bei uns nicht mehr Statt finden kann; aber daraus, daß es unmensch- lich ist, einen Menschen wie eine gemeine Sache zu behandeln, folgt noch nicht, daß es überhaupt menschlich sey, irgend einen Besitz als bloße Sache zu behandeln, und daß es keinem Volke, wie edel seine Gesetzgebung auch sey, anstehe, Leibeigenschaft über Andre auszuüben. Wer das sächliche Eigenthum persönlich zu behandeln weiß,
dem
Sie wollen, befruchtete Moſes ſeine erhabne Inſtitution. Dem zu Folge haben alle ſeine Ge- ſetze einen durchaus perſoͤnlichen Charakter, und ſtehen der einſeitigen, ſaͤchlichen Geſtalt der ſpaͤte- ren Roͤmiſchen Geſetzgebung ganz entgegen. Das Eigenthum iſt ihm etwas Perſoͤnliches, in jedem Beſitzſtuͤcke ſieht er ein Fideicommiß, d. h. die wohlthaͤtige Hand Jehova’s, die es ihm auf Treue und Glauben anvertrauet hat, und die ehrwuͤrdige Hand der Patriarchen und Stamm- eltern, welche Treue und Glauben gehalten, und den Beſitz unentweihet hinterlaſſen haben. — Aus der Knechtſchaft uͤberwundener Feinde hat er kein Arges: denn der Sieg, und folglich auch die Gefangenen, kommt von Jehova; als ab- ſolutes Eigenthum kann er ſie nie betrachten.
Unſer Jahrhundert hat Grund, vor der Sklaverei der Negern zuruͤckzuſchrecken, weil eine wuͤrdevolle Dienſtbarkeit bei uns nicht mehr Statt finden kann; aber daraus, daß es unmenſch- lich iſt, einen Menſchen wie eine gemeine Sache zu behandeln, folgt noch nicht, daß es uͤberhaupt menſchlich ſey, irgend einen Beſitz als bloße Sache zu behandeln, und daß es keinem Volke, wie edel ſeine Geſetzgebung auch ſey, anſtehe, Leibeigenſchaft uͤber Andre auszuuͤben. Wer das ſaͤchliche Eigenthum perſoͤnlich zu behandeln weiß,
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Sie wollen, befruchtete Moſes ſeine erhabne
Inſtitution. Dem zu Folge haben alle ſeine Ge-
ſetze einen durchaus perſoͤnlichen Charakter, und
ſtehen der einſeitigen, ſaͤchlichen Geſtalt der ſpaͤte-
ren Roͤmiſchen Geſetzgebung ganz entgegen. Das
Eigenthum iſt ihm etwas Perſoͤnliches, in jedem
Beſitzſtuͤcke ſieht er ein Fideicommiß, d. h. die
wohlthaͤtige Hand Jehova’s, die es ihm auf
Treue und Glauben anvertrauet hat, und die
ehrwuͤrdige Hand der Patriarchen und Stamm-
eltern, welche Treue und Glauben gehalten, und
den Beſitz unentweihet hinterlaſſen haben. —
Aus der Knechtſchaft uͤberwundener Feinde hat
er kein Arges: denn der Sieg, und folglich auch
die Gefangenen, kommt von Jehova; als ab-
ſolutes Eigenthum kann er ſie nie betrachten.
Unſer Jahrhundert hat Grund, vor der
Sklaverei der Negern zuruͤckzuſchrecken, weil
eine wuͤrdevolle Dienſtbarkeit bei uns nicht mehr
Statt finden kann; aber daraus, daß es unmenſch-
lich iſt, einen Menſchen wie eine gemeine Sache
zu behandeln, folgt noch nicht, daß es uͤberhaupt
menſchlich ſey, irgend einen Beſitz als bloße
Sache zu behandeln, und daß es keinem Volke,
wie edel ſeine Geſetzgebung auch ſey, anſtehe,
Leibeigenſchaft uͤber Andre auszuuͤben. Wer das
ſaͤchliche Eigenthum perſoͤnlich zu behandeln weiß,
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/24>, abgerufen am 21.11.2024.
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