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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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cher Rechenmünzen und ihren Werth viel zu
hoch anschlagen. Solche idealische Rechenmünze,
die nur in den Gewölben der Bank, aber kei-
nesweges in der wirklichen Circulation existirt,
ist der einstweilige wirkliche Suverän einer Han-
dels-Republik. Gesetzt, eine solche Handels-Re-
publik, einseitig in ihrem ganzen Wesen, er-
weiterte sich zu einem wirklichen, organischen
Staate: so würde in dem Maße, wie sich ein
lebendiges Ackerbau- oder Krieges-Interesse bil-
dete, auch die Rechenmünze an ihrer Suveräne-
tät verlieren; die Allmacht eines bestimmten Me-
tallgeldes würde nachlassen, ein, wenn auch aus
bloß mercantilischen Gesichtspunkten unvollkomm-
neres, doch aus echt-staatswirthschaftlichen voll-
kommneres National-Geld würde erscheinen; man
würde einander gegenseitig viel mehr mit Sym-
bolen des National-Credits, als mit absolutem
Metall oder streng-mercantilischem Credit bezah-
len. An den Grenzen zweier Welttheile kann
sich eine Zeitlang ein solcher Handelsplatz mit sei-
nem Bankgelde behaupten: so lagen Hamburg
und Amsterdam an der Grenze des Continents
von Europa einerseits, und von England und
den beiden Indien andrerseits; so lag Genua
mit seiner Girobank an der Grenze des Europäi-
schen Continents und Asiens. Aber wie möchten

cher Rechenmuͤnzen und ihren Werth viel zu
hoch anſchlagen. Solche idealiſche Rechenmuͤnze,
die nur in den Gewoͤlben der Bank, aber kei-
nesweges in der wirklichen Circulation exiſtirt,
iſt der einſtweilige wirkliche Suveraͤn einer Han-
dels-Republik. Geſetzt, eine ſolche Handels-Re-
publik, einſeitig in ihrem ganzen Weſen, er-
weiterte ſich zu einem wirklichen, organiſchen
Staate: ſo wuͤrde in dem Maße, wie ſich ein
lebendiges Ackerbau- oder Krieges-Intereſſe bil-
dete, auch die Rechenmuͤnze an ihrer Suveraͤne-
taͤt verlieren; die Allmacht eines beſtimmten Me-
tallgeldes wuͤrde nachlaſſen, ein, wenn auch aus
bloß mercantiliſchen Geſichtspunkten unvollkomm-
neres, doch aus echt-ſtaatswirthſchaftlichen voll-
kommneres National-Geld wuͤrde erſcheinen; man
wuͤrde einander gegenſeitig viel mehr mit Sym-
bolen des National-Credits, als mit abſolutem
Metall oder ſtreng-mercantiliſchem Credit bezah-
len. An den Grenzen zweier Welttheile kann
ſich eine Zeitlang ein ſolcher Handelsplatz mit ſei-
nem Bankgelde behaupten: ſo lagen Hamburg
und Amſterdam an der Grenze des Continents
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[286/0294] cher Rechenmuͤnzen und ihren Werth viel zu hoch anſchlagen. Solche idealiſche Rechenmuͤnze, die nur in den Gewoͤlben der Bank, aber kei- nesweges in der wirklichen Circulation exiſtirt, iſt der einſtweilige wirkliche Suveraͤn einer Han- dels-Republik. Geſetzt, eine ſolche Handels-Re- publik, einſeitig in ihrem ganzen Weſen, er- weiterte ſich zu einem wirklichen, organiſchen Staate: ſo wuͤrde in dem Maße, wie ſich ein lebendiges Ackerbau- oder Krieges-Intereſſe bil- dete, auch die Rechenmuͤnze an ihrer Suveraͤne- taͤt verlieren; die Allmacht eines beſtimmten Me- tallgeldes wuͤrde nachlaſſen, ein, wenn auch aus bloß mercantiliſchen Geſichtspunkten unvollkomm- neres, doch aus echt-ſtaatswirthſchaftlichen voll- kommneres National-Geld wuͤrde erſcheinen; man wuͤrde einander gegenſeitig viel mehr mit Sym- bolen des National-Credits, als mit abſolutem Metall oder ſtreng-mercantiliſchem Credit bezah- len. An den Grenzen zweier Welttheile kann ſich eine Zeitlang ein ſolcher Handelsplatz mit ſei- nem Bankgelde behaupten: ſo lagen Hamburg und Amſterdam an der Grenze des Continents von Europa einerſeits, und von England und den beiden Indien andrerſeits; ſo lag Genua mit ſeiner Girobank an der Grenze des Europaͤi- ſchen Continents und Aſiens. Aber wie moͤchten

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/294>, abgerufen am 24.11.2024.