mächtiger, als das National- oder patriotische Interesse derselben, so wäre ein National-Cre- dit unmöglich; die Regierung desselben Staates könnte nicht anders als gegen Privat-Bedingun- gen borgen. Hier ist die entscheidende Stelle, wo ich von fast allen bisherigen Schriftstellern über den Credit unbedingt abweichen muß. Das Unglück, die allgemeine Noth und die immer weiter um sich greifende Verschuldung der Regierungen vereinigen sich, die durch meine ganze gegenwärtige Arbeit hindurch greifende Lehre von der Verschiedenheit des wahren Privat- und National-Interesse von den Römischen Privat- und imperatorischen In- teresse zu bekräftigen. National-Credit ist die Fähigkeit einer Regierung, im bedürftigen Augen- blick das National-Capital für ihre Zwecke zu concentriren und, diesen Zwecken gemäß, zu rea- lisiren. -- Demnach gehört zum National-Cre- dit eine hohe Durchdrungenheit, Verschmolzen- heit und Einheit zwischen der Regierung und der Nation. Das Privat-Interesse des einzelnen Bürgers muß sich in jedem Augenblicke zum Na- tional-Interesse erweitern können; sein besonde- res Capital muß nur als Glied des National- Capitals Werth für ihn haben, sein persönli- cher Credit muß in den National-Credit ver- schlungen seyn, beide müssen sich gegenseitig ver-
maͤchtiger, als das National- oder patriotiſche Intereſſe derſelben, ſo waͤre ein National-Cre- dit unmoͤglich; die Regierung deſſelben Staates koͤnnte nicht anders als gegen Privat-Bedingun- gen borgen. Hier iſt die entſcheidende Stelle, wo ich von faſt allen bisherigen Schriftſtellern uͤber den Credit unbedingt abweichen muß. Das Ungluͤck, die allgemeine Noth und die immer weiter um ſich greifende Verſchuldung der Regierungen vereinigen ſich, die durch meine ganze gegenwaͤrtige Arbeit hindurch greifende Lehre von der Verſchiedenheit des wahren Privat- und National-Intereſſe von den Roͤmiſchen Privat- und imperatoriſchen In- tereſſe zu bekraͤftigen. National-Credit iſt die Faͤhigkeit einer Regierung, im beduͤrftigen Augen- blick das National-Capital fuͤr ihre Zwecke zu concentriren und, dieſen Zwecken gemaͤß, zu rea- liſiren. — Demnach gehoͤrt zum National-Cre- dit eine hohe Durchdrungenheit, Verſchmolzen- heit und Einheit zwiſchen der Regierung und der Nation. Das Privat-Intereſſe des einzelnen Buͤrgers muß ſich in jedem Augenblicke zum Na- tional-Intereſſe erweitern koͤnnen; ſein beſonde- res Capital muß nur als Glied des National- Capitals Werth fuͤr ihn haben, ſein perſoͤnli- cher Credit muß in den National-Credit ver- ſchlungen ſeyn, beide muͤſſen ſich gegenſeitig ver-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0365"n="357"/>
maͤchtiger, als das National- oder patriotiſche<lb/>
Intereſſe derſelben, ſo waͤre ein National-Cre-<lb/>
dit unmoͤglich; die Regierung deſſelben Staates<lb/>
koͤnnte nicht anders als gegen Privat-Bedingun-<lb/>
gen borgen. Hier iſt die entſcheidende Stelle, wo<lb/>
ich von faſt allen bisherigen Schriftſtellern uͤber den<lb/>
Credit unbedingt abweichen muß. Das Ungluͤck,<lb/>
die allgemeine Noth und die immer weiter um ſich<lb/>
greifende Verſchuldung der Regierungen vereinigen<lb/>ſich, die durch meine ganze gegenwaͤrtige Arbeit<lb/>
hindurch greifende Lehre von der Verſchiedenheit<lb/>
des wahren Privat- und National-Intereſſe von<lb/>
den Roͤmiſchen Privat- und imperatoriſchen In-<lb/>
tereſſe zu bekraͤftigen. National-Credit iſt die<lb/>
Faͤhigkeit einer Regierung, im beduͤrftigen Augen-<lb/>
blick das National-Capital fuͤr ihre Zwecke zu<lb/>
concentriren und, dieſen Zwecken gemaͤß, zu rea-<lb/>
liſiren. — Demnach gehoͤrt zum National-Cre-<lb/>
dit eine hohe Durchdrungenheit, Verſchmolzen-<lb/>
heit und Einheit zwiſchen der Regierung und der<lb/>
Nation. Das Privat-Intereſſe des einzelnen<lb/>
Buͤrgers muß ſich in jedem Augenblicke zum Na-<lb/>
tional-Intereſſe erweitern koͤnnen; ſein beſonde-<lb/>
res Capital muß nur als Glied des National-<lb/>
Capitals Werth fuͤr ihn haben, ſein perſoͤnli-<lb/>
cher Credit muß in den National-Credit ver-<lb/>ſchlungen ſeyn, beide muͤſſen ſich gegenſeitig ver-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[357/0365]
maͤchtiger, als das National- oder patriotiſche
Intereſſe derſelben, ſo waͤre ein National-Cre-
dit unmoͤglich; die Regierung deſſelben Staates
koͤnnte nicht anders als gegen Privat-Bedingun-
gen borgen. Hier iſt die entſcheidende Stelle, wo
ich von faſt allen bisherigen Schriftſtellern uͤber den
Credit unbedingt abweichen muß. Das Ungluͤck,
die allgemeine Noth und die immer weiter um ſich
greifende Verſchuldung der Regierungen vereinigen
ſich, die durch meine ganze gegenwaͤrtige Arbeit
hindurch greifende Lehre von der Verſchiedenheit
des wahren Privat- und National-Intereſſe von
den Roͤmiſchen Privat- und imperatoriſchen In-
tereſſe zu bekraͤftigen. National-Credit iſt die
Faͤhigkeit einer Regierung, im beduͤrftigen Augen-
blick das National-Capital fuͤr ihre Zwecke zu
concentriren und, dieſen Zwecken gemaͤß, zu rea-
liſiren. — Demnach gehoͤrt zum National-Cre-
dit eine hohe Durchdrungenheit, Verſchmolzen-
heit und Einheit zwiſchen der Regierung und der
Nation. Das Privat-Intereſſe des einzelnen
Buͤrgers muß ſich in jedem Augenblicke zum Na-
tional-Intereſſe erweitern koͤnnen; ſein beſonde-
res Capital muß nur als Glied des National-
Capitals Werth fuͤr ihn haben, ſein perſoͤnli-
cher Credit muß in den National-Credit ver-
ſchlungen ſeyn, beide muͤſſen ſich gegenſeitig ver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/365>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.