Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

bürgen. Anstatt dessen ist die allgemeine Mei-
nung, die Regierung verhalte sich zu dem Bür-
ger, wie der Römische Privatmann zu
dem Römischen Privatmann
; jeder von
Beiden habe in seinen abgesonderten Grenzen
dafür zu sorgen, daß er auskomme, darauf zu
sehen, wie er fertig werde.

Im Augenblick eines unvermeidlich ausbre-
chenden Krieges geräth der Finanz-Minister in
die unbeschreiblichste Verlegenheit; mit den alten
einseitigen Mitteln soll er den, sowohl der
Regierung als den Bürgern, gemeinschaftli-
chen
Zweck, die Abwehrung des Feindes, die
Aufrechthaltung der National-Existenz, errei-
chen: die Nation steht ihm wie ein fremdes, bei
der eben beschlossenen und nothwendigen Maßre-
gel, wenig interessirtes, vielleicht völlig dagegen
eingenommenes, Wesen gegenüber. Es ist eine
Lage, die den Wahnsinn, geschweige eine und die
andre verkehrte Maßregel, entschuldigen muß. Er
borgt vielleicht auf das Privat-Vermögen der
Regierung, gegen Unterpfand der Domänen,
der Einkünfte, seiner früheren ausgeliehenen
Tresor-Gelder; das Vorurtheil der Regenten,
wie der Regierten, verbirgt ihm den eigentlichen
National-Fonds. Die verderbliche Abgränzung
zwischen der Nation und dem Suverän macht

buͤrgen. Anſtatt deſſen iſt die allgemeine Mei-
nung, die Regierung verhalte ſich zu dem Buͤr-
ger, wie der Roͤmiſche Privatmann zu
dem Roͤmiſchen Privatmann
; jeder von
Beiden habe in ſeinen abgeſonderten Grenzen
dafuͤr zu ſorgen, daß er auskomme, darauf zu
ſehen, wie er fertig werde.

Im Augenblick eines unvermeidlich ausbre-
chenden Krieges geraͤth der Finanz-Miniſter in
die unbeſchreiblichſte Verlegenheit; mit den alten
einſeitigen Mitteln ſoll er den, ſowohl der
Regierung als den Buͤrgern, gemeinſchaftli-
chen
Zweck, die Abwehrung des Feindes, die
Aufrechthaltung der National-Exiſtenz, errei-
chen: die Nation ſteht ihm wie ein fremdes, bei
der eben beſchloſſenen und nothwendigen Maßre-
gel, wenig intereſſirtes, vielleicht voͤllig dagegen
eingenommenes, Weſen gegenuͤber. Es iſt eine
Lage, die den Wahnſinn, geſchweige eine und die
andre verkehrte Maßregel, entſchuldigen muß. Er
borgt vielleicht auf das Privat-Vermoͤgen der
Regierung, gegen Unterpfand der Domaͤnen,
der Einkuͤnfte, ſeiner fruͤheren ausgeliehenen
Treſor-Gelder; das Vorurtheil der Regenten,
wie der Regierten, verbirgt ihm den eigentlichen
National-Fonds. Die verderbliche Abgraͤnzung
zwiſchen der Nation und dem Suveraͤn macht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0366" n="358"/>
bu&#x0364;rgen. An&#x017F;tatt de&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t die allgemeine Mei-<lb/>
nung, die Regierung verhalte &#x017F;ich zu dem Bu&#x0364;r-<lb/>
ger, wie der <hi rendition="#g">Ro&#x0364;mi&#x017F;che Privatmann zu<lb/>
dem Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Privatmann</hi>; jeder von<lb/>
Beiden habe in &#x017F;einen abge&#x017F;onderten Grenzen<lb/>
dafu&#x0364;r zu &#x017F;orgen, daß er auskomme, darauf zu<lb/>
&#x017F;ehen, wie er fertig werde.</p><lb/>
            <p>Im Augenblick eines unvermeidlich ausbre-<lb/>
chenden Krieges gera&#x0364;th der Finanz-Mini&#x017F;ter in<lb/>
die unbe&#x017F;chreiblich&#x017F;te Verlegenheit; mit den alten<lb/><hi rendition="#g">ein&#x017F;eitigen</hi> Mitteln &#x017F;oll er den, &#x017F;owohl der<lb/>
Regierung als den Bu&#x0364;rgern, <hi rendition="#g">gemein&#x017F;chaftli-<lb/>
chen</hi> Zweck, die Abwehrung des Feindes, die<lb/>
Aufrechthaltung der National-Exi&#x017F;tenz, errei-<lb/>
chen: die Nation &#x017F;teht ihm wie ein fremdes, bei<lb/>
der eben be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen und nothwendigen Maßre-<lb/>
gel, wenig intere&#x017F;&#x017F;irtes, vielleicht vo&#x0364;llig dagegen<lb/>
eingenommenes, We&#x017F;en gegenu&#x0364;ber. Es i&#x017F;t eine<lb/>
Lage, die den Wahn&#x017F;inn, ge&#x017F;chweige eine und die<lb/>
andre verkehrte Maßregel, ent&#x017F;chuldigen muß. Er<lb/>
borgt vielleicht auf das Privat-Vermo&#x0364;gen der<lb/>
Regierung, gegen Unterpfand der Doma&#x0364;nen,<lb/>
der Einku&#x0364;nfte, &#x017F;einer fru&#x0364;heren ausgeliehenen<lb/>
Tre&#x017F;or-Gelder; das Vorurtheil der Regenten,<lb/>
wie der Regierten, verbirgt ihm den eigentlichen<lb/>
National-Fonds. Die verderbliche Abgra&#x0364;nzung<lb/>
zwi&#x017F;chen der Nation und dem Suvera&#x0364;n macht<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[358/0366] buͤrgen. Anſtatt deſſen iſt die allgemeine Mei- nung, die Regierung verhalte ſich zu dem Buͤr- ger, wie der Roͤmiſche Privatmann zu dem Roͤmiſchen Privatmann; jeder von Beiden habe in ſeinen abgeſonderten Grenzen dafuͤr zu ſorgen, daß er auskomme, darauf zu ſehen, wie er fertig werde. Im Augenblick eines unvermeidlich ausbre- chenden Krieges geraͤth der Finanz-Miniſter in die unbeſchreiblichſte Verlegenheit; mit den alten einſeitigen Mitteln ſoll er den, ſowohl der Regierung als den Buͤrgern, gemeinſchaftli- chen Zweck, die Abwehrung des Feindes, die Aufrechthaltung der National-Exiſtenz, errei- chen: die Nation ſteht ihm wie ein fremdes, bei der eben beſchloſſenen und nothwendigen Maßre- gel, wenig intereſſirtes, vielleicht voͤllig dagegen eingenommenes, Weſen gegenuͤber. Es iſt eine Lage, die den Wahnſinn, geſchweige eine und die andre verkehrte Maßregel, entſchuldigen muß. Er borgt vielleicht auf das Privat-Vermoͤgen der Regierung, gegen Unterpfand der Domaͤnen, der Einkuͤnfte, ſeiner fruͤheren ausgeliehenen Treſor-Gelder; das Vorurtheil der Regenten, wie der Regierten, verbirgt ihm den eigentlichen National-Fonds. Die verderbliche Abgraͤnzung zwiſchen der Nation und dem Suveraͤn macht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/366
Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/366>, abgerufen am 21.11.2024.