der Mosaischen der persönliche Theil, in der Rö- mischen der sächliche Theil des Privatrechtes. "Wie unsre Vorfahren die übrigen Völker an Klugheit übertroffen haben," sagt Cicero im er- sten Buche de Oratore, "das werdet Ihr am besten einsehen, wenn Ihr mit ihrem Lykurg, Drako und Solon unsre Gesetze vergleichen wollt; denn es ist fast unglaublich, wie ungeschliffen und beinahe lächerlich alles Civil-Recht neben dem un- srigen erscheint." Dem gerechten Hochmuthe dieser Worte läßt sich nichts entgegensetzen, als die Er- innerung an die ganz verschiedenen Zustände des öffentlichen Lebens, unter denen in Griechenland und Rom das Recht ausgebildet worden war. In Staaten wie dem Mosaischen und Römischen, die von Hause aus -- gleichviel ob durch einen weltlichen oder geistigen Gedanken abgeschlossen -- nun unverrückt beinahe ein Jahrtausend hindurch auf denselben alten Grundpfeilern ruhen, deren Kraft -- gleichviel ob mehr nach außen gewen- det, wie die Römische, oder mehr nach innen, wie die Israelitische -- wohl mit Nachbarn, aber doch nie mit eigentlichen Nebenbuhlern, so zu kämpfen hat, daß die Privat-Freiheit auf's Spiel gesetzt würde: -- in solchen Staaten müssen sich alle Privat-Verhältnisse der Personen und des Eigenthums besser und gründlicher ordnen, als
der Moſaiſchen der perſoͤnliche Theil, in der Roͤ- miſchen der ſaͤchliche Theil des Privatrechtes. „Wie unſre Vorfahren die uͤbrigen Voͤlker an Klugheit uͤbertroffen haben,” ſagt Cicero im er- ſten Buche de Oratore, „das werdet Ihr am beſten einſehen, wenn Ihr mit ihrem Lykurg, Drako und Solon unſre Geſetze vergleichen wollt; denn es iſt faſt unglaublich, wie ungeſchliffen und beinahe laͤcherlich alles Civil-Recht neben dem un- ſrigen erſcheint.” Dem gerechten Hochmuthe dieſer Worte laͤßt ſich nichts entgegenſetzen, als die Er- innerung an die ganz verſchiedenen Zuſtaͤnde des oͤffentlichen Lebens, unter denen in Griechenland und Rom das Recht ausgebildet worden war. In Staaten wie dem Moſaiſchen und Roͤmiſchen, die von Hauſe aus — gleichviel ob durch einen weltlichen oder geiſtigen Gedanken abgeſchloſſen — nun unverruͤckt beinahe ein Jahrtauſend hindurch auf denſelben alten Grundpfeilern ruhen, deren Kraft — gleichviel ob mehr nach außen gewen- det, wie die Roͤmiſche, oder mehr nach innen, wie die Iſraelitiſche — wohl mit Nachbarn, aber doch nie mit eigentlichen Nebenbuhlern, ſo zu kaͤmpfen hat, daß die Privat-Freiheit auf’s Spiel geſetzt wuͤrde: — in ſolchen Staaten muͤſſen ſich alle Privat-Verhaͤltniſſe der Perſonen und des Eigenthums beſſer und gruͤndlicher ordnen, als
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der Moſaiſchen der perſoͤnliche Theil, in der Roͤ-
miſchen der ſaͤchliche Theil des Privatrechtes.
„Wie unſre Vorfahren die uͤbrigen Voͤlker an
Klugheit uͤbertroffen haben,” ſagt Cicero im er-
ſten Buche de Oratore, „das werdet Ihr am
beſten einſehen, wenn Ihr mit ihrem Lykurg,
Drako und Solon unſre Geſetze vergleichen wollt;
denn es iſt faſt unglaublich, wie ungeſchliffen und
beinahe laͤcherlich alles Civil-Recht neben dem un-
ſrigen erſcheint.” Dem gerechten Hochmuthe dieſer
Worte laͤßt ſich nichts entgegenſetzen, als die Er-
innerung an die ganz verſchiedenen Zuſtaͤnde des
oͤffentlichen Lebens, unter denen in Griechenland
und Rom das Recht ausgebildet worden war.
In Staaten wie dem Moſaiſchen und Roͤmiſchen,
die von Hauſe aus — gleichviel ob durch einen
weltlichen oder geiſtigen Gedanken abgeſchloſſen —
nun unverruͤckt beinahe ein Jahrtauſend hindurch
auf denſelben alten Grundpfeilern ruhen, deren
Kraft — gleichviel ob mehr nach außen gewen-
det, wie die Roͤmiſche, oder mehr nach innen,
wie die Iſraelitiſche — wohl mit Nachbarn, aber
doch nie mit eigentlichen Nebenbuhlern, ſo zu
kaͤmpfen hat, daß die Privat-Freiheit auf’s Spiel
geſetzt wuͤrde: — in ſolchen Staaten muͤſſen ſich
alle Privat-Verhaͤltniſſe der Perſonen und des
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/65>, abgerufen am 23.11.2024.
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