gen Erfolge hinreichend gezeigt haben, die Ideen der Freiheit, des Menschenrechtes und der Volks- Suveränetät bei der Besseren von der Parthei des Neuen nichts als geistige Getränke, worin sie sich zu ihrem Angriff Muth tranken; bei den Schlechteren, Kälteren, ein Theater-Costüme, das sie zu seiner Zeit abzulegen und zu vertau- schen wußten. Wir Deutschen nehmen so et- was herzlicher und ehrlicher, und legen unsre spießbürgerliche Ernsthaftigkeit, Moralität und bonam fidem den Weltbegebenheiten unter, wo sie durchaus nicht hin gehören. --
Im Grunde des Herzens kam die ganze Ge- neration darin überein, daß sie von dem gesamm- ten idealischen Wesen, welches im Mittelalter durch Tradition, Sitte, Gewohnheit, Gesetz und Religion in die Staaten gekommen wäre, nichts mehr wissen wolle. Die sogenannte Parthei des Alten würde nichts dagegen einzuwenden gehabt haben, wenn man allen fideicommissarischen oder feudalistischen Besitz in ordinäres unbedingtes Privat-Eigenthum verwandelt hätte -- voraus- gesetzt, daß der effective Besitzstand geblieben wäre, wie er war; ferner, wie viele Parthei- gänger des Neuen gewesen seyn mögen, denen man die gesammten Freiheits- und Naturrechts- Ideen nicht für ein gehöriges Besitzstück hätte
gen Erfolge hinreichend gezeigt haben, die Ideen der Freiheit, des Menſchenrechtes und der Volks- Suveraͤnetaͤt bei der Beſſeren von der Parthei des Neuen nichts als geiſtige Getraͤnke, worin ſie ſich zu ihrem Angriff Muth tranken; bei den Schlechteren, Kaͤlteren, ein Theater-Coſtuͤme, das ſie zu ſeiner Zeit abzulegen und zu vertau- ſchen wußten. Wir Deutſchen nehmen ſo et- was herzlicher und ehrlicher, und legen unſre ſpießbuͤrgerliche Ernſthaftigkeit, Moralitaͤt und bonam fidem den Weltbegebenheiten unter, wo ſie durchaus nicht hin gehoͤren. —
Im Grunde des Herzens kam die ganze Ge- neration darin uͤberein, daß ſie von dem geſamm- ten idealiſchen Weſen, welches im Mittelalter durch Tradition, Sitte, Gewohnheit, Geſetz und Religion in die Staaten gekommen waͤre, nichts mehr wiſſen wolle. Die ſogenannte Parthei des Alten wuͤrde nichts dagegen einzuwenden gehabt haben, wenn man allen fideicommiſſariſchen oder feudaliſtiſchen Beſitz in ordinaͤres unbedingtes Privat-Eigenthum verwandelt haͤtte — voraus- geſetzt, daß der effective Beſitzſtand geblieben waͤre, wie er war; ferner, wie viele Parthei- gaͤnger des Neuen geweſen ſeyn moͤgen, denen man die geſammten Freiheits- und Naturrechts- Ideen nicht fuͤr ein gehoͤriges Beſitzſtuͤck haͤtte
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gen Erfolge hinreichend gezeigt haben, die Ideen
der Freiheit, des Menſchenrechtes und der Volks-
Suveraͤnetaͤt bei der Beſſeren von der Parthei
des Neuen nichts als geiſtige Getraͤnke, worin
ſie ſich zu ihrem Angriff Muth tranken; bei den
Schlechteren, Kaͤlteren, ein Theater-Coſtuͤme,
das ſie zu ſeiner Zeit abzulegen und zu vertau-
ſchen wußten. Wir Deutſchen nehmen ſo et-
was herzlicher und ehrlicher, und legen unſre
ſpießbuͤrgerliche Ernſthaftigkeit, Moralitaͤt und
bonam fidem den Weltbegebenheiten unter, wo
ſie durchaus nicht hin gehoͤren. —
Im Grunde des Herzens kam die ganze Ge-
neration darin uͤberein, daß ſie von dem geſamm-
ten idealiſchen Weſen, welches im Mittelalter
durch Tradition, Sitte, Gewohnheit, Geſetz und
Religion in die Staaten gekommen waͤre, nichts
mehr wiſſen wolle. Die ſogenannte Parthei des
Alten wuͤrde nichts dagegen einzuwenden gehabt
haben, wenn man allen fideicommiſſariſchen oder
feudaliſtiſchen Beſitz in ordinaͤres unbedingtes
Privat-Eigenthum verwandelt haͤtte — voraus-
geſetzt, daß der effective Beſitzſtand geblieben
waͤre, wie er war; ferner, wie viele Parthei-
gaͤnger des Neuen geweſen ſeyn moͤgen, denen
man die geſammten Freiheits- und Naturrechts-
Ideen nicht fuͤr ein gehoͤriges Beſitzſtuͤck haͤtte
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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/83>, abgerufen am 23.11.2024.
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