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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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abhandeln können, überlasse ich jedem Kenner
der Französischen Revolution zu beurtheilen: die
Handvoll eigentlicher Philanthropen hätte nicht
hingereicht, die Bastille zu stürmen.

Demnach wird mit dem Nahmen Feudalis-
mus etwas gebrandmarkt, oder beehrt -- wie
ich mich ausdrücken soll, weiß ich nicht --, was
der ganzen Generation, den Repräsentanten des
Alten, wie des Neuen, innerlich zuwider ist. --
Ich kenne Individuen höherer Ordnung, die
außer dem, was sie besitzen, noch etwas ganz
Unveräußerliches und Unzerstörbares empfinden;
aber sie leben nicht in ihrem Jahrhundert, sie
stehen fremd und einsam unter den Andern.

Ueberein kommt die ungeheure Majorität
der Europäischen Individuen noch jetzt, und schon
seit dreißig Jahren, 1) in der unbedingten Ver-
götterung des eben so unbedingten, absoluten
und ausschließenden Privat-Eigenthums, des
Römischen Eigenthums; 2) in dem unbedingten
Streben nach der Vermehrung des reinen Ein-
kommens, des produit net: denn alles, was von
den Fortschritten des Jahrhunderts gesagt und
gelehrt worden, ist eine elegante Bekleidung, ein
Euphemismus für jenen gemeinen ökonomischen
Begriff; 3) endlich in dem Abscheu gegen alles,
was einer Corporation oder einer moralischen

abhandeln koͤnnen, uͤberlaſſe ich jedem Kenner
der Franzoͤſiſchen Revolution zu beurtheilen: die
Handvoll eigentlicher Philanthropen haͤtte nicht
hingereicht, die Baſtille zu ſtuͤrmen.

Demnach wird mit dem Nahmen Feudalis-
mus etwas gebrandmarkt, oder beehrt — wie
ich mich ausdruͤcken ſoll, weiß ich nicht —, was
der ganzen Generation, den Repraͤſentanten des
Alten, wie des Neuen, innerlich zuwider iſt. —
Ich kenne Individuen hoͤherer Ordnung, die
außer dem, was ſie beſitzen, noch etwas ganz
Unveraͤußerliches und Unzerſtoͤrbares empfinden;
aber ſie leben nicht in ihrem Jahrhundert, ſie
ſtehen fremd und einſam unter den Andern.

Ueberein kommt die ungeheure Majoritaͤt
der Europaͤiſchen Individuen noch jetzt, und ſchon
ſeit dreißig Jahren, 1) in der unbedingten Ver-
goͤtterung des eben ſo unbedingten, abſoluten
und ausſchließenden Privat-Eigenthums, des
Roͤmiſchen Eigenthums; 2) in dem unbedingten
Streben nach der Vermehrung des reinen Ein-
kommens, des produit net: denn alles, was von
den Fortſchritten des Jahrhunderts geſagt und
gelehrt worden, iſt eine elegante Bekleidung, ein
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[76/0084] abhandeln koͤnnen, uͤberlaſſe ich jedem Kenner der Franzoͤſiſchen Revolution zu beurtheilen: die Handvoll eigentlicher Philanthropen haͤtte nicht hingereicht, die Baſtille zu ſtuͤrmen. Demnach wird mit dem Nahmen Feudalis- mus etwas gebrandmarkt, oder beehrt — wie ich mich ausdruͤcken ſoll, weiß ich nicht —, was der ganzen Generation, den Repraͤſentanten des Alten, wie des Neuen, innerlich zuwider iſt. — Ich kenne Individuen hoͤherer Ordnung, die außer dem, was ſie beſitzen, noch etwas ganz Unveraͤußerliches und Unzerſtoͤrbares empfinden; aber ſie leben nicht in ihrem Jahrhundert, ſie ſtehen fremd und einſam unter den Andern. Ueberein kommt die ungeheure Majoritaͤt der Europaͤiſchen Individuen noch jetzt, und ſchon ſeit dreißig Jahren, 1) in der unbedingten Ver- goͤtterung des eben ſo unbedingten, abſoluten und ausſchließenden Privat-Eigenthums, des Roͤmiſchen Eigenthums; 2) in dem unbedingten Streben nach der Vermehrung des reinen Ein- kommens, des produit net: denn alles, was von den Fortſchritten des Jahrhunderts geſagt und gelehrt worden, iſt eine elegante Bekleidung, ein Euphemismus fuͤr jenen gemeinen oͤkonomiſchen Begriff; 3) endlich in dem Abſcheu gegen alles, was einer Corporation oder einer moraliſchen

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/84>, abgerufen am 23.11.2024.