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Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809.

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cher sich solchen Rechtsbegriffen nicht unterwerfe,
oder gar ihnen trotze: -- ich durfte mich nicht
begnügen, Ihnen ein bloßes idealisches Recht
vorzuhalten, wozu erst ein äußerer Arm des
Zwanges, eine weltliche Ausübung, hinzukommen
müsse, damit es auch wirkliches Recht sey, son-
dern mein Problem war, Ihnen ein Gesetz, oder
eine Form des Rechtes zu zeigen, die sich durch
sich selbst verbürge und garantire. Ich habe es
gezeigt. Wenn sich nur der ganze Mensch dem
Staate, wenn er nicht etwa bloß seinen weltli-
chen Besitz demselben übergeben will; ferner, wenn
er nicht etwa bloß augenblickliches physisches und
geistiges Wohl, sondern das Leben und Wohl-
seyn der ganzen unsterblichen Familie, deren ver-
gängliches Glied er ist, beabsichtigt; wenn er das
Gefühl seiner Unabhängigkeit und des unendlichen
Zusammenhanges mit den vergangenen, gegenwär-
tigen und zukünftigen Gliedern dieser Staats-
familie allen andern, halben und weichlichen Ge-
fühlen des Augenblickes vorzieht --: dann ga-
rantirt er selbst das Gesetz, von dem er die Ga-
rantie aller seiner Verhältnisse und Besitzthümer
erwartet. Diese Hingebung, welche sich über die
Schranken des engen menschlichen Lebens, das mit
allen seinen augenblicklichen Reitzen oft daran ge-
setzt seyn will an das Leben der Staatsverbin-

cher ſich ſolchen Rechtsbegriffen nicht unterwerfe,
oder gar ihnen trotze: — ich durfte mich nicht
begnuͤgen, Ihnen ein bloßes idealiſches Recht
vorzuhalten, wozu erſt ein aͤußerer Arm des
Zwanges, eine weltliche Ausuͤbung, hinzukommen
muͤſſe, damit es auch wirkliches Recht ſey, ſon-
dern mein Problem war, Ihnen ein Geſetz, oder
eine Form des Rechtes zu zeigen, die ſich durch
ſich ſelbſt verbuͤrge und garantire. Ich habe es
gezeigt. Wenn ſich nur der ganze Menſch dem
Staate, wenn er nicht etwa bloß ſeinen weltli-
chen Beſitz demſelben uͤbergeben will; ferner, wenn
er nicht etwa bloß augenblickliches phyſiſches und
geiſtiges Wohl, ſondern das Leben und Wohl-
ſeyn der ganzen unſterblichen Familie, deren ver-
gaͤngliches Glied er iſt, beabſichtigt; wenn er das
Gefuͤhl ſeiner Unabhaͤngigkeit und des unendlichen
Zuſammenhanges mit den vergangenen, gegenwaͤr-
tigen und zukuͤnftigen Gliedern dieſer Staats-
familie allen andern, halben und weichlichen Ge-
fuͤhlen des Augenblickes vorzieht —: dann ga-
rantirt er ſelbſt das Geſetz, von dem er die Ga-
rantie aller ſeiner Verhaͤltniſſe und Beſitzthuͤmer
erwartet. Dieſe Hingebung, welche ſich uͤber die
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[85/0093] cher ſich ſolchen Rechtsbegriffen nicht unterwerfe, oder gar ihnen trotze: — ich durfte mich nicht begnuͤgen, Ihnen ein bloßes idealiſches Recht vorzuhalten, wozu erſt ein aͤußerer Arm des Zwanges, eine weltliche Ausuͤbung, hinzukommen muͤſſe, damit es auch wirkliches Recht ſey, ſon- dern mein Problem war, Ihnen ein Geſetz, oder eine Form des Rechtes zu zeigen, die ſich durch ſich ſelbſt verbuͤrge und garantire. Ich habe es gezeigt. Wenn ſich nur der ganze Menſch dem Staate, wenn er nicht etwa bloß ſeinen weltli- chen Beſitz demſelben uͤbergeben will; ferner, wenn er nicht etwa bloß augenblickliches phyſiſches und geiſtiges Wohl, ſondern das Leben und Wohl- ſeyn der ganzen unſterblichen Familie, deren ver- gaͤngliches Glied er iſt, beabſichtigt; wenn er das Gefuͤhl ſeiner Unabhaͤngigkeit und des unendlichen Zuſammenhanges mit den vergangenen, gegenwaͤr- tigen und zukuͤnftigen Gliedern dieſer Staats- familie allen andern, halben und weichlichen Ge- fuͤhlen des Augenblickes vorzieht —: dann ga- rantirt er ſelbſt das Geſetz, von dem er die Ga- rantie aller ſeiner Verhaͤltniſſe und Beſitzthuͤmer erwartet. Dieſe Hingebung, welche ſich uͤber die Schranken des engen menſchlichen Lebens, das mit allen ſeinen augenblicklichen Reitzen oft daran ge- ſetzt ſeyn will an das Leben der Staatsverbin-

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Die Elemente der Staatskunst. Bd. 2. Berlin, 1809, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_staatskunst02_1809/93>, abgerufen am 23.11.2024.